

Bettina Schneider: Die Opfer des Apachen
Bücher - Abenteuer Bettina Schneider Karl May Winnetou Blitz-Verlag
"Die Opfer des Apachen" von Bettina Schneider ist ein Karl-May-Pastiche, in dem ein gealterter Old Shatterhand beziehungsweise Kara Ben Nemsi sich an Abenteuer seiner Jugend im Wilden Westen und im Orient erinnert. Eine Art Rahmenhandlung spielt zu einer Zeit nach den in "Winnetou IV" / "Winnetous Erben" geschilderten Ereignissen, das Ende gibt ein Gespräch des Ich-Erzählers mit dem Herzle, dem Medizinmann Wakon und Aschta der Jüngeren wieder.
Das vorliegende Buch ist weniger ein Roman als vielmehr eine Aneinanderreihung mehrerer kürzerer Episoden, von denen einige Erlebnisse Old Shatterhands mit Winnetou schildern. Im Mittelteil sind aber auch orientalische Abenteuer zu finden, die Kara Ben Nemsi an der Seite von Hadschi Halef Omar und Ben Nil besteht. Als Begleiter in beiden Welten ist der Freund Emery Bothwell mit dabei.
In der Tradition des späten Karl May
Bettina Schneiders Buch steht in seiner pazifistischen Grundhaltung deutlich in der Tradition des späten May. Abenteuer und Kämpfe treten zurück hinter dem Gedanken der Versöhnung und Aussöhnung mit alten Feinden. Ähnlich wie im vierten Winnetou-Roman, in dem selbst Tangua seinen Frieden mit dem verhassten Old Shatterhand schließt, werden auch hier einige alte Feindschaften beendet. Was nicht heißen soll, dass es ohne Kämpfe und schweres Leid geschehen kann.
Gerade Winnetou muss in diesem Roman Schmerz und Leid ertragen, um das zu tun, was seine Mission ist: Frieden zu stiften zwischen allen roten und weißen Menschen. So ist auch der Titel des Buchs zu verstehen: "Die Opfer des Apachen" sind also mitnichten Menschen, die der Häuptling der Apachen getötet hat. Es geht vielmehr um Opfer, die er selbst zu bringen hatte. Oft genug körperlichen Schmerz, aber auch das Entsagen, den Verzicht auf Rache, das Zurückstellen des eigenen Stolzes und der Rachegelüste.
Winnetou am Marterpfahl der Comanchen
Die Autorin schenkt ihrem Helden wahrhaftig nichts. Bereits in der ersten Episode wird Winnetou an den Marterpfahl gebunden und von den Comanchen gefoltert. Old Shatterhand kann seinen Blutsbruder gerade noch retten, bevor es endgültig aus mit ihm ist. Spuren dieser Folter wird Winnetou noch lange mit sich tragen, und auch in den späteren Erzählungen wird man dem Apachen immer wieder in kurzen Momenten der Schwäche anmerken, dass er die Verletzungen doch nicht ganz überwunden hat.
Nicht Henrystutzen und Bärentöter entscheiden
Und doch sprechen am Ende nicht Henrystutzen und Bärentöter und halten blutige Ernte unter den Comanchen. Es ist Schiba-Bigk, der durch sein flammendes Plädoyer für Frieden und Aussöhnung mit den alten Feinden selbst den von Hass zerfressenen Vupa Umugi dazu bewegen kann, den Hass zu begraben. Und auch Winnetou selbst hat die Comanchen um Verzeihung zu bitten ...
Stolze Feinde wie Amad el Ghandur und sogar der Reïs Effendina begegnen dem Ich-Erzähler erneut, und es gibt eine zweite Chance für eine Erneuerung der Freundschaft. Aber die furchtbarste Begegnung hat Old Shatterhand, als Winnetou durch einen Unfall das Gedächtnis verliert und in seinem Blutsbruder nur noch das verhasste Bleichesicht sieht, das er unbedingt töten muss.
Bettina Schneider kennt ihren Autor
Bettina Schneider kennt ihren Karl May und seine Figuren sehr gut. Man spürt die intensive Beschäftigung mit den Helden des May-Kosmos und ihre große Liebe zu seinen Helden. Und während sie den Apachen und seinen Blutsbruder an die Grenzen ihrer physischen und psychischen Belastbarkeit führt, ist es ihr gleichzeitig ein großes Anliegen die "Wunde Schiba-Bigk" zu heilen und den gefallenen Helden Reïs Effendina zu retten.
Dabei geht sie sachkundig und sensibel zugleich vor und zeigt in ihren Erzählungen eine besondere Zielstrebigkeit. Die einzelnen Episoden sind kurz, direkt und ohne größere Verwicklungen erzählt. Die Weitschweifigkeit des Maysters, ellenlange Personenbeschreibungen und Landschaftsschilderungen schenkt sich die Autorin. Während May aus diesen fünf oder sechs Plots mindestens eine Roman-Trilogie geschmiedet hätte, beschränkt sich Schneider auf ein einziges, wenn auch dickes Buch.
Argumente statt Kämpfe
Die Autorin setzt weniger auf äußere Spannung, obwohl Kämpfe und Gefahren nicht zu kurz kommen, als vielmehr auf Argumentationen und Werben für den Frieden. So liegt der Schwerpunkt eher auf Gesprächen und Reden. Wobei auch die große Liebe des Apachen nicht zu kurz kommt. Nein, nicht Ribanna. Es geht um großartige Pferde, die die Augen des Häuptlings aller Apachen leuchten lassen. Und die Gewinnung besonderer Tiere für seine Zucht zieht sich wie ein roter Faden durch die Abenteuer und bietet immer wieder Entspannung und "etwas fürs Herz".
Scheußliches Cover
Etwas ärgerlich ist, dass das Cover, das Mario Heyer mittels KI erstellt hat, granatenmäßig vergurkt wurde. Das Bild zeigt einen Indianer in Rückenansicht, der auf ein Zeltlager hinabblickt. Aber um Himmelswillen! Welche Absurditäten hat diese künstliche "Intelligenz" da zusammengeklatscht! Ein Zelt, das auf hohen Stelzen steht, sodass ein Mensch aufrecht unter dem Rand der Zeltplane hindurchschreiten kann. Tipis mit hohen rechteckigen Türen wie Hauseingänge. Zelte, die an mongolische Jurten erinnern. Im Hintergrund kleine viereckige Häuser und sogar eine ägyptische Pyramide. Ich möchte nicht am allgemeinen KI-Bashing teilnehmen. KI-Bilder auf Buchcovern kann ich akzeptieren, wenn sie einigermaßen akzeptabel aussehen. Aber schaut der Künstler denn nicht wenigstens noch einmal drauf auf seine Datei, wenn er sie abgibt? Oder guckt sich der Verlag das Titelblatt nicht noch einmal an, bevor er den Druckauftrag erteilt? Schade, dieser Roman hätte Besseres verdient. Aber man soll ja ein Buch nicht nach seinem Cover beurteilen.
Fazit: Episodenroman in der Tradition des späten Karl May mit vielen alten Freunden und Feinden. Spannend und mit hehrem Anliegen, ein Plädoyer für Frieden und Menschlichkeit von einer Autorin, die ihren May gut kennt. Unbedingt empfehlenswert.
Bettina Schneider: Die Opfer des Apachen. Blitz-Verlag, 2025. 450 S., Euro 12,95.
Weitere Karl-May-Fortsetzungen:
Thomas Ostwald: Aufbruch ins Ungewisse
Thomas Ostwald: Auf der Spur
Thomas Ostwald: Der schwarze Josh
Axel Halbach: Blutige Schluchten
Klaus-Peter Walter: Sherlock Holmes und Old Shatterhand
Wolfgang Berger: Weißer Vater
Lennardt M. Arndt: An den Ufern des Nebraska
© Petra Hartmann