Jahresrückblick I: Januar bis März 2023
Jahresrückblick
Das Jahr 2023 neigt sich dem Ende zu. Zeit also, zurückzublicken auf meine Lesefrüchte des vergangenen Jahres. Zuvor aber noch ein paar Sätze darüber, wie es mir ergangen ist in diesem Jahr 2023.
Beruflich war ich ziemlich stark eingespannt. Corona und eine heftige Virusinfektion haben große Teile der Redaktion lahmgelegt. Mich hat Corona noch immer nicht erwischt. *toitoitoi* Aber da viele andere fehlten, blieb für den Rest eben mehr zu tun. Ich habe bis Ende Oktober keine einzige nicht-journalistische Geschichte geschrieben. Erst im Lese- und Schreib-Urlaub auf Helgoland habe ich dann endlich wieder zu Füller greifen können. Abgeschlossen habe ich dort mein Kinderbuch über Bertha, die dreibeinige Straßenhündin, außerdem habe ich fünf Buchfinkenmärchen geschrieben. die meine Sammlung von insgesamt 50 Geschichten nun komplettieren. Außerdem entstanden drei kürzere Erzählungen über einen intergalaktischen Forscher und die bemerkenswerte Fauna fremder Planeten. Dazu vielleicht im nächsten Jahr mehr.
Veröffentlicht habe ich in diesem Jahr meinen Indianer-Roman "Das Herz des Donnervogels", eine Hommage an Karl May, in der Junger Adler, ein indianischer Flugpionier aus Mays letztem Roman "Winnetou IV" bzw. "Winnetous Erben", auf die Brüder Wright trifft. Das Buch erschien Anfang April im Blitz-Verlag. Ich konnte es auf dem Marburg-Con, dem BuCon und dem Conventus Leonis vorstellen, außerdem hatte ich eine Lesung in Rhüden, und es gab zwei Radiosendungen darüber - in "High Noon" auf Radio Tonkuhle und in "Good Vibrations" auf Radio Okerwelle. Außerdem gab es eine Leserunde auf Lovelybooks.
Ich habe mir in diesem Jahr zwei jeweils einwöchige Sprachkurse, einmal Hebräisch und einmal Italienisch, gegönnt, außerdem eine Fortbildung zum Thema "Bloggen" und ein Wochenende "Humorvolles Schreiben" bei Gagschreiber Christian Eisert.
Tja, und das war's schon aus meinem Leben. Ansonsten bin ich müde, aber gesund, und das ist doch auch schon was.
Doch nun zu meiner Lektüre. Das erste Quartal ist, wie gewohnt, schlank, diesmal auch wegen der oben geschilderten beruflichen Dinge. Inhaltlich ging es wieder viel um Indianerliteratur, Antike, Judaica und Comics, dazu etwas über Helgoland, Krimis, Belletristik und Kinderbuch-Klassiker. Viel Spaß damit!
Hinweis:
Etwaige blau markierte Texte sind herausragende Spitzenbücher, rot steht für absoluten Mist, ein (e) hinter dem Titel bedeutet, dass ich den betreffenden Text in der eBook-Version gelesen habe, und hinter den Links verbergen sich ausführlichere Besprechungen innerhalb dieses Blogs.
Januar
Kerstin Groeper: Im Eissturm der Amsel
Levke Paulsen: Vom Dorf ins Meer. Herzheimat Helgoland
Gilbert L. Wilson: Goodbird. Die Welt der Hidatsa
Yoko Tsuno: Sammelband 5 - Unter der Sonne Chinas
- Der Drache von Hong Kong
- Die Himmelsdschunke
- Die Pagode der Nebel
Die chinesischen Abenteuer des japanischen Karategirls. Der schönste Sammelband der Serie, finde ich. Und dass der Autor in Yoko japanische Tatkraft und chinesische Poesie vereint sehen möchte, lässt sich hier sehr schön erleben. Dieses China Yoko Tsunos ist wirklich ein sehr poetisches und zauberhaftes Land. Die Serie fasziniert erneut durch die Zeichnungen von Landschaft und Architektur und die schier unendliche Fantasie des Autors, wenn es darum geht, technische Geräte und vor allem Fahrzeuge zu entwerfen. Dazu gibt es eine ausführliche Einleitung mit Hintergründen zu den drei Abenteuern und sehr viele Skizzen und fertige Zeichnungen, an denen man die Entstehung der Geschichten verfolgen und ihre Original-Schauplätze mit den Comic-Versionen vergleichen kann. Sehr schön.
Anna Müller-Tannewitz: Marys neue Schwestern
Jugendbuch von einer der Ahnherrinnen der modernen Indianerliteratur. Ich habe es antiquarisch bekommen. Erzählt wird die Geschichte einer jungen Siedlerstochter, die bei einem Shawnee-Überfall verschleppt wird. Mary kommt schließlich durch Tausch bzw. Handel in ein Dorf der Seneca, die zu den Irokesen gehören, und wird in eine Familie aufgenommen. Lange Jahre lebt sie dort, aus ihrer ursprünglichen Angst wird bald Zuneigung und das Gefühl, der Familie, bei der sie untergekommen ist, anzugehören. Sie hat liebevolle Schwestern, findet Freunde, wird nach und nach zu einer richtigen Irokesin. Einmal, nach langen Jahren, hat sie die Gelegenheit, zu ihren Brüdern zu reisen, die den Überfall überlebt haben. Die Begegnung ist zunächst freundlich, aber man hat sich nicht mehr viel zu sagen, und der Bruder John hasst ihre neue Familie, obwohl die Irokesen ja gar nichts mit dem Überfall zu tun hatten. Schließlich entscheidet sich Mary, nicht zu bleiben, und geht zurück zu den Irokesen, um dort eine eigene Familie zu gründen. Das Besondere ist, dass diese Geschichte nicht frei erfunden ist, sondern auf historischen Tatsachen beruht. Im Nachwort erzählt die Autorin etwas über die wirkliche Mary und ihr Leben.
Sarah Orne Jewett: Deephaven
Zwei Frauen verbringen einen Sommer in einem kleinen fiktiven Küstenstädtchen. Die Entscheidung, nach Deephaven zu gehen, fällt spontan, da eine von beiden dort ein Haus geerbt hat. Sie geraten in eine altertümliche, kernige Welt, begegnen alten Kapitänen, skurrilen Frauen, Witwen, die mit beiden Beinen fest im Leben stehen, Menschen mit traurigen Schicksalen, Menschen, die zupacken und ihr Leben meistern, und überhaupt ausgesprochen seltenen, liebenswerten Charakteren. Es ist nicht eigentlich ein Roman, eher eine Ansammlung von Skizzen und Porträts, kleinen Abenteuern und bereichernden Begegnungen, ein Buch über das Meer und die Menschen, die mit ihm leben. Keine Handlung, eher eine Stimmung. Ein Buch, das nach Seeluft riecht und jeden Misanthropen wieder neugierig auf die Begegnung mit Menschen macht. Hinzu kommt die außerordentlich gediegene Aufmachung. Leinengebunden im Schuber, mit Lesebändchen, Fadenheftung, edlem Papier ... eine kleine Kostbarkeit für Bibliophile.
Edward Gorey: Eine Harfe ohne Saiten oder Wie man Romane schreibt
Entstehung eines Romans, dichterische Krisen und Größenwahn des Dichters Melf, mit spitzer Feder in Cartoons/Karikaturen gegossen. Melf ist eine absolute Dramaqueen und liebt die große Pose. Ein Bilderbuch für Schriftsteller. Sehr schön, und ich denke, jeder Autor wird sich wiedererkennen ... :-)
Hörbuch/Hörspiel
Ruth Klüger: Weiter leben. Eine Jugend
Die Lyrikerin Ruth Klüger lernte ich vor über zehn Jahren durch ihren Gedichtband "Zerreißproben" kennen. Ein Buch, das mich damals sehr beeindruckt hatte. Nun also fiel mir ihre Lebensgeschichte in die Hände. Sie hat das Hörbuch im Jahr 1996 auch selbst eingesprochen mit ihrer herben, zerknitterten Stimme. Damals war sie Mitte 60. Den österreichischen Dialekt hatte ich so nach der Lektüre ihrer Gedichte nicht erwartet. Das Ganze wird sehr nüchtern, manchmal beinahe emotionslos vorgetragen, in der Art Emotionslosigkeit, unter der Theresienstadt und Auschwitz unvergessen fortbestehen. Ruth Klüger ist Jahrgang 1931, Kind einer jüdischen Familie aus Wien, sie erlebt schon als Kind Antisemitismus und Ausgrenzung. 1938 nach dem Anschluss Österreichs an das Nazireich, verliert sie den Vater, der zunächst nach Frankreich fliehen kann, später aber von den Nazis gefangen und 1944 vergast wird. Sie selbst und ihre Mutter kamen zuerst ins KZ Theresienstadt, schließlich nach Auschwitz, von wo sie 1945 kurz vor Kriegsende fliehen konnten. Später nahm sie ein Studium auf, wurde schließlich Germanistik-Professorin in der USA. Nüchtern, sachlich, mit scharfem, analytischem Blick schaut sie auf die Gesellschaft, die Erlebnisse und sozialen Strukturen im KZ, aber auch auf ihre eigene Familie, besonders auf die Mutter, mit der sie nicht immer ein gutes Auskommen hat, um es mal vorsichtig auszudrücken. Die österreichische Gesellschaft der 30er und 40er Jahre, aber auch die der Bundesrepublik wird sehr genau in ihren Schwächen und Unmenschlichkeiten gesehen. Und es ist garantiert kein weichgespülter Versöhnungstonfall, den die Autorin anschlägt. Wie soll man auch mit Leuten umgehen, die im Gespräch über Klügers Erfahrung im Konzentrationslager so dumme Sachen sagen wie: "Ach, du warst in Theresienstadt. Na, das soll ja nicht so schlimm gewesen sein" oder "So, du warst in Auschwitz? Aber du hast ja überlebt, dann war's ja nicht so schlimm"? Letzten Endes wüsste ich aber wohl auch nichts Intelligentes zu sagen, wenn diese Namen fallen.
Es ist definitiv keine "schöne" Geschichte, die sie zu erzählen hat. Aber eine Lebensgeschichte, die ich jedem nachdrücklich ans Herz legen möchte.
Berit Hempel: Abenteuer und Wissen: Jacques Cousteau. Tauchfahrt in die Tiefe
Beeindruckende Tauchfahrten, Abenteuer unter Wasser, die Entwicklung neuer Techniken, die legendäre Calypso, aber auch die unheimliche Begegnung mit einem Hai, in der aus Spiel sehr schnell Ernst wurde, der Tod von Weggefährten ... Berit Hempel hat Cousteau, sein Leben und seine Vision sehr gut in Szene gesetzt, dabei hat sie nur Ton, Sprache und Geräusche zum Malen ihrer Unterwasserabenteuer zur Verfügung und keine Filmaufnahmen. Ein sehr schöner, lebendiger Beitrag zu der Hörspielreihe, der auch mit Überraschungen aufwartet. Dass Cousteau während des Zweiten Weltkriegs im Widerstand war, in Italien spioniert hat und in einem James-Bond-artigen Handstreich wertvolle Geheimdokumente erbeutete, gehört zu den weniger bekannten Kapiteln aus dem Leben des Tauchpioniers.
Februar
Reinhard Sturm: Tödliches Trio
Der Roman spielt im Harz, unter anderem in Goslar und an der Okertalsperre. Ich habe das Buch für die Goslarsche Zeitung gelesen und besprochen. Meinen Artikel darüber findet ihr hier.
Anna Weser: Der Rausch von Helgoland
März
Cord-Friedrich Berghahn, Mirko Przystawik, Katrin Keßler, Ulrich Knufinke (Hrsg.): Israel Jacobson 1768 - 1828. Studien zu Leben, Werk und Wirkung
Enthält Vorträge, die auf einer internationalen Tagung in Braunschweig gehalten worden waren. Anlass war der 250. Geburtstag Jacobsons im Jahr 2018. Jacobson ist Begründer des Reformjudentums, daher gibt es einige Beiträge über den Seesener Tempel, über die Reformbewegung, ihre Vorgeschichte, Religion in Zeiten der Aufklärung und das Verhältnis der Religionen zueinander, auch etwas über die Haskala und Jacobsons Stellung darin. Ferner gibt es etwas zu seiner Biografie, eine Untersuchung über die Geschichte, Authentizität und Bildaussagen der unterschiedlichen Jacobson-Porträts und etwas über seine Wohnsitze. Eine sehr lesenswerte und lehrreiche Sammlung.
Bernhard Kytzler: Frauen der Antike. Kleines Lexikon antiker Frauen von Aspasia bis Zenobia
Schmales Bändchen mit rund 300 Einträgen über berühmte Frauen. Die Menge der Einträge ist groß, doch die meisten von ihnen sind sehr kurz. Ich habe es von A bis Z durchgelesen und ein paar sehr interessante Frauen gefunden. Allerdings weiß man über viele von ihnen eben nur so viel, dass es für zwei oder drei Sätze reicht. Es ist bei vielen Personen ein Anfang, eine Einstiegslektüre, mehr nicht. Ich werde es neben den kleinen Pauly stellen und immer mal wieder zu Rate ziehen.
Hugh Lofting: The Story of Doctor Dolittle (e)
Ich habe mir die kostenlose gemeinfreie Doctor-Dolittle-Gesamtausgabe auf meinen Kindle geladen. Die meisten der Bände habe ich in meiner Jugend in der deutschen Übersetzung gelesen. Zum Teil war die Lektüre der englischen Originalversion sehr überraschend. In der Ravensburger Ausgabe von "Doktor Dolittle und seine Tiere" fehlte zum Beispiel die Geschichte über den afrikanischen Prinzen Bumpo. Bumpo tritt in meiner Ravensburger-Ausgabe erst in der Geschichte mit der schwimmenden Insel auf, allerdings war ich damals schon etwas verwirrt darüber, welche Anspielungen die Tiere über Bumpos Vorgeschichte machten. Kurz erzählt: Bumpo war der Prinz des Königreichs Jolliginki, dessen König Dr. Dolittle und seine Freunde gefangen nahm. Bumpo war an der Verhaftung nicht beteiligt und wurde später zum Befreier des Tierarztes. Wobei die Gruppe ihn eigentlich ziemlich böse ausgetrickst hat. Bumpo war zu der Zeit verliebt. Aber seine Prinzessin wollte nur einen weißen Freier erhören. Dr. Dolittle gaukelte ihm vor, er könne ihn weiß machen. Darauf half Bumpo den Freunden zur Flucht. Aber Dolittles Weißmach-Medikament wirkte nur ein paar Tage, und so war Bumpo der Angeführte. Das Ganze kommt etwas rassistisch rüber: Kluger Weißer trickst dummen Schwarzen aus. Zur Ehrenrettung Dolittles sei allerdings gesagt, dass die Sache von der resoluten Polynesia ausgedacht und angeordnet war. Jedenfalls wundert es mich nicht, dass die Sache in der deutschen Ausgabe (70er oder 80er Jahre) ausgelassen worden war. Allerdings ist die Geschichte dann in der "Schwimmenden Insel" nicht gut aufgefangen worden, ich spürte als Kind schon, dass da etwas nicht stimmte.
Andree Hamann: Aristoteles' "Nikomachische Ethik". Ein systematischer Kommentar (Reclam)
Sehr detaillierter Kommentar, der sich sehr eng, beinahe Satz für Satz, am Text entlanghangelt. Gut für Einsteiger geeignet, die dann am besten Ethik und Kommentar nebeneinander auf den Tisch legen und parallel lesen können. Das Buch bot für mich nicht allzu viel Neues, aber es war gut, sich die eine oder andere Stelle nochmal ins Gedächtnis zu rufen.
Hugh Lofting: Doctor Dolittles Post Office (e)
Mich hat zunächst die Reihenfolge verwirrt, denn das Buch wird eigentlich als dritter Band der Serie geführt. Als Kind las ich das Buch auch lange nach dem Erscheinen der bekannteren Dolittle-Bücher. Tatsächlich passiert die Geschichte aber, wie ich jetzt beim Nochmal-Lesen merkte, auf der Rückfahrt der Dolittle-Crew von Afrika nach England, also ist die Positionierung als Teil 2 durchaus sinnvoll.
Auch hier finden sich einige ziemlich rassistische Stereotype über Afrikaner. So liebenswert und herzerwärmend die Bücher für Tierfreunde sind, an dieser Stelle ist Lofting schon etwas mit Vorsicht zu genießen. Besonders seltsam: Dolittle und seine Crew retten eine Frau, deren Mann vom König des Landes Fantippo in die Sklaverei verkauft wurde. Die Schwarze wollte eigentlich Lösegeld zahlen, doch der Brief, in dem sie ihre Familie um Geld für den Loskauf ihres Mannes bat, kam nie an. Zum Glück können die Freunde ihren Mann befreien. Das Ehepaar lebt glücklich und zufrieden in Freiheit weiter. Und Dolittle? Er setzt Kurs auf Fantippo und staucht den König Koko ordentlich zusammen. Warum? Nicht etwa wegen des Sklavenhandels in seinem Reich, sondern - weil sein Postwesen so schlecht funktioniert. Das muss man als Leser erstmal verdauen.
Alles, was der Autor danach über das Postamt, das Entwicklungshelfer Dolittle gründet, erfindet, ist wunderbar, liebenswürdig und zu Herzen gehend. Die unterschiedlichsten Vögel stellen sich als Boten für die Auslandspost zur Verfügung und bringen gleich noch superzuverlässige Wetterberichte mit, die das Postschiff zu einer gefragten meteorologischen Station machen. Dolittle führt Briefmarken ein, die bald zu begehrten Sammlerobjekten werden, und bestreicht die Rückseiten der Marken mit Medizin, damit die Einwohner Fantippos bei drohenden Seuchen bereits geimpft sind. Dolittle erfindet mehrere Tierschriften, damit die Tiere auch Briefe schreiben können, und gründet diverse Magazine für Tiere, die gern gelesen werden. Er gibt brieflich Rat auf Anfragen seiner gefiederten und pelzigen Freunde.
Einen kleinen Schock hat mir der vom Doctor geplante Brieftransport von der Fantippo zum Nordpol versetzt: Die Schwalben tragen den Brief bis nach Nordafrika, dann tragen ihn Drosseln nach Schottland, bis Grönland bringen ihn Möwen. "And from there penguins would take it to the North Pole."
Hey, man kann doch keine Pinguine zum Nordpol schicken! Die werden doch alle von den Eisbären gefressen. (Der Riesenalk, der früher Pinguin hieß, war damals schon seit 70 Jahren ausgestorben.)
Einmal - eine ziemlich chauvinistische Szene - wird ein Angriff unbesiegbarer schwarzer Amazonen-Kriegerinnen abgewehrt, indem die weiße Maus die Frauen in Panik versetzt und in die Flucht schlägt. Es gibt eine Art Mini-Boccaccio-Einlage, als die Tiere einen Geschichten-Wettbewerb ausrufen und jedes eine Geschichte aus seinem Leben erzählt. Der Doctor lernt längst ausgestorben geglaubte Dinosaurier kennen und klärt einen Perlendiebstahl auf. Und am Ende steht die Begegnung mit Lehmgesicht, der uralten und urweisen Schildkröte, der Urmutter der uralten Morla und der weisen Nessaja, die Dolittle über ihre Erinnerungen an die Sintflut erzählt. Alles in allem eine wunderbare, zauberhafte Postamtsgeschichte und manchmal auch eine herrliche Post-Persiflage. Alles toll. Wenn nur die Sache mit dem Sklavenhandel nicht wäre.
Philippe Luguy: Gildwin - Die ozeanischen Legenden
Eine Art "Schwesterserie" zu den Tassilo-Alben. Nummer eins ist schon seit 2010 auf dem deutschen Markt, bisher ist allerdings noch kein zweiter Teil erschienen. Ich habe lange mit dem Album geliebäugelt und immer wieder doch nicht zugegriffen. Erst als jetzt - endlich - der neue Tassilo-Band angekündigt wurde, habe ich dann auch zum "Gildwin" gekauft.
Das Album ist im liebenswürdigen, märchenhaften Tassilo-Stil gehalten, wobei Gildwin noch etwas naiver, kindlicher rüberkommt als der Ritter mit der roten Löwenmähne. Gildwin ist ein leicht verschrobener Junge vom Dorf, ein Außenseiter, der noch an Märchenwesen glaubt. Nach einem Streit mit seiner Geliebten geht er fort auf eine Queste, er sucht das Land der "Ozeanischen Legenden". Witzig ist ein Bild aus einer Abenteurer-Kneipe. Dort sitzen Tassilo und Alwin am Tisch und reden folgendermaßen: "Ob sie und vielleicht vergessen?" "Aber nein!!! Sie arbeiten an neuen Abenteuern ..." "... aber du weißt doch, in ihrem Alter braucht das Zeit!" Gemeint sind natürlich, wie die Fußnote sicherheitshalber aufdröselt, Autor und Zeichner der Tassilo-Serie, Leturgie und Luguy. Insgesamt ist die Geschichte sehr nett, und Luguys Zeichenstil hat was, natürlich. Aber ganz heran an Tassilo kommt diese Suche nach den Ozeanischen Legenden nicht.
Weiterer Rückblick:
Jahresrückblick II: April bis Juni 2023
Jahresrückblick III: Juli bis Oktober 2023
Jahresrückblick IV: November 2023
Jahresrückblick V: Dezember 2023
© Petra Hartmann