Gilbert L. Wilson: Goodbird. Die Welt der Hidatsa
Indianer Hidatsa Gilbert L. Wilson
Die Autobiografie des Edward Goodbird, eines amerikanischen Ureinwohners vom Stamm der Hidatsa, wurde aufgezeichnet durch den Anthropologen Gilbert L. Wilson. Das Buch erschien erstmals im Jahr 1914 unter dem Titel "Goodbird the Indian. His Story" und sollte christlichen Kindern die Kultur indianischer Völker nahebringen. Nun legte der Traumfänger-Verlag das Buch in neuer Übersetzung und als ansprechende Hardcover-Ausgabe erneut auf.
"Goodbird" ist eine von insgesamt drei Biografien, die der Anthropologe aufzeichnete - und zwar, das ist das Besondere, als Zuhörer, der seine Gesprächspartner ihre Geschichte selbst erzählen ließ, und nicht als darüberstehender Wissenschaftler, der die einzelnen Aussagen neu ordnete und seinem wissenschaftlichen System einverleibte. So wurde "Goodbird" eine der ersten Autobiografien eines indigenen Amerikaners. Eine weitere Biografie, die Wilson aufzeichnete, war die Lebensgeschichte von Goodbirds Mutter Waheenee, das Buch erschien vor einigen Jahren ebenfalls neu im Traumfänger-Verlag.
Zwischen Hidatsa-Tradition und dem Weg des Weißen Mannes
Edward Goodbird hat die traditionelle Welt der Hidatsa als Kind noch selbst erlebt, doch ist er gleichzeitig bereits Vertreter einer neuen Generation, die sich in der Welt des "weißen Mannes" zurechtfinden musste. Bezeichnend ist das Foto, das zu Beginn dieses Lebensberichtes abgedruckt ist: Goodbird steht zwischen seinen Eltern und trägt einen klassischen schwarzen Anzug, während Vater und Mutter in traditionelle Gewänder der Hidatsa gekleidet sind.
Goodbird erzählt von seiner frühen Kindheit und kann mit einem dramatischen Auftakt aufwarten. Als Säugling wäre er beinahe ertrunken, als der Stamm mit runden Bullboats einen Fluss überquerte. Er schildert die Bräuche seines Volkes, etwa die Zeremonie der Namensgebung für ein Kind, aber auch die Landwirtschaft bei den Hidatsa, den Bau ihrer Häuser und die Spiele der Kinder. Man erfährt etwas über die Religion seines Stammes und die Bedeutung von Visionen und die Suche nach einem eigenen Schutzgeist.
Stammesgötter, Geister und der Christengott
Goodbird erzählt aber auch von den Missionaren, die den Hidatsa das Christentum näher bringen wollten. Für ihn und seine Stammesgenossen war es durchaus in Ordnung, den Christengott zu verehren und trotzdem den Göttern und Geistern der Hidatsa die Ehre zu erweisen. Warum die Missionare darauf so wütend reagierten, erschloss sich vielen nicht: "'Warum?', fragten wir. 'Hassen die Missionare unsere Götter? Wir lehnen auch nicht den Großen Geist der Weißen ab? Warum also lehnt ihr unsere ab?'", sagt Goodbird. Und er meint vermittelnd: "Wenn den Weißen unser Glaube fremd erscheint, müssen sie bedenken, dass der ihrige uns auch fremd ist."
Goodbird übersetzt Predigten und wird Missionarshelfer
Goodbird selbst besuchte bereits die Schule der Missionare. Von Zwangsbeschulung und davon, dass indianische Kinder ihren Familien oft gewaltsam entrissen und in Internaten gequält wurden, ist bei ihm nichts zu lesen. Er hatte das Glück, von dem Missionar Hall eine Menge zu lernen, ohne von seiner eigenen Familie getrennt und seiner traditionellen Kultur entfremdet zu werden. So kann er gleichzeitig von Büffeljagd und traditioneller Landwirtschaft und dem Weg des Weißen Mannes erzählen und beide Welten ohne Hass und Trauma erfahren. Er ist als Übersetzer für den Missionar tätig, übersetzt dessen Predigten ins Hidatsa und lernt interessiert, was in der Bibel steht. Die Taufe erscheint ihm als logischer Schritt auf dem Weg des Weißen Mannes, schließlich wird er Missionshelfer. Seine Bilanz seines Lebensweges schließlich fällt positiv aus. "Ich habe keine Angst", schreibt Goodbird.
Schlichte, unpathetische Erzählung
Goodbird erzählt einfach und schnörkellos. Es ist eine sehr schlichte, liebevolle, aber unpathetische Schilderung einer untergehenden beziehungsweise untergegangenen Welt und eines recht reibungsarmen Übergangs in eine neue Welt. Zorn und Wut sucht man in diesem Buch vergebens, auch keine Anklage gegen weiße Mörder und Landräuber. Die Hidatsa waren, trotz der verheerenden Pockenepidemie, von vielen schlechten Erfahrungen mit den Weißen verschont geblieben, eher hatten sie als kleineres Volk Probleme mit den Sioux, vor denen sie bei den Weißen Schutz suchten. So kann Goodbird recht entspannt von seinem "neuen Weg" sprechen.
Insgesamt ist es ein sehr interessantes und trotz seines geringen Umfangs auch sehr gehaltvolles, informationsreiches Buch. Goodbirds Autobiografie ist, zusammen mit dem kurz danach entstandenen Buch mit den Lebenserinnerungen seiner Mutter Waheenee, ein außerordentlich wertvolles Zeugnis und eine wichtige Quelle für alle, die sich mit den Hidatsa beschäftigen. Die Illustrationen, die Wilsons Bruder Frederick für den Bericht schuf, tragen dazu bei, das Buch anschaulich und zu einer kleinen Kostbarkeit zu machen.
Fazit: Unsentimentaler, schlichter Lebensbericht eines indigenen Amerikaners, der über die traditionelle Lebensweise seines Volkes und den neuen "Weg des Weißen Mannes" erzählt. Reich an Einzelheiten und eine unverzichtbare Quelle über das Leben der Hidatsa im frühen 20. Jahrhundert. Lesenswert.
Gilbert L. Wilson, nach Überlieferungen von Edward Goodbird: Goodbird. Die Welt der Hidatsa. Übersetzt von Tobias Enge. Hohenthann: TraumFänger Verlag, 2021. 105 S., Euro 12,50.
© Petra Hartmann