Katja Etzkorn: Pine Ridge statt Pinacolada
Indianer Katja Etzkorn Traumfänger Lakota Inuit
Über die ungewöhnliche Liebe der deutschen Chirurgin Sannah zu dem Lakota Josh, der Pferde züchtet und sich in einem Jugendprojekt für Kinder in der Reservation engagiert, erzählt Katja Etzkorn in ihrem Buch "Pine Ridge statt Pinacolada". Die Autorin schildert den Betrieb einer Ranch, zeigt Reservationsalltag und Lakota-Kultur, schreibt aber auch darüber, wie Indianer außerhalb der Reservatsgrenzen von Weißen behandelt werden.
Die Heldin des Buches ist Sannah, eine Unfallchirurgin aus Deutschland. Stress im OP, Überlastung und kaum Möglichkeiten zum Durchatmen prägen ihren Arbeitsalltag. Als sie und ihr Team einen Patienten verlieren, ist für Sannah der Punkt gekommen, an dem sie merkt, dass sie ein wenig Abstand und Zeit zum Nachdenken braucht. Da fällt ihr ein Schreiben eines Projekts in die Hände: Das Lakota-Horsemanship-Projekt bietet einem seiner deutschen Förderer die Möglichkeit, sich zum Selbstkostenpreis für drei Monate auf einer Ranch aufzuhalten und dort die Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen für den Förderverein fotografisch zu dokumentieren. Ein wohlwollender Vorgesetzter unterstützt Sannahs Antrag auf die lange Auszeit. Sannah bricht auf in eine vollkommen andere Welt.
Das Erbe des Inuit-Großvaters
Ein bisschen "indianisch" sieht sie schon aus, die junge Ärztin, die da in der Reservation auftaucht. Das Erbe ihres Inuit-Großvaters, der als Seemann von Grönland über Dänemark nach Hamburg gelangte, sorgt dafür, dass die weißen Amerikaner sie eher scheel ansehen, als es die indigenen tun. Nur der Gastgeber, Josh White Cloud, begegnet ihr misstrauisch und ablehnend. Verständlich, hat er sich doch schon einmal an einer Frau von Sannahs "Typ" die Finger verbrannt. "Klapperschlange" nennt er selbstbewusste Frauen, die ihm gefährlich werden können. Und diese Sannah ist für ihn noch "gefährlicher", als er zu Beginn ahnt.
Alles andere als eine zickige Tussi
Dass die Ärztin nicht irgendeine blöde zickige weiße Tussi ist, die man notgedrungen auf der Ranch dulden und mit Höflichkeit behandeln muss, weil hinter ihr der geldgebende Verein steht, merkt der launische Josh jedoch recht schnell. Sie übernimmt mit einer gewissen Selbstverständlichkeit die Küche, kocht und backt gesundes Zeug und kein ungesundes Fastfood, das in der Reservation die Gesundheit der Bewohner ruiniert. Auch im Umgang mit den Pferden erweist sich Sannah als überraschend tüchtig, immerhin war sie in Deutschland begeisterte Reiterin. Nicht nur Pferdepflege und Ausmisten erledigt sie mit Bravour, sie übernimmt auch die Verantwortung, als Josh verhindert ist, und treibt die Herde am Abend allein nach Hause.
Aufbrausender Dickschädel
Alles in Allem ein traumhaftes Angebot, das ihm das Schicksal da auf den Hof gebracht hat. Doch Joshs Verletzungen liegen tief, und sein aufbrausendes Temperament sorgt immer wieder für zwischenmenschliche Katastrophen. Als er drauf und dran ist, ihr einen Heiratsantrag zu machen, missversteht er einen Halbsatz Sannahs derart vollständig, dass er ausrastet und sie rauswirft. Und in Flipflops durch ein Klapperschlangengebiet zu laufen, ist keine gute Idee, auch nicht für eine tüchtige deutsche Unfallchirurgin mit Inuit-Wurzeln ...
Lesenacht bis zum Morgengrauen
Dieses Buch ist ein echter "Page-Turner". Es nimmt den Leser derart gefangen, dass er es nicht aus der Hand legen kann, bis die letzte Seite gelesen ist - auch wenn die Uhr dann bereits 8 Uhr morgens zeigt. Katja Etzkorn gelingt es, eine spannende Handlung mit authentischen Charakteren und viel Sachkunde zu verbinden. Die Autorin zeigt, was das Reservationsleben vieler Indigener prägt: schlechte Ernährung, schlechte medizinische Versorgung, wenig Aussicht auf eine berufliche Zukunft, Menschen, die durch konsequente "Umerziehungspolitik" von ihren spirituellen und sprachlichen Wurzeln abgeschnitten wurden. Aber sie zeigt auch das Gegenteil: die Wiederentdeckung der eigenen Sprache, die Kraft der Traditionen und den Stolz der Menschen auf ihre Kultur, sie zeigt gemeinsame Feiern, traditionelle Tänze auf den Powwows und den Zusammenhalt der Familien. Und gerade das Reit-Projekt, das Kindern und Jugendlichen mehr als ein paar sportliche Fertigkeiten vermittelt, hat hier eine besondere Bedeutung. Ein sehr lebendiges, packendes Buch, das den Leser hineinreißt in eine andere Welt und ihn nicht wieder loslässt.
Fazit: Spannend, authentisch und mit jenem Zauber, der den Leser unbedingt gefangen nimmt. Eine Liebesgeschichte vor dramatischem Hintergrund mit zwei starken Charakteren, die manchmal granatenmäßig an ihrer eigenen Dickköpfigkeit scheitern. Unbedingt empfehlenswert.
Katja Etzkorn: Pine Ridge statt Pinacolada. Hohenthann: TraumFänger Verlag, 2018. 555 S., Euro 14,90.
Weiteres Buch von Katja Etzkorn:
Tlingit Moon
© Petra Hartmann