

Günter Abramowski: das ende ist neu
Lyrik Günter Abramowski
"das ende ist neu" - so nennt Günter Abramowski seinen inzwischen achten Lyrikband. Erneut sind es größtenteils reimlose Gedichte in konsequenter Kleinschreibung und ohne festgefügtes Metrum, die ein breites Spektrum von Lebenssituationen beschreiben, von der Kindheitserinnerung bis zum Ärger über politische und soziale Missstände, von Naturschilderung und Liebe bis zur Alltagsbegegnung und zu philosophischen Fragen über Leben und Tod.
Das im Titel beschworene "Ende" ist Titel und Thema von gleich zwei Gedichten, an besonders hervorgehobener Stelle: Abramowski eröffnet den Reigen seiner Verse mit dem Gedicht "ende offen", und das Buch endet mit einem Gedicht, das den Titel des Buchs trägt: "das ende ist neu", sodass der Gedanke an die Endlichkeit und der Umgang damit gewissermaßen eine Klammer um den gesamten Band bildet.
"realitätslos gedankenlandschaft
schwester & bruder schlafen
mit offenen augen
eingeschlossen
im licht ihre blicks"
heißt es im Auftaktgedicht, das eine Situation in der Abenddämmerung beschreibt, eine Momentaufnahme in einer dunkler werdenden Landschaft, melancholisch oder depressiv, in stechender Luft und geprägt von Träumen, Sorgen und Ängsten. Der Autor, der, wie schon in seinen vorherigen Gedichtbänden auch hier den Hinweis gibt: "es ist von vorteil, die gedichte in ihrer reihenfolge zu lesen", wird sich mit dem Arrangement seiner Gedichte sicher etwas gedacht haben.
Auffallend ist, dass die ersten Texte des Buchs sehr zerrissen daherkommen. Einwortsätze, Assoziationen, kurze Zeilen, die selten mehr als ein oder zwei Wörter enthalten, kaum übergreifende Satzstrukturen. Eine Welt in Auflösung, Wahrnehmungsfetzen blinken auf. So heißt es im Gedicht "verschwindend in allem":
"bereit
für den weg
durch den spalt
der einfalt
meiner entfaltet gefieder
pfauenaugen
schauen saphirschatten
spuren zur heimkehr"
Der Tod und die Toten sind immer wieder Thema, aber auch das Alter. Einzeln hingeworfene Wörter, ohne verbindende Elemente und Satzstrukturen, manchmal auch zu langen Komposita zusammengeklebte, die die Unverbundenheit mit dem Rest-Gefüge nur umso deutlicher machen. Da ist von "menschenkinderleben" die Rede und von "erwachsenenstreben". Erst nach und nach findet der Autor zurück zur Struktur. Und zugleich mit der Satzstruktur wächst die Wut. Es sind bettelnde Krüppel, die der Autor schildert, der Zorn, der in jedem Behinderten heranwächst, die Vorstellung, "wie der gutmensch / dem Arschloch die fresse poliert". Und es ist die wilde, unkontrollierte Wut eines Kindes, die Abramoski schildert. Unter der Überschrift "was uns nicht umbringt" erzählt er von einem Besuch beim Burgerbrater:
"die kleine königin weinte
& schrie & zerriss ihre krone
niemand konnte
sie verstehen
die kleine königin
allein in ihrer not
schaute uns an
wir gaben ihr kraft"
Aus dem sattsam bekannten "was uns nicht umbringt, macht uns härter" wird in diesem Gedicht ein "was uns nicht umbringt / macht uns leichter". Ein kleiner Versuch, die Welt wieder ganz zu machen. Und vielleicht auch ein kleiner Rückgriff auf Abramowskis früheren Gedichtband "das leichte ist im schweren":
Das Ende, auf das diese Sammlung hinaussteuert, ist das bereits erwähnte Gedicht "das ende ist neu". Es ist fünf Seiten lang und somit allein schon durch seinen Umfang aus dem Reigen der eher kürzeren Gedichte hervorgehoben.
Der Autor beschreibt hier einen Weg, einen inneren Zustand, den er "träumerisch müde" durchlebt. Er schreibt von Gedanken, die nicht schweigen, von der "hundertäugigen hut meines kopfes / in unbekannten wissens reich". Die Welt wird als "verblassender stern" geschildert, als "meiner müdigkeit trost / auf dem grund himmlischer nacht". Nacht und Wellenschlag gestalten den Rhythmus dieses Gedichts, und der Gedanke an das Ende tritt in immer neuen Variationen als Refrain auf. "das ende ist neu", heißt es mal, dann wird festgestellt: "im licht der gleichzeitigkeit / ist das ende neu". Es wird festgestellt: "& und dein ende ist / neu wie der tod", schließlich sich emporschwingend zu einem verheißungsvollen (und sogar sich reimenden): "jedes leben ist einmalig / treu / & das ende ist stets neu".
Fazit: Nachdenkliches, zum Teil melancholisches Werk, das sich mit dem Leben, der Erinnerung und den End-lichen auseinandersetzt. Reimlos und doch nicht ganz ungereimt. Ein Büchlein, auf das man sich schon ein wenig einlassen muss, um Genuss herauszuziehen. Ein bisschen Zeit beim Lesen zu investieren, schadet nicht.
Günter Abramowski: das ende ist neu. Gedichte. Free Pen Verlag, 2020. 120 S., Euro 12.
Mehr von Günter Abramowski
das leichte ist im schweren
darüberhinaus
vor den toren von tag & nacht
vom turm
© Petra Hartmann