Thorgal Saga: Adieu, Aaricia
Comics Thorgal Robin Recht
Wunderschön, aber auch todtraurig - das ist der Auftaktband zur neuen Reihe "Thorgal Saga" im Splitter-Verlag. Das über 100 Seiten starke Hardcover-Album trägt den Titel "Adieu, Aaricia" und widmet sich der großen Liebe Thorgals und seiner Aaricia, einer Liebe, die auch mit dem Tod der Wikingerprinzessin nicht endet.
Das Abenteuer, das von Robin Hecht gezeichnet und getextet wurde, scheint eine "What if ...?"- oder "Elseworlds"-Story zu sein, jedenfalls bleibt zu hoffen, dass die traurige Geschichte vom Tod Aaricias nicht Teil der Serien-Kontinuität ist. Die "Thorgal Saga" lade "talentierte junge Autoren ein, nun auf ihre jeweilige Art für ein außergewöhnliches Abenteuer das phantastische Schicksal des Sohnes der Sterne zu schildern und zu bereichern", definiert der Klappentext die neue Reihe. Und dass Robin Recht außergewöhnlich talentiert ist, sieht man dem Album an und merkt man an der erzählten Geschichte.
Bis an die Grenzen und darüber hinaus
Recht schafft es wirklich, Thorgal bis an seine Grenzen und darüber hinaus zu führen. Er nimmt ihm alles, was seinem Leben einen Sinn gab: Ein gealterter Thorgal steuert das Schiff, das seine ebenfalls in hohem Alter verstorbene Frau ins Jenseits tragen soll, hinaus zum schicksalhaften Opferstein. Hier will der greise Sohn der Sterne auf den Tod warten, während die Flammen den Leichnam der Geliebten verzehren. Eine hochdramatische Szene, als Thorgal das Schiff zurück ins Meer stößt und mit einem brennenden Pfeil in Brand setzt, ganz den alten Heldenliedern angemessen.
Doch statt der heranrollenden Flut, von der Thorgal sich den Tod erhofft, kriecht ein alter Feind auf den Strand: Nidhöggr, der Urdrache, den Thorgal einst besiegte, will sich am Leid seines alten Feindes weiden. Und um Thorgal noch tiefer in die Verzweiflung zu stürzen, hat er die denkbar größte Versuchung für den Helden mitgebracht: den Ring des Ouroboros, mit dem man durch Zeiten und Wirklichkeiten reisen und den Gang der Geschichte verändern kann.
Thorgal erliegt der Versuchung
Thorgal erliegt der Versuchung: Er ergreift den Ring und wird zurückversetzt in eine Zeit, in der Aaricia noch ein Mädchen ist. Gerade hat sie ihren besonderen Schmuck, die beiden Tränen, die sie bei ihrer Geburt in der Hand hielt (Album "Der Sohn der Sterne"), von zu Hause entwendet, um ihn ihrer Freundin zu zeigen, als eine Horde wilder Krieger aus dem Hinterhalt hervorbricht und Aaricia entführt. Der greise Thorgal kommt zu spät, um sie zu retten, hätte der wilden Horde wohl auch physisch nichts entgegenzusetzen gehabt. Doch als Aaricias Vater Gandalf mit einer Gruppe aufbricht, um seine Tochter zu retten, ist Thorgal mit dabei. Und noch jemand ist Teil des Rettungstrupps: Thorgal trifft auf eine jüngere Version seiner selbst.
Recht schenkt seinem Helden nichts. Und er hat gar nicht das Bestreben, diesen gealterten und geschlagenen Thorgal auf ein Happy End hin zu führen. Langsam aber muss Thorgal erkennen, was auch schon im 15. Album, "Der Ring des Phaios", das Ergebnis aller Bestrebungen war, die Geschichte zu ändern: Der Tod lässt sich nicht überlisten, die Geschichte lässt sich nicht verbessern, und jeder Versuch, etwas zu ändern, zieht nur immer schlimmere Varianten der Wirklichkeit nach sich. Und so schafft es Thorgal nicht, "seine" Aaricia zu bewahren. Schlimmer noch: Thorgal senior ist schuld daran, dass die Handlung für sein jüngeres Ich die denkbar schlimmste Entwicklung nimmt.
Mehr als jung und talentiert
Den Autor und Zeichner als einen jungen und talentierten Künstler zu bezeichnen, wie es der Klappentext tat, ist wohl die Untertreibung des Jahrzehnts. Der Mann hat eine solche Wucht, eine solche epische Erzählkraft, dass er Rosinski und van Hamme fast vergessen macht. Das Abenteuer packt den Leser vom ersten Augenblick an und reißt ihn mit in den Strudel des Ouroboros-Rings, hinein, in eine urwüchsige Welt, in der Leben und Tod sehr dicht beieinander liegen. Mit der riesenhaften schwarzen Kriegerin Skraeling hat Recht zudem eine außerordentlich beeindruckende Heldin geschaffen, von der man in der regulären Serie gern mehr sehen möchte. Insgesamt ein eindrucksvolles Seelendrama, das um so tiefer nachhallt, da Recht der Versuchung widersteht, das Ganze doch noch zu einem netten, märchenhaften Schluss zu führen. Traurig, aber tief beeindruckend und sehr konsequent. Getroffen.
Fazit: Traurigschönes, wuchtiges Wikinger-Epos, das durch seine Düsternis und Ausweglosigkeit doppelt eindrucksvoll ist. Robin Recht lotet die Grenzen des Helden Thorgal aus und trifft ihn dort, wo es ihm und den Lesern am meisten weh tut - und genau darum trifft dieses Album genau ins Herz. Großartig.
Thorgal Saga: Adieu, Aaricia. Text und Zeichnungen: Robin Recht. Bielefeld: Splitter, 2023. 108 S., Euro 27.
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© Petra Hartmann