Thorgal 40: Tupilak
Comics Thorgal Yann Fred Vignaux
"Tupilak" heißt das 40. Thorgal-Album. Das Wort stammt aus der Sprache der Inuit und bezeichnet einen aus Walrosszahn, manchmal aber auch aus Holz oder Rentiergeweih geschnitzten kleinen Dämon, es handelt sich um eine Art Kultgegenstand. Getextet wurde das Abenteuer erneut von Yann, als Zeichner fungiert Fred Vignaux.
Die Geschichte beginnt dort, wo der 39. Thorgal-Band "Neokora" endete: Thorgal ist in die Kommandozentrale des gestrandeten Alien-Raumschiffs eingedrungen und hat die Bord-Intelligenz zum Leben erweckt. Doch Neokora reagiert ausgesprochen unfreundlich auf das Eindringen des Sohns der Sterne. Anders als sämtliche Bordsysteme, die Thorgal und seinen Sohn Jolan als Abkömmlinge der höchsten Atlantiden-Kaste erkennen und ihren Anweisungen folgen, verlangt Neokora Thorgals Unterwerfung unter ihren Befehl.
Thorgal rastet völlig aus
Thorgals Reaktion ist für den besonnenen, von seinen Schöpfern Rosinski und van Hamme eher als Friedensengel denn als Krieger angelegten Sternensohn völlig untypisch: Die Aufforderung zur Unterwerfung lässt ihn völlig ausrasten, er randaliert in der Zentrale, schlägt mit dem Schwert auf die Projektion Neokoras ein, schießt dann mit einer Alienwaffe. Im Prinzip benimmt er sich, als sei er nicht Thorgal, sondern Conan, der Barbar. Was denn auch Neokora zu der völlig berechtigten Feststellung veranlasst: "Die Tatsache, dass du eine einfache virtuelle Projektion zu zerstören versuchst, verrät deine primitive Herkunft." Allerdings rechnet Neokora nicht damit, dass Thorgal dann den Tupilak, den er im Vorgängerband geschenkt bekommen hat, in einen Rechner rammt ...
Slive hat gelogen ...
Das Album bricht mit einigen Dingen, die bisher in der Serie als Tatsache gegolten haben. So stellt sich heraus, dass nicht alle Atlantiden damals bei der Raumschiffskatastrophe ums Leben gekommen sind. Thorgal und seine Kinder sind offenbar nicht die letzten des Sternenvolks, wie die in ihren Schlafkapseln langsam erwachenden Atlantiden eindrucksvoll demonstrieren. Und auch Slive lebt noch, obwohl alle überzeugt waren, dass sie tot ist. Die ehemalige Herrscherin der Insel des ewigen Frostes taucht unvermittelt ebenfalls an Bord des Alienschiffs auf und gesteht, dass sie Thorgal damals belogen hat. Und sie hat üble Nachrichten: Es gibt ein selbst vor den damaligen Kommandanten geheim gehaltenes Programm die Bordintelligenz: Es geht nicht einfach um die Suche nach einem neuen Planeten für die Atlantiden. Neokora ist darauf programmiert, nach einer Landung auf der Erde das Kommando zu übernehmen und die Urbevölkerung der Erde gnadenlos auszurotten.
Erinnerung an einen geklauten Hasenbraten
Ein besonderes Zusammentreffen ist die Wieder-Begegnung Thorgals mit dem Angehörigen des Slug-Volks, dem er vor Jahren - im Album "Die Insel des ewigen Frostes" - einen Hasenbraten entwendet hatte. Die damalige kleine Junge ist inzwischen Schamane seines Volkes und erinnert sich noch in Dankbarkeit daran, wie Thorgal den "Herrn der drei Adler" getötet und die Zwingherrschaft Slives über die Slugs gebrochen hat. Inzwischen stark gealtert hat der Mann eine gewaltige Zaubermacht erlangt. Das Ungeheuer, das im Band "Neokora" Arisøns Schiff überfallen hat, geht auf seine Magie zurück, und der alte Mann beschwört im Kampf gegen Aliens und die kannibalischen Skraelinge erneut das Ungeheuer. Und Zaubermacht ist in diesem Kampf eine wichtige Waffe, denn Neokora setzt einen extrem bösartigen Virus frei, um die Menschheit zu vernichten.
Die Geschichte ist durchgehend geprägt von Kampfszenen und Monströsitäten wie dem vom Slug-Schamanen beschworenen Untier. Thorgal, Slive und Jolan finden die Überreste der Begleiter von Kriss und Arisøns - die Männer wurden von den Skraelingern tatsächlich aufgefressen. Gezeigt wird auch, wie die Körper zweier gefangener Slugs an Bord des Raumschiffs dem tödlichen Virus ausgesetzt werden und sich in Sekunden in faulende Blutgeschwüre verwandeln. Vor diesem Hintergrund sollte man für den unangenehm verwaschenen Zeichenstil beinahe dankbar sein. Trotzdem: Optisch macht dieses Album nicht viel Spaß. Die kalte, klare Arktisluft hätte auch klarere Linien erfordert. Im Album "Schwertboot" hatte es doch noch geklappt. Dass die Geschichte die bisher bekannte Erzählung vom Sterben des Sternenvolks außer Kraft setzt und der Leser mal eben hören muss: "Ätsch, was du bisher geglaubt hast, war alles gar nicht wahr", ist auch ziemlich ärgerlich.
Fazit: Ziemlich viel Blut und Gewalt. Schon zum Auftakt prügelt Thorgal wie ein in Testosteron ersaufender Neandertaler auf eine Projektion der Bordintelligenz ein. Dazu der unklare Zeichenstil und ein Bruch mit der Kontinuität der Serie - alles in allem nur bedingt empfehlenswert. Schade.
Thorgal 40: Tupilak. Text: Yann. Zeichnungen: Fred Vignaux. Bielefeld: Splitter, 2023. 64 S., Euro 17.
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© Petra Hartmann