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Reimer Boy Eilers: Mit Magellan II - Das Paradies
Helgoland Reimer Boy Eilers
Die unfreiwillige Schiffsreise des Helgoländers Pay Edel geht weiter: "Das Paradies" nennt der Autor Reimer Boy Eilers den zweiten Band seines fünfteiligen Romans "Mit Magellan". Der Untertitel lautet "Vom Guadalquivir zum Landt Presil" und gibt damit die Route vor, die in diesem Teil der Magellanschen Erdumseglung zurückgelegt wird: Es geht von Spanien über den Atlantik nach Brasilien.
Wie bereits in Band eins - Die Ausfahrt - ist der Ich-Erzähler ein Helgoländer Fischer, der durch sehr viel Pech und einige Intrigen nach seinem Schiffbruch auf der Nordsee zu einem Mitglied dieser Expedition wurde. Pay Edel berichtet in einem ziemlich dicken Brief an seine Geliebte, die Helgoländerin Jungfer Peerke, von seinen Abenteuern. Wobei er immer wieder vorausgreift und auch von der aktuellen Etappe Dinge zu berichten und vor allem einzuordnen weiß, die er zum Zeitpunkt, da er sie erlebte, noch nicht wusste. Erst spät hat er von seinem Freund, dem arabischstämmigen Christen und Kosmographen al Gharb lesen und schreiben gelernt, was ihn zum Aufzeichnen seiner Reiseabenteuer befähigte. Doch wir sind erst im zweiten Band, Pay schreibt rückblickend nach dem Ende seiner Reise.
Insulaner erzählt umständlich und mit vielen Details
Der Brief an Jungfer Peerke ist umständlich, ganz nach Art eines ungeübten Erzählers verfasst, der sich um Präzision bemüht und keine, auch nicht die kleinste Kleinigkeit vergessen will. Und sein Autor, Reimer Boy Eilers, hat ganz augenscheinlich sehr viel und sehr intensiv recherchiert und tausenderlei Einzelheiten und Hintergrund-Informationen zusammengetragen, sodass der einfache Fischer von der Insel Hilligland nun seinen endlos langen Riemen abspulen kann, immer wieder unter Berufung auf den klugen al Gharb und auf Dinge, die Pay später erst erfuhr.
Ein Eskimo als Freund
Pay, der zusammen mit dem Eskimo Qivitoq, bereits bekannt aus dem Buch "Das Helgoland, der Höllensturz", an Bord ging und weiterhin von seinem Hund Nimmersatt begleitet wird, macht an Bord illustre Bekanntschaften und trifft auf Besatzungsmitglieder aus aller Herren Länder. Er entwickelt einen scharfen Blick für die Eigenheiten und vor allem Charaktereigenschaften seiner Mannschaftsgenossen und hat einige interessante Geschichten über deren Herkunft zu erzählen.
Vor allem aber beobachtet er die Offiziere und Offiziellen an Bord genau, die Dons und Kapitäne und auch die geistliche Macht. So kann er, auch wenn er vieles im Nachhinein erst erfuhr, sehr genau schildern, wie sich eine Meuterei gegen Magellan zusammenbraut und wie geschickt dieser seine Gegner schließlich ausmanövriert. Mehrfach erleben die Leser Gerichtsverhandlungen und Todesurteile mit, an Bord und im Paradies am anderen Ufer des Atlantik. Meuterei ist nur eines der Vergehen, die die Bordmoral untergraben oder das Gelingen der Reise infrage stellt. Ein Schiffsjunge, der müde ist und seine Nachtwache verkürzen will, kann durch vorzeitiges Umdrehen der Sanduhr die gesamte Navigation ruinieren. Und als Jüngster und Schwächster an Bord muss ein Schiffsjunge auch damit rechnen, missbraucht zu werden ...
Eine Brasilianerin als Konkurrenz für Jungfer Peerke
Pay erzählt von Stürmen und Flauten, von Reibereien und zwischenmenschlichen Verwerfungen an Bord, und er beichtet in seinem Bericht sogar ein Verhältnis mit einer Indianerin, wobei er schreibt, dass er dieses Kapitel vor dem Abschicken an Jungfer Peerke wohl vernichten wird ... Die schöne Helgoländerin wird ohnehin ein riesiges Konvolut durchzuarbeiten haben, wenn der komplette Bericht zu ihr auf den roten Felsen gelangt sein wird. Immerhin hat auch dieser zweite Teil über 400 Seiten, und drei Bände der Fahrtbeschreibung stehen noch aus. Denn dass der Ich-Erzähler auch von dem Rest seiner Weltumrundung genau Bericht erstatten wird, davon ist auszugehen.
Akribisch recherchiert und genau berichtet
"Mit Magellan 2 - Das Paradies" ist, wie bereits der Vorgängerband, ein akribisch recherchierter Roman, bei dem man das Gefühl hat, dass der Autor jedes Fall und jede Schot an Bord schon einmal in der Hand gehabt hat. Die Spannungen und Intrigen zwischen Magellan und seinen Rivalen sind überzeugend nachgezeichnet und kommen glaubhaft herüber. Wobei Pay Edel eine sehr eigene, authentische Erzählstimme entwickelt, manchmal ein wenig umständlich und sich in Schleifen und Abwegen verlierend, aber doch immer wieder zum roten Faden und zum roten Felsen zurückfindend. So mag ein älterer Küstenbewohner tatsächlich vorgehen, wenn er die Geschichte seines Lebens für die Enkel hervormäandriert. Man muss ein wenig Geduld haben mit diesem verschleppten Helgoländer, aber es lohnt sich, und der Leser wird immer wieder mit interessanten Einzelheiten und faszinierenden altmodischen Wörtern belohnt. Ab und zu kommen ihm dabei allerdings auch ausgesprochen modern anmutende Begriffe in den Sinn. Dass ein einfacher Fischer im Jahr 1519 seinen Hund, weil er Tauben und Möwen gleichermaßen jagt, als "Demokrat" bezeichnet, ist zumindest etwas überraschend. Und dass Pay seiner Jungfer Peerke etwas über "Resilienz" schreiben muss, zeigt, dass Pays Fahrtbeschreibung ein Kind der 2020er ist.
Alles in allem aber ein durchaus stimmiger und hochinteressanter Ausflug in eine längst vergangene Zeit und eine faszinierende Hommage an eines der größten Abenteuer der frühen Neuzeit. Ein Roman, der Lust auf die nächsten Bände macht.
Fazit: Akribisch recherchierter Großroman über die erste Weltumsegelung, vorgetragen von einer authentischen Erzählstimme, manchmal etwas umständlich und nicht immer linear erzählend, aber immer hochinteressant und mit faszinierenden altertümlichen Wort-Entdeckungen. Lesenswert.
Reimer Boy Eilers: Mit Magellan 2: Das Paradies. Vom Guadalquivir zum Landt Presil. Ochsenfurt: Kulturmaschinen-Verlag, 2024. 401 S., Euro 20.
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© Petra Hartmann