MarburgCon 2023 - so war's
Unterwegs
Marburg ruft - und wenn ich dafür um 4 Uhr aus dem Bett klettern muss, dann ist es das allemal wert. Die Fahrt von Sillium nach Niederweimar bei Marburg zum MarburgCon ist absolute Ehrensache und war mir nach Jahren der Pandemie ein Fest. Letztes Jahr hatten wir uns erstmals wieder treffen können, damals noch durchgängig mit Maske vor Mund und Nase, diesmal ohne, dafür mit Umarmungen. Schön war`s - und diesmal habe ich auch nichts von Corona-Ausbrüchen danach gehört.
Aufstehen um 4 Uhr, Abfahrt um 5 Uhr. Und schon beim Verlassen meines Dorfes wurde mir klar, dass es gut war, etwas Pufferzeit mit eingeplant zu haben, als nämlich das Navigationssystem etwas von "Störungen auf der Route" piepste und mir eine Alternativstrecke ausrechnete. Statt der geplanten zweieinhalb Stunden wurden es dann dreieinhalb, die A7-Baustelle und die perfide Kreisbahn, auf die mich mein Navi locken wollte, sorgten für reichlich Verspätung, aber als ich irgendwann auf den Gedanken kam, das Gerät auszuschalten und stur den blauen Umleitungsschildern nach Kassel zu folgen, kam ich irgendwann nach Göttingen, und dann war es nur noch ein Katzensprung nach Hessen.
Ich kam gegen 8.30 Uhr im Bürgerhaus in Niederweimar an. Vorn am Eingang saßen Thomas Vaterrodt (beste Nachricht des Cons: Vati geht's gut) und Anke Brandt. Letztere war nach vorn umgezogen, um den Laden (mit) zu schmeißen, hatte aber auch einen kleinen Büchertisch, auf dem auch ihre "Lucie, die Hexe von Poel" zu haben war. Für die hatte ich schon auf der Leipziger Buchmesse Kaufwünsche angemeldet und (Spoiler) natürlich schaffte ich mir das Werk dann am Nachmittag auf meiner Shoppingtour an.
Versuch einer Buchpräsentation mit Petra Hartmann (sitzend) und Marc Hamacher (rechts). Das Aufbau-Foto machte Joerg Ritter, das Bild mit der eigentlichen Buchverteilung wurde leider nichts aufgrund der ungünstigen Lichtverhältnisse.
Mein Tisch war am großen Frontfenster, ich war sehr gemütlich untergebracht zwischen den Schreibers ("Saphir im Stahl") und Nadine Muriel, die ihre Anthologien feilbot, darunter auch die "Met-Magie", die nicht nur wegen meines Beitrags "Die Blaubeerbrücke" ein ausgesprochen lesenswertes Buch ist. Ein weiteres Schmuckstück auf ihrem Tisch war natürlich "Das geheime Sanatorium", dazu aber später mehr.
Foto: Petra Hartmann (links) und Nadine Muriel mit der Anthologie "Met-Magie. Aufgenommen von Rainer Wüst.
Erik schrieb auf diesem Con Modegeschichte durch sein T-Shirt mit Pfeil nach rechts und der Aufschrift "Der war's". Meist drehte er sich so, dass der Pfeil auf Torsten Low zeigte. Wessen genau sich der "Bissige Verleger" schuldig gemacht haben sollte, wurde jedoch nicht verraten.
Beim Leseratten-Verlag gab es einen außerordentlich sehenswerten Comic, den ich dann leider doch nicht mehr erstand. (Memo an mich: Zum BuCon ein paar Euro mehr mitnehmen.)
Dass Marburgs bezauberndste Thekenschlampe Dirk van den Boom mich mal wieder anpöbeln würde wegen meines noch immer nicht geschriebenen Science-Fiction-Romans, war fast klar. Irgendwann schreibe ich tatsächlich nochmal mein grandioses Space-Opus "Der Weltraumplanet". Dabei hatte ich immerhin in meinem neuen Indianer-Roman "Das Herz des Donnervogels" ein Kapitel mit den Titel "E.T." vorzuweisen. Ließ er aber nicht gelten. Grmpf.
Hier hat mich Joerg Ritter mal richtig gut getroffen: alte Frau, entspannt auf einen Tisch voller Bücher gefläzt.
Den Marburg-Con gibt es seit 1983. Damit könnte er 40-jähriges Bestehen feiern. Dank coronabedingter Ausfälle wird aber erst nächstes Jahr der 40. Con über die Bühne gehen. Wo? Darüber kann noch nichts gesagt werden, vermeldete Thomas Vaterrodt in seiner Begrüßung. Das Bürgerhaus in Niederweimar fällt jedenfalls aus. Okay, ich habe ja inzwischen ein Navi ...
Thomas Vaterrodt eröffnet den Con und weist darauf hin, dass das Bürgerhaus Niederweimar nächstes Jahr wohl nicht zur Verfügung steht. Foto. Petra Hartmann
Das Bürgerhaus war diesmal rappelvoll mit Ausstellern, und zwischen den vielen Altbekannten gab es eine enorme Zahl neuer Gesichter. Normalerweise ist ja der halbe Hauptraum noch frei für Esstische, diesmal war er ganz voll, und ich musste später das Chili im Flur in mich hineinlöffeln. 32 Anbieter mit jeweils einem oder mehreren Infotischen, das konnte sich schon sehen lassen.
Zahlreiche Aussteller hatten im Bürgerhaus ihre Stände aufgebaut. Foto: Hartmann
Das Lesungsprogramm war ebenfalls wieder rappelvoll. Ich habe für meine Lesung aus "Das Herz des Donnervogels" den "Dead Slot" bekommen: 12.30 Uhr auf der Kegelbahn. Das Publikum war entsprechend klein, aber Dankeschön an euch fürs Zuhören. Und dass während der Lesung dann aus dem Lautsprecher die Durchsage dröhnte, das Chili sei noch nicht fertig, hat fast gar nicht gestört. Als ich fertig gelesen hatte, war es dann auch fertig.
Lesung auf der Kegelbahn mit Petra Hartmann und dem Jungen Adler, festgehalten von Joerg Ritter.
Meine Shoppingtour machte ich nach dem Mittagessen. Ich erstand "Lucie, die Hexe von Poel" vom Anke Brandt, außerdem den Band mit den besten Geschichten aus dem Wettbewerb zum Marburg-Award und die "Neuen Geschichten aus den Herbstlanden" aus dem Verlag Torsten Low, ich mag die Herbstlande einfach. Außerdem holte ich mir die vier neuen TES-Hefte:
Nr. 51: Robert E. Howard: Das Teufelsweib
Nr. 52: Maxim Michailow: Der letzte Flug der Parus
Nr. 53: Alexander Kasanzew: Die lebende Schlucht
und Nr. 54: Ingo Scharnewski: Unbekannte Verwandte.
Auf dem Con werden traditionell zwei Preise verliehen: der Vincent Preis und der Marburg Award. Doch diesmal gab es noch einen dritten, den Rein A. Zondergeld-Preis für sekundär- und tertiärliterarische Beiträge zur Phantastik, und es war sehr spannend, meine Standnachbarin Nadine Muriel zu beobachten, wie sie immer hibbeliger wurde, als die Ränge der Platzierten verlesen wurde. Als der Name für Platz zwei genannt wurde, und ihrer noch immer nicht gefallen war, brach sie in Jubel aus. ;-)
Der Vincent Preis 2022 ging an folgende Preisträger:
Bester Roman national
Thomas Lohwasser, Vanessa Kaiser, Thomas Karg - Die Erben Abaddons: Verfall (Torsten Low)
Julia A. Jorges- Glutsommer (Blitz)
Markus Heitkamp - German Kaiju: Operation M.E.L.B.A. (Leseratten Verlag)
Erik Hauser - Das Erbe der Wölfe (Fabylon)
Sonja Rüther: Geistkrieger - Libellenfeuer (Knaur)
Bestes Internationales Literaturwerk
1. Michael Schmidt & Matthias Käther (Hrsg.) - Fantastic Pulp 3 (Blitz Verlag)
2. Stephen King - Fairy Tale (Heyne)
2. Algernon Blackwood - Traumpfade & andere unheimliche Geschichten (Zwielicht)
4. Jeffrey Thomas - Father Venn (Wandler Verlag)
5. Alexander Zelenyj - Tiere des Exodus (White Train)
Beste Kurzgeschichte
1. Oliver Müller - Im Namen der heiligen Jungfrau Maria (Dark Empire)
2. Günther Kienle - Shearwater Cave (Mysterien der See)
2. Jörg Fuchs Alameda - Schwere See (Mysterien der See)
4. Thomas Lohwasser & Vanessa Kaiser - Das Mysterium der See (Mysterien der See)
5. Vincent Voss - Die große Flut (Alraune 2)
6. Thomas Karg - Key Hot, meine Damen! (Mysterien der See)
Beste Anthologie / Bestes Magazin
1. Vanessa Kaiser und Thomas Karg (Hrsg.) – Mysterien der See (Torsten Low)
2. Bettina Ickelsheimer-Förster (Hrsg.) - Geheimnisvolle Gebäude (Shadodex Verlag)
3. Silke Brandt (Hrsg.) - Feuersignale – Hommage à Stefan Grabiński (Blitz Verlag)
4. Michael Schmidt (Hrsg.) - Zwielicht Classic 17 (Zwielicht)
5. Michael Schmidt und Achim Hildebrand (Hrsg.) - Zwielicht 17 (Zwielicht)
Beste Storysammlung
1. Christian Günther - Geschichten vom Ende der Welt (BOD)
2. Michael Siefener - Das Haus am Ende der Träume (Atlantis)
3. Germaine Paulus - Last Order (The Dandy is Dead)
4. Sascha Dinse - Elysion & Tartaros (subkultur)
5. Tobias Bachmann - Neonschwarze Messen I – Beschwörung des Teufels (Ashera Verlag)
Beste Horror-Grafik
1. Mark Freier - Mysterien der See
2. Björn Ian Craig - Traumpfade
3. Azrael ap Cwanderay - Appetizer
4. Holger Much - Lex Talionis
5. Detlef Klewer - Gothic Steam
Bester Horrorheftroman
1. Oliver Müller - Mourning Doll - Trost aus der Hölle (John Sinclair 2293)
2. Michael Breuer – Bluthund des Erhabenen (Professor Zamorra 1264)
3. Simon Borner - Das Grauen von Sunningdale (Professor Zamorra 1247)/Die Schiffbrüchigen der Zeit (Professor Zamorra 1248)
4. Marlene Klein: Ratten-Rache (John Sinclair 2273)
5. Michael Blihall - Drudenfüße (Gespenster-Krimi 104)
6. Morgan D. Crow - Der Schrecken aus dem Meer Gespenster-Krimi 93)
Sonderpreis
Die Nominierungsliste vom Sonderpreis wurde vom Marburger Verein für Phantastik vorgeschlagen. Der Sieger wird aber wie bei allen Kategorien per Abstimmung ermittelt.
1. Eric Hantsch für seine langjährigen Verdienste als Vincent-Preis-Organisator, Lektor, Herausgeber und Verleger um das Fandom und die klassische Phantastik.
2. Fritz Tenkrat - posthum für sein Lebenswerk
3. Jörg Kaegelmann für das langjährige Engagement des BLITZ-Verlages um die deutschsprachige Phantastik.
4. Erik Schreiber für die jahrzehntelange Förderung des Fandoms u.a. durch seinen Bücherbrief.
5. Uwe Sommerlad als Brückenbauer u.a. zwischen dem britischen Genre-Film und dem deutschen Fandom
6. Joachim Otto für sein dekadenlanges Wirken im Fandom, als Inhaber der „Romantruhe“ und insbesondere für die Wiederauflage des Dr. Morton
7. JMB-Verlag für die Reihe „Kabinett der Phantasten“, in der klassische unheimliche Phantastik eine Neuauflage erfährt
Der Rein A. Zondergeld-Preis für sekundär- und tertiärliterarische Beiträge zur Phantastik ging an
Bestes Buch
1. Jörg Kleuden (Hrsg.) - Cthulhu Libria Neo 4; Aus grausigen Tiefen (Blitz Verlag)
2. Alexander Braun - Horror im Comic (avant-verlag)
3. Neil Gaiman - Kunst ist wichtig, Weil deine Vorstellungskraft die Welt verändern kann (Eichborn)
4. Melanie Wylutzki & Hardy Kettlitz (Hrsg.) - Das Science Fiction Jahr 2022 (Hirnkost Verlag)
Nils Daniel Peiler - To Infinity and Beyond, 2 Bände, Die künstlerische Rezeption von Stanley Kubricks „2001: Odyssee im Weltraum" (Königshausen & Neumann)
Bester Kurztext
1. Nadine Muriel - Abspann (Das geheime Sanatorium)
2. Silke Brandt - Post-Exotizismus: Antoine Volodines Dystopie einer Zweiten Sowjetunion" (Das Science Fiction Jahr 2022)
3. Future Fiction Talk: SF in Afrika – Interview mit Peter J. Maurits (Future Fiction 2)
4. Alessandra Reß - Sonnenseiten, Sonnenzeiten. Geschichte und Entwicklung des Solarpunk (Sonnenseiten: Street-Art trifft Solarpunk).
Beim Marburg-Award lautete die Aufgabe diesmal, über ein fantastisches Fest zu schreiben. Und zwar über eines, das es so tatsächlich gibt oder gegeben hat. Im nächsten Jahr soll es dann um frei erfundene Feste gehen. Offenbar hat die Jury dieses Mal einen besonders großen Prozentsatz an Texten lesen müssen, die die Ausschreibung nicht verstanden hatten. Es sollen viele Texte dabei gewesen sein, die die Aufgabe, einen fantastischen Text zu schreiben, nicht erfüllt hatten.
Hier die Siegerliste des Marburg-Awards:
1 Platz: „Unter dem Mond von Kyoto“ von K. R. Sanders
2. Platz: „JAN oder Freinacht“ von Silke Katharina Weiler
3. Platz: „Das Kostüm“ von Steffen QuAer
Ganz knapp dahinter auf einem geteilten vierten Platz landeten
„Der Tag der Plattnasen“ von Lennox Lethe
und„Unter dem Fell“ von Dennis Deter.
Einige hatten schon vor der Verleihung zusammengepackt. Danach war noch der harte Kern da, auch noch in recht ansehnlicher Stärke. Genug um acht bis zehn Familienpizzen zu verdrücken. Ich denke, wir saßen noch gut eine Stunde beisammen, futterten und quatschten, bis sich dann auch bei den Hartgesottenen die Aufbruchstimmung breitmachte.
Für mich wurde es noch eine lange Fahrt nordwärts, auf der ich es wieder mal bereute, nicht doch ein Hotelzimmer genommen zu haben. Die A7 war in Nordrichtung frei, da gibt es nichts zu meckern. Aber ich gönnte mir unterwegs sicherheitshalber zwei längere Pausen, sodass ich erst gegen 1.30 Uhr wieder daheim in Sillium aufschlug
Gute Vorsätze für das nächste Mal: Am Marburg-Award teilnehmen. Ein Hotelzimmer nehmen. Ein großes Schild malen, auf dem meine Lesungs-Uhrzeit steht. Mehr Fotos machen. Mehr Bücher kaufen. Einen Science-Fiction-Roman schreiben. Oder so ähnlich.
© Petra Hartmann