Kerstin Groeper: Im Eissturm der Amsel
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Kerstin Groeper erzählt in ihrem historischen Roman "Im Eissturm der Amsel" von einer jungen Mandan-Indianerin, einem französischen Trapper und einem Krieger vom Stamm der Lakota, deren Schicksale und Wege sich kreuzen. Der Roman spielt in den Jahren 1808 bis 1814.
Pierre DuMont ist Fallensteller und gehört einer größeren Pelzhandelsgesellschaft an, für die er und seine Kollegen jagen. Die Firma gründet mehrere Handelsstationen, treibt mit verschiedenen Indianerstämmen Handel und hat großes Interesse, in Frieden mit den Indianern zu leben. Das Verhältnis zu den meisten Stämmen ist freundschaftlich oder zumindest von gegenseitigem Respekt und gemeinsamem Nutzen geprägt, nur mit den Blackfeet haben die Jäger Probleme. Immer wieder werden sie von Schwarzfüßen angegriffen, die Indianer töten viele der weißen Trapper und Händler, brennen Handelsstationen nieder und rauben den Weißen die mühsam erbeuteten und erhandelten Felle. Gleich zu Beginn des Buchs wird Pierre gezeigt, wie er Späher der Blackfeet entdeckt und tötet und einen Angriff auf die Handelsstation erlebt.
Zupackende Mandan-Indianerin als Trapper-Braut
Mato-wea, eine junge Mandan-Indianerin, ist die weibliche Hauptfigur des Romans. Sie ist Waise, lebt bei ihrem Onkel und wird vorgestellt als tüchtige Jugendliche, die sich um ihre jüngere Cousine kümmert, sich auf weibliche Arbeiten bereits ausgezeichnet versteht und einem klassischen Leben als Ehefrau eines Kriegers und Mutter seiner Kinder entgegensieht. Aber bereits von Anfang an wird gezeigt, dass Mato-wea auch zupacken kann und sich und ihre Stammesgenossinnen entschlossen verteidigt. Bei einem Überfall der Lakota auf das Mandan-Dorf stellt sie sich einem Angreifer mutig entgegen und reißt ihn vom Pferd, um ihrem Freundinnen Zeit zur Flucht zu verschaffen. Eine Begegnung, die den Lakota-Krieger Wambli-Luta schwer beeindruckt. Die junge Frau, die ihm den unrühmlichen Sturz beschert hat, geht ihm fortan nicht mehr aus dem Kopf.
Als Pierre, einer Gewohnheit der Trapper folgend, bei den Mandan eine "Ehefrau" beziehungsweise eine Frau auf befristete Zeit für Haushalt und Geschlechtsverkehr kaufen will, erhält er Mato-wea, die ihm in die Welt der weißen Jäger folgt und das Leben in der Handelsstation kennen lernt. Und sie kann vieles von dem einbringen, was sie bei den Mandan gelernt hat. Beim Gerben der Pelze macht ihr keiner der Männer etwas vor. Und mit ihren Kochkünsten kann sie in dem Männerlager sogar ein wenig Kultur einführen ...
Heldenhafter, aber auch nachdenklicher Krieger
Wambli-luta, der Rote Adler schließlich, ist die dritte Person, aus deren Perspektive der Leser die Ereignisse miterlebt. Ein junger, heldenhafter Krieger, zwar erst am Beginn seiner Laufbahn, aber bereits von allen anerkannt. Er wird als neues Mitglied in eine der angesehensten Kriegergesellschaften aufgenommen. Dabei wird dieser Wambli-luta aber dennoch als ein stiller, nachdenklicher Mann gezeichnet, der immer wieder fragt, ob seine Medizin noch stark genug ist, der auf Visionssuche geht, sich den Qualen des Sonnentanzes aussetzt, um das Große Geheimnis und die Geister sich und seinem Volk gewogen zu stimmen.
Als Krieger wetteifert er immer wieder mit einem gegnerischen Crow-Krieger, sie stehlen sich gegenseitig die Pferde, überfallen die Dörfer des jeweils anderen, kämpfen gegeneinander. Alles hart, aber fair und mit gegenseitigem Respekt. Sogar die Namen der beiden korrespondieren auffallend miteinander: Dachbitche-hisshi, Roter Bär, hat nicht nur das gleiche Farbadjektiv im Namen wie sein Lakota-Widerpart, die beiden treffen auch erstmals aufeinander, als Wambli-luta nach einem Kampf mit einem Grizzly-Bären schwer verletzt und kampfunfähig am Boden liegt, wobei der Crow ihn verschont.
Nur eines unterscheidet Wambli-luta von seinem ständigen Gegenspieler: Aufgrund einer Vision kämpft er niemals gegen Frauen oder Kinder oder tötet sie gar. Während der Crow, um dem ständigen Rivalen eins auszuwischen, dessen Schwester entführt.
Glaubhafte Charaktere vor gut recherchierter Kulisse
Kerstin Groeper gelingt es, drei außerordentlich glaubhafte Helden mit eigenen, unverwechselbaren Charakteren und Stimmen zu schaffen. Vor dem Hintergrund der Auseinandersetzungen zwischen Amerikanern und Engländern, den französischen Trappern und den unterschiedlichen indianischen Stämmen, schildert sie authentische Einzelschicksale und zugleich historische Ereignisse, aber auch Naturgewalten wie die furchtbaren "Amselstürme", die Jagdlager unter Schnee- und Eismassen begraben und zahlreiche Menschenleben fordern.
Gerade Mato-wea als Wanderin zwischen den Welten und Kulturen kommt in dem Buch eine besondere Rolle zu. Durch ihre Augen sieht der Leser nicht nur in die Welt der Mandan hinein, sondern erfährt auch vom Leben in einem Trapperlager und schließlich davon, wie sich eine Mandanin und Trapperfrau bei den Lakota einleben muss.
Gegen Ende des Buches blinkt auch die Hoffnung auf, die in die große Vereinigung aller indianischen Völker, die Tecumseh stiften wollte, gesetzt wird.
Wieder einmal zeigt die Autorin, dass sie intensiv recherchiert hat und sich in der Zeit und Welt, die sie schildert, gut auskennt.
Einige sprachliche Macken
Kerstin Groeper hat eine große Stärke: die Recherche. Sie hat leider auch eine große Schwäche: die deutsche Sprache. Deklinations-Sünden wie "des Bärens" und "dem Bär" können einem Leser schon manchmal die Freude am Lesen verderben. Unangenehm sind auch einige Bezugsfehler beziehungsweise ungelenk gebaute Sätze wie: "Anpao-win hatte Neuigkeiten von ihren Freundinnen, die sie mit ihrer Mutter austauschte." Natürlich tauschte Anpao-win nicht die Freundinnen mit ihrer Mutter aus, sondern die Neuigkeiten. Man wünscht dieser Autorin einfach mal eine grimmige Korrekturleserin mit scharf gespitztem Rotstift.
Abgesehen davon aber: Ein spannender, gut geschriebener Roman, randvoll mit Leben und Wissen, der sehr viel Spaß macht und an keiner Stelle langweilig ist. Sehr schön.
Fazit: Spannender und sachkundig geschriebener Roman über Begegnungen zwischen Indianern und Weißen im frühen 19. Jahrhundert und das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Kulturen. Gut recherchiert und unbedingt empfehlenswert.
Kerstin Groeper: Im Eissturm der Amsel. Hohenthann: TraumFänger Verlag, 2020. 562 S., Euro 16,90.
Weitere Bücher von Kerstin Groeper:
Träume von Salbei und Süßgras
Adlerkralle
Grauer Wolf
Indigene Märchen
Mohawk Love
Im fahlen Licht des Mondes
Der scharlachrote Pfad
Wie ein Funke im Feuer
Die Feder folgt dem Wind
Kranichfrau
Geflecktes-Pferdemädchen
© Petra Hartmann