Axel Halbach: Blutige Schluchten
Bücher - Abenteuer Karl May Axel Halbach Wilder Westen Blitz-Verlag
"Blutige Schluchten" ist eine Fortsetzung der Werke Karl Mays, beziehungsweise ein Abenteuer von sieben Helden, die aus dem May-Kosmos stammen. Der kürzlich verstorbene Autor Axel Halbach hat bereits zahlreiche Romane über Old Shatterhand und Kara Ben Nemsi veröffentlicht, zum Teil im Selbstverlag, zum Teil im Blitz-Verlag. "Blutige Schluchten" erschien jetzt als 19. Band in der Blitz-Reihe "Im Wilden Westen Nordamerikas".
Das Abenteuer beginnt mit einem Brief des Westmanns Sam Hawkens an seinen Ex-Schüler Karl May alias Old Shatterhand. Es handelt sich um eine Einladung nach New Orleans. Besser noch: Eine Einladung zu einem Treffen mit den alten Freunden Hobble Frank und Tante Droll, Dick Hammerdull und Pitt Holbers. Wer kann dazu schon nein sagen? Vor allem, da Old Shatterhand bereits fünf bis sechs Jahre nicht mehr im "Wilden Westen" gewesen ist und sich fragt, ob sich dort inzwischen viel verändert hat. Wie kommt man über den Atlantik? Old Shatterhand hat ja Beziehungen, so bittet er seinen alten Freund Sir David Lindsay, ihn mit seiner Yacht auf die andere Seite zu bringen. Klar, dass der abenteuerlustige Brite dann auch weiterhin mit von der Partie ist.
"The glorious Seven" befreien eine Kleinstadt
Das Septett, das von Lindsay immer wieder als "glorious Seven" bezeichnet wird, sieht sich zunächst mit der Aufgabe konfrontiert, eine Kleinstadt, die von einer Räuberbande beherrscht wird, zu befreien. Recht und Gesetz sind ausgehebelt, da der Bandenchef zugleich den Posten des Sheriffs innehat. Allenfalls eine kleine Schwäche könnte das System haben: Der Oberverbrecher hat eine besondere Vorliebe für das Pokerspiel ... Ferner müssen die glorreichen Sieben eine Sekte bekämpfen: Gutgläubige Menschen wurden auf eine Farm gelockt, auf der sie sie sich zum vermeintlichen Ruhme Gottes totarbeiten und von einem skrupellosen Verbrecher um ihre Habseligkeiten gebracht werden.
Handlung ohne ausufernde Landschaftsbeschreibungen
Der Roman ist "kein Karl May". Im positiven wie im negativen Sinne. Positiv ist anzumerken, dass die Handlung sehr dicht ist, es wird sehr schnell, zielstrebig und ohne ausufernde Landschaftsschilderungen erzählt. Mays überlange Personenbeschreibungen wurden in diesem Fall geballt ins erste Kapitel verlegt, als der Ich-Erzähler die Freunde, die er zu besuchen plant, vor seinem inneren Auge Revue passieren lässt. Dort wirken sie zwar etwas deplatziert und dürften einige Leser vom Weiterlesen abbringen, aber immerhin, damit sind sie abgehakt, und man kann fortfahren. Negativ fällt auf, dass dem Roman durch das Aneinanderreihen von Handlung auch viel von der Tiefe einer May-Erzählung verlorengeht.
Sehr schön ist die Konfrontation des alten Helden Old Shatterhand mit dem nicht mehr ganz so wilden Westen und mit den Begleiterscheinungen, die die fortschreitende "Zivilisation" mit sich brachte. Etwa mit der Ausrottung der Büffel, die in Mays Werk zwar schon anklang, hier aber dem Leser noch deutlicher vor Augen geführt wird.
Ich-Perspektive nicht durchgehalten
Äußerst unangenehm ist, dass Halbach mit der selbstgewählten Perspektive oft nicht auskommt. Er wählte, wie May auch zumeist, die Rolle des Ich-Erzählers und berichtet durch die Augen Old Shatterhands. Dummerweise muss er auch Szenen schildern, die Old Shatterhand selbst nicht miterlebte. Hier steigt er oft um auf den allwissenden Erzähler, beim ersten Mal völlig ohne Erklärung. Später sagt dann die Old-Shatterhand-Figur manchmal ein paar einleitende Worte, wie etwa: Die nun geschilderte Unterhaltung habe ich selbst nicht erlebt, sie wurde mir aber später so geschildert, oder sie muss so oder so ähnlich verlaufen sein ... Das wirkt ungeschickt und so, als sei der Autor nicht Herr seiner Erzählung.
Poker-Ass Pitt Holbers
Etwas befremdlich erscheint der Umgang des Autors mit seinen Helden. So schön das Wiedersehen mit lieb gewordenen Charakteren aus dem May-Kosmos ist, so unangenehm ist es, wenn der richtige Ton oder das richtige Verhalten dann doch nicht getroffen wird. Die Wandlung, die Pitt Holbers in den Händen Halbachs durchmacht, wirft die Frage auf, ob das tatsächlich noch Pitt Holbers ist. Der wortkarge Begleiter Dick Hammerdulls erweist sich plötzlich nicht nur als gewiefter Falschspieler und Poker-Betrüger, sondern kann auch unversehens auf theologische Kenntnisse und eine rhetorische Brillanz zurückgreifen, die jeden verblendeten Sektenangehörigen zurück auf den (christlichen) Boden der Tatsachen holt. Die Poker-Szene war gut und pfiffig ausgedacht, keine Frage. Aber ob Pitt der richtige Mann dafür war, darf bezweifelt werden. Sehr schön dagegen die Idee, Tante Droll tatsächlich einmal eine Frau spielen zu lassen.
Fazit: Handlungsreicher, schnell erzählter Western auf den Spuren Karl Mays. Wiedersehen mit einigen lieb gewordenen Charakteren, die allerdings zum Teil eine ungewöhnliche Entwicklung durchmachen. Einige Perspektivbrüche, sonst recht ordentlich.
Im Wilden Westen Nordamerikas 19: Axel Halbach: Blutige Schluchten. Blitz-Verlag, 2023, 280 S., Euro 12,95. E-Book 3,99.
Weitere Karl-May-Fortsetzungen:
Thomas Ostwald: Aufbruch ins Ungewisse
Thomas Ostwald: Auf der Spur
Thomas Ostwald: Der schwarze Josh
Klaus-Peter Walter: Sherlock Holmes und Old Shatterhand
Wolfgang Berger: Weißer Vater
© Petra Hartmann