Thorgal 41: Tausend Augen
Comics Thorgal Yann Fred Vignaux
"Tausend Augen" lautet der Titel des 41. Thorgal-Albums. Es geht um ein unterirdisches Heiligtum der Göttin Skaedhi, seltsame Kristalle und um einen grausamen herrschsüchtigen Provinzfürsten, der seine Untertanen massenweise umbringt.
Thorgal ist zusammen mit seinem Sohn Jolan und dessen neuer Freundin Borealis auf dem Weg vom Nordland der Inuit zurück in das heimatliche Wikingerdorf. Doch das kleine Schiff der drei erleidet während eines Sturms Schiffbruch vor einer unwirtlichen Insel. Nach dem Unwetter schwimmt Thorgal hinüber zum Festland, um Hilfe respektive ein neues Boot zu organisieren und gerät in die Fänge des mordlüsternen Oksekog. Der will ihn eigentlich gleich hinrichten, doch macht er Thorgal schließlich ein Angebot: Ein pferdekopfgroßer Steinbrocken aus dem unterirdischen Fels der Skaedhi gegen ein Boot für Thorgals todgeweihte Familie. Klar, dass Thorgal sich auf die unterirdische Expedition einlässt.
Parallele Handlungen und Rückblenden
Die Geschichte ist nicht linear erzählt. Wir begegnen zunächst Thorgal in den dunklen unterirdischen Gefilden, erfahren dann in Rückblenden vom Schiffbruch und von Thorgals Begegnung mit dem Machthaber und dessen Schergen, und während Thorgal unter Tage unterwegs ist und lebensgefährliche Abenteuer zu bestehen hat, wird mehrfach hinübergeblendet zur Felseninsel, wo sich Jolan und Borealis nicht nur der Gefahr des Verdurstens ausgesetzt sehen, sondern auch von fleischfressenden Krabbenschaaren und angreifenden Vögeln bedroht sind. Thorgal hat sich derweil nicht nur einer Unzahl von Giftschlangen zu erwehren, er muss auch befürchten, dass seine mitgenommenen Fackeln und der Brennstoff nicht ausreichen. Außerdem ist er darauf angewiesen, dass die Männer des Fürsten ihn nach vollbrachter Tat mitsamt seiner kostbaren Fracht am Seil wieder nach oben ziehen. Was diese nicht vorhaben.
Schlangenjägerin als Verbündete
Doch Thorgal findet eine Verbündete. Mýsla, eine junge Frau aus einem Clan von Schlangenjägern, und ihr zahmer "Tetra-Hahn" (es scheint sich um einen Auerhahn, tetrao urogallus, zu handeln) sind in der Unterwelt unterwegs. Mýsla will sich an dem Fürsten rächen, der ihre Familie getötet hat. Zusätzlich zu den beiden Handlungssträngen - Insel und Unterwelt samt Rückblenden - kommen durch Mýsla nun noch zwei eingelegte Geschichten hinzu, nämlich einmal Mýslas eigene Ursprungsgeschichte, in der sie von ihrer Familie erzählt und erklärt, wie sie gegen das Schlangengift immun gemacht wurde, und dann die Geschichte der Göttin Skaedhi und des seltsamen Felsens mit den tausend Augen.
Kreative Variante einer Edda-Sage
Letzteres ist eine sehr interessante, kreative Umgestaltung der eddischen Sage von Skadi, deren Vater von den Asengöttern getötet wurde und die daraufhin gegen Asgard zu Felde zog und die Götter bedrohte, bis sie ihr Buße leisteten. Eine Variation, die den alten Snorri sicherlich extrem überrascht hätte. Daumen hoch dafür.
Sehr düsteres Abenteuer
Insgesamt ist es, auch bedingt durch die Lichtverhältnisse unter Tage, ein sehr düsteres Abenteuer, und das alte Thorgal-Thema von der Grausamkeit der Fürsten und der Götter wird erneut voll ausgereizt. Zeichnerisch ist es okay, wenn auch nicht prägnant, erzählerisch durch die beiden Handlungsstränge und die zwei Mýsla-Geschichten etwas unkonzentriert, aber in Ordnung. Abgesehen von Thorgals Ausspruch: "Ich bin ein Mann dem sein Vater gelehrt hat, dass ein Wiklinger vor eInem Gegner nicht so schnell katzbuckelt ..." sind auch keine sprachlichen Grausamkeiten zu vezeichnen. Alles in Allem: Ein ordentlich erzähltes Abenteuer mit einer spannenden weiblichen Nebenfigur und einer intelligenten Sagen-Fortführung.
Sehr interessant ist der Anhang des Albums, hier hat der Verlag als Extra 16 Seiten mit Skizzen und unterschiedlichen Entwicklungsstufen einiger Szenen und Figuren beigegeben. Sehr schön und hochinteressant.
Fazit: Düsteres Thorgal-Abenteuer mit einem fantasievoll umgedeuteten Sagenmotiv, einer interessanten Mitkämpferin und einem spannenden Schauplatz. Zeichnerisch und erzählerisch nicht herausragend, aber in Ordnung.
Thorgal 41: Tausend Augen. Text: Yann. Zeichnungen: Fred Vignaux. Bielefeld: Splitter Verlag, 2024. S. 48 + 16. Euro 18.
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© Petra Hartmann