

Leipziger Buchmesse - Bücherkaufrausch, Besucherrekord und brennende Füße
Unterwegs Buchmesse Leipzig
Tja, da ist sie schon wieder vorbei, die Leipziger Buchmesse. Sie schloss mit einem Besucherrekord, und dass es diesmal besonders viele Buchfreunde nach Leipzig verschlagen hatte, ließ sich bereits am ersten Tag absehen. Ich hatte ausnahmsweise den Donnerstag zu meinem Messetag gemacht, da mir die liebe Familie das Wochenende zerschossen hatte (grummel), und war eigentlich angenehm überrascht, wie viel Bewegungsfreiheit man in den Gängen und wie wenig Wartezeit frau vor den Toiletten hatte. Aber alle Verleger und anderen Standbetreiber, die ich darauf ansprach, meinten nur: Im Vergleich zum vergangenen Jahr sei bereits enorm viel los - für einen Donnerstag. Und das bereits in den frühen Stunden.
Wobei: Frühe Stunden, naja. Ich war eigentlich rechtzeitig losgedüst, um eine halbe Stunde vor Öffnung anzukommen. Dann hätte ich auch gut die "Old Shatterhand"-Lesung des Karl-May-Verlags erleben können. Aber ein gut anderthalbstündiger Stau bei Helmstedt machte mir einen Strich durch die Rechnung. Nachdem ich rund eine Stunde wie festgenagelt auf der Autobahn gestanden hatte, ergab sich dann jedoch die Möglichkeit, auf die Raststätte zu fahren. Ich nutzte die Gelegenheit, einen großen Kaffee zu trinken. Ein Getränk, das an diesem Tag das billigste und entspannteste für mich war. Der Geschmack war jedenfalls ganz okay, der Toilettencontainer bemerkenswert sauber, und die Weiterfahrt zwar zähflüssig, aber wesentlich zügiger als zuvor. Ankunft am Presseparkplatz: gegen 11.30 Uhr. Der war allerdings schon komplett voll. Ein netter Messemitarbeiter verwies mich an den CCL-Parkplatz auf der anderen Seite des Messegeländes, und als er meinen verzweifelt-desorientierten Blick sah, meinte er: "Folgen Sie einfach dem VW." Ich klebte mich also dem Wagen, den er gerade weggeschickt hatte, an die Stoßstange. Den Fahrer schien das etwas zu beunruhigen, aber ich ließ mich nicht abschütteln.
Lob des Kleinwagens
Am CCL-Parkplatz allerdings die gleiche Botschaft: Alles voll. Doch dann taxierte der Parkplatz-Anweiser meinen Nissan Micra und meinte, hm, das sei ja doch ein recht kleiner Wagen, in der allerletzten Reihe, da könnte ich es vielleicht versuchen ... Es stimmte. Ganz hinten war noch eine halbe Parkbox frei. Ich zog den Bauch ein, kniff die Arschbacken zusammen, schickte ein Stoßgebet in den Bücherhimmel und schaffte es gerade so eben, meinen kleinen, silbernen Freund zwischen zwei Riesenschlitten zu schieben. Wie ich herausgekommen bin aus dem Wagen? Nun, decken wir diese grausamen Szenen mit einem Mantel der Liebe zu ...
Bestiarien-Bauer unter sich
Messeluft - jau! Ich hielt mich erstmal nicht länger in der Halle 2, durch die ich hineingekommen war, auf und marschierte schnurstracks zur heimatlichen Halle 3 hinüber, dem zu Hause der Phantasten. Später war ich noch in Halle 4 und 5 unterwegs.
Witzigerweise lief ich fast als Erstem Thomas Hofmann in die Arme. Thomas und ich haben ja für den Mai eine gemeinsame Buchveröffentlichung vor: "Das intergalaktische Bestiarium". Wir hatten uns locker für den Tag verabredet, und er überlegte wohl gerade, ob er meine Handynummer wählen sollte, als wir auch schon voreinander standen. Unsere erste Live-Begegnung, aber wir haben uns sofort erkannt. Schon seltsam, da arbeitet man rund vier Jahre gemeinsam an einem Buch, ohne sich je zu treffen, und plötzlich steht man sich leibhaftig gegenüber. Wir haben uns sehr gut verstanden, und ich denke, das mit unserer gemeinsamen Buchpräsentation auf dem Marburg-Con müsste eigentlich gut klappen.
"Du bist doch auch in Marburg, oder?"
Apropos Marburg: Die wichtigste Frage, die ich einigen bekannten Verlegern an diesem Tag stellte: "Du bist doch auch in Marburg, oder?" Das ersparte mir einige Schlepperei und wirkte sich (kurzfristig) positiv auf mein Budget aus. So konnte ich einige Buchkäufe auf den Mai verschieben. Bei Torsten Low orderte ich schon mal die Anthologie mit griechischer Phantastik, und die Sammlung mit Kurzgeschichten von Arndt Ellmer sah auch ganz vielversprechend aus.
Beim Leseratten-Verlag gibt es Neues über gefährliche Rieseneidechsen zu entdecken. Die "German Kaiju"-Reihe läuft offenbar recht gut. Und dann gibt es da noch einiges an Garn, das ich noch nicht habe. Und etwas für große und kleine Kinder.
Bei Shadodex verliebte ich mich spontan in die "Pegasus-Gen"-Trilogie. Teil eins habe ich schon mal bei Verlegerin Bettina Ickelsheimer-Förster geordert. Marburg wird teuer.
"Mannsgroß in Marmor"
Meine Neuentdeckung auf der Buchmesse war der jmb-Verlag. Die haben dort eine sehr ansprechend gestaltete Horror-Reihe herausgebracht, schmale Heftchen mit Klassikern und unbekannteren Autoren des Genres, etwas größer als Reclamhefte, in einem stilvollen Schwarz-Rot-Outfit. Ich stieß beim Blättern im Katalog auf Edith Nesbit, meine Lieblings-Kinderbuch-Autorin, und erstand sofort ihre Erzählung "Mannsgroß in Marmor". Angefixt.
Kurt Nummer Eins
Beim Machandel-Verlag hatte ich Gelegenheit, ein Versprechen vom Vorjahr einzulösen: Ich hatte dem Autor Sascha Raubal ja gesagt, ich würde diesmal seinen ersten Band von "Kurt" kaufen. "Kurt - in göttlicher Mission" wanderte also handsigniert in meine Einkaufstasche.
Und Verlegerin Charlotte Erpenbeck zeigte mir dann noch ein Schätzchen, zu dem ich nicht "Nein" sagen konnte: "Der Zeitenweg" von Elena Münscher mit exklusiv für die Messe handcoloriertem Beschnitt ist also jetzt auch meins. Was ich mir unbedingt aus dem Verlag noch anschaffen möchte, war ein Buch von Chris Svartbeck: "Falkenblut". Ihr erinnert euch: Meine Walkürenserie heißt ja auch so. Wir sprachen über die Doublette, wobei Charlotte Erpenbeck meinte, das sei kein Problem, ihr Falkenblut hätte ja einen anderen Untertitel, damit sei das eindeutig unterschieden, und sie würde das ohnehin nicht so eng sehen. Also, das erleichtert mich jetzt echt. Und den Roman von Chris Svartbeck setze ich mir mal auf meine Einkaufsliste.
Klassiker im Gepäck
Gekauft habe ich mir dann noch ein paar Klassiker: Am Reclam-Stand nahm ich Senecas Briefe an Lucilius mit. Und beim Stand der Hamburger Lesehefte habe ich richtig zugeschlagen: Ich erwarb Henrik Ibsens "Nora", Klaus Manns "Mephisto" und Waldemar Bonsels' "Die Biene Maja und ihre Abenteuer". Letzteres habe ich schon durchgelesen. Für alle, die den Kinderbuch-Klassiker nur aus der japanischen Zeichentrick-Serie kennen, habe ich eine schockierende Nachricht. Ihr müsst jetzt ganz tapfer sein: Es gibt im Original keinen Willy. Unfassbar, oder?
Am Stand der Arno-Schmidt-Gesellschaft wog ich "Zettels Traum" in der Hand. Ich liebäugele ja schon seit einiger Zeit mit dem Mammutwerk. Jetzt ist es entschieden: Ich werde mir demnächst die Taschenbuch-Ausgabe im Schuber anschaffen. Das ist um einiges hangelenkfreundlicher als der gebundene Wälzer, und obendrein spart man 100 Euro.
Pferde-Fundstück
Sehr interessant finde ich ja die Entwicklung, die der Verlag Elysion Books gemacht hat. Der Verlag hat inzwischen außer seinem Hauptgenre, der Erotik, auch Kinderbücher und Pferdeliteratur im Angebot. Im vergangenen Jahr hatte ich ja schon "Pony-Power" für meine Nichte erworben, jetzt brachte ich ihr "Pferdetraining rund ums Jahr" mit. Ein schönes Hardcover, das mich mal wieder zur Lieblingstante machte. Und Verlegerin Jennifer Schreiner war mit ihren Katzenohren sowieso der Hingucker.
Ich habe auch kurz in eine Lesung einer norwegischen Autorin hineingehört. Mehr oder weniger zufällig, ich brauchte einfach eine Gelegenheit zum Hinsetzen. Norwegen war ja dieses Jahr das Gastland der Leipziger Buchmesse. Mit meinen Dänisch-Kenntnissen und ein paar Brocken Schwedisch konnte ich tatsächlich ein wenig verstehen. Im Gespräch mit der Autorin ging es dann unter anderem um die Frage, ob Autorinnen nicht langsam genug über das Gebären von Kindern geschrieben haben. Das hat wohl irgend ein Kritiker gesagt. Und das hat mich echt ein wenig erbost. So lange Schwanzdenker über das Töten schreiben, müssen Frauen ja wohl über das Gebären schreiben. War für eine blöde Frage.
Dazu passt ein wunderschöner Titel eines feministischen Bilderbuchs, den ich im Vorbeigehen aufgeschnappt habe: "Der Hahn erläutert unentwegt der Henne, wie man Eier legt." Ich glaube, das Buch hole ich mir nochmal irgendwann. Jedenfalls weiß ich schon, welchem Mansplainer ich den Satz bei der nächsten Gelegenheit um die Ohren hauen werde.
Lyrik aus der Ukraine
Ein norwegisches Buch habe ich mir dann nicht gekauft. Aber als ich beim Weitergehen groß das Wort "Ukraine" sah, musste ich da hingehen. Ich dachte mir: Mals sehen, vielleicht findest du ein Buch mit ukrainischer Lyrik. Und tatsächlich: Mein Fundstück aus der Ukraine trägt den Titel: "Den Krieg übersetzen". Es ist eine Sammlung von aktuellen Texten ukrainischer Lyriker, ergänzt um Betrachtungen über die Rolle des Übersetzers und die Frage, ob und wie man diese Texte überhaupt ins Deutsche übertragen und für deutsche Leser erfahrbar machen kann. Ein sehr spannendes Buch.
Szenenwechsel: Interessant war mein Besuch am Stand der "Romantruhe". Hier stellte Wolfgang Brandt sein neues Fantomas-Buch vor, und von Anke Brandt gibt es eine Fortsetzung von "Lucie. Die Hexe von Poel" vor. Diesmal geht es um den "Henker von Poel". Wir sehen uns ja dann in Marburg ...
Zeitreisen und Historie
Getroffen habe ich drei liebe Kollegen vom Projekt "Met-Magie". Nadine Muriel und Rainer Wüst begegnete ich am Stand von Torsten Low, Amandara M. Schulzke kam gerade vorbei, als ich gerade mit Volkmar Kuhnle am Eingang des Pan-Treffpunkts stand. Amandara würde ich ja gern mal für Acabus oder einen der verbündeten Verlage einen historischen Roman anbieten. Es gäbe da ja eine Novellen-Idee, aber ob man die tatsächlich zu einem Roman umfrisieren sollte? Volkmar freute sich riesig, als ich ihm erzählte, dass ich gerade am Tag zuvor noch in Hildesheim aus der von ihm herausgegebenen Anthologie "Tod des Helden" vorgelesen habe. Wer's verpasst hat, findet meine Lesung aus "Geisterreiter" bei Youtube.
Beim Pan-Stand war ich dann auch physisch am Ende angelangt. Meine Füße brannten, der Rücken motzte, und meine Hand mit dem Bücherbeutel gab Wörter von sich, die ich hier nicht wiedergeben kann. Amandara, Volkmar und ich quatschten über Zeitreisen, historische Romane, Sissi und ein besonderes Buch: Amandara und ich schilderten Volkmar begeistert die Geschichte vom "Leuchtturm an der Schwelle der Zeit" von Natasha Pulley, die uns beide gleichermaßen geflasht hatte. Ich hatte das Buch ja im Dezember zu meinem persönlichen Buch des Jahres ernannt. Wobei Amandara meinte, "Der Uhrmacher in der Filigree Street" sei sogar noch einen Tuck besser. Okay, dann hole ich mir das demnächst. Das Foto habe ich von Amandara entliehen, ich war zu platt, auf den Auslöser zu drücken:
Schlimme Flüche
Wenn nicht die Durchsage, dass die Messe schließt, uns nicht unterbrochen hätte, stünden wir dort wohl heute noch. Aber so mussten wir uns trennen. Ich wankte zurück zur Halle zwei, verlief mich unterwegs noch, kam dann auf der falschen Seite hinein und suchte verzweifelt nach dem Ausgang 2.5, durch den ich hereingekommen war. Der Weg wurde immer länger, die Halle immer leerer. Als ich feststellte, dass Ausgang 2.5 genau auf der entgengesetzten Seite lag, stieß ich einen so gotteslästerlichen Fluch aus, dass zwei einsame Gewandete, die mir gerade entgegen kamen, erschrocken zur Seite sprangen und mich entsetzt anschauten. Diese jungen Leute! Waren doch tatsächlich noch imstande, vor Schreck wegzuspringen ... tztztz. Ich kroch weiter, erreichte schließlich den Ausgang, stand vor einem Zaun, wäre beinahe in die Knie gegangen, doch ein freundlicher Aufpasser zeigte mir den Weg durch das Drehkreuz. Ein paar Schritte bis zum Parkplatz. Er war leer. Bis auf ein einzige, verwaistes kleines silbernes Autochen. Diesmal musste ich nicht den Bauch einziehen, um durch die Fahrertür zu kommen. Als buchstäblich letzter Messebesucher rollte ich vom CCL-Parkplatz, suchte mir meine Autobahn und kam nach vielleicht zweieinhalb Stunden zügiger staufreier Fahrt daheim an. Was für ein Tag. Anstrengend, aber er hat sich gelohnt.
Demnächst mehr. Zum Beispiel in Marburg.
© Petra Hartmann