

Anke Brandt: Carl, der Henker von Poel
Bücher - phantastisch Anke Brandt Romantruhe Poel
In ihrem Roman "Carl, der Henker von Poel" lässt die Autorin Anke Brandt ihre Heldin Judith erneut eine Zeitreise zurück in die Geschichte der Insel Poel erleben. In einem intensiven Traum reist die junge Frau zurück ins 17. Jahrhundert, in eine Zeit, in der sie schon einmal Schreckliches miterleben musste: den Tod ihrer Freundin Lucie, die als vermeintliche Hexe auf dem Scheitehaufen verbrannt wurde.
Judith und ihr Mann machen wieder Urlaub auf ihrer Lieblingsinsel Poel, wo Judith im Jahr zuvor nach einem Sturz den Hexenprozess träumte beziehungsweise miterlebte. Seit der Erfahrung, die in "Lucie, die Hexe von Poel" geschildert wurde, war sie bei Ärzten und Therapeuten in Behandlung wegen ihrer heftigen Realträume. Nun hat sie die Sache (fast) überwunden. Ein unbeschwerter Urlaub könnte vor dem Paar liegen, wenn Judith nicht an der Steilküste plötzlich einen Kieferknochen entdecken würde. Ein Mord? Ein Relikt aus alter Zeit? Judiths sensible Nerven sind im Zustand höchster Erregung. Und während die Polizei ermittelt, denkt Judith wieder an ihre verbrannte Freundin Lucie - und schläft ein ...
Ausbildung zur Hebamme
Als sie erwacht, ist sie wieder Anna, die junge Frau, die Lucie während des Hexenprozesses beistand. Anna hat aufgrund ihrer Erlebnisse beschlossen, dass sie sich nicht dem Tod, sondern dem Spenden von Leben widmen will. Sie macht eine Ausbildung als Hebamme und will künftig Frauen bei der Geburt beistehen. Allerdings erhält sie keine Kundinnen. Die böse Bäuerin Katharina Steinhagen, die auch für Lucies Schicksal verantwortlich war, lässt Anna nicht hochkommen und sorgt dafür, dass sie keine Aufträge kriegt. Einzig der Henker Carl Göltzer unterstützt sie heimlich. Der Mann hat nicht vergessen, dass Anna ihm damals Geld zugesteckt hatte, damit er Lucie einen schnellen Tod gewährte. Doch ein Mann des Todes und eine Frau des Lebens - wie kann das zusammen passen? Zumal Göltzer sich ihr, schon um sie zu schützen, nicht nähern darf. Denn der Henker und seine Angehörigen sind ausgestoßen aus der Gesellschaft und führen ein einsames Leben.
Frei erfundene Geschichte
Anders als die Geschichte Lucies, die auf einer wahren Begebenheit beruht, ist die Geschichte des Henkers von Poel frei erfunden. Die Autorin Anke Brandt hat lediglich die Namen einiger Schulzen, Bauern und Handwerker aus dem Jahr 1668 übernommen, wie sie im Vorfeld klarstellt. Trotzdem, oder gerade deswegen, gelingt es ihr, ein sehr lebendiges Bild des Henkers und seiner Welt zu zeichnen. Carl muss sich mit einer Schafsseuche befassen und die Tierkadaver entsorgen, er bildet seinen Knecht und Nachfolger Johannes aus und wird schließlich Opfer eines heimtückischen Anschlags. Wer die Täter sind und wie man sie zur Rechenschaft ziehen kann? Das sind Ermittlungen, bei denen der düstere, einsame Henker ausgerechnet auf die Unterstützung der Wehemutter angewiesen ist. Doch sollte Anna, deren Geschäft endlich zu laufen beginnt, sich wirklich mit dem Henker abgeben? Soll sie sein Los als Ausgestoßene aus der Gesellschaft etwa teilen?
Dichter und anschaulicher Roman
Anke Brandt ist ein sehr dichter, anschaulicher historischer Roman gelungen, der den Leser mitnimmt in die alte Zeit der Insel Poel. Die Autorin schafft es, spannend und mitreißend zu erzählen und Sympathien für einen Menschen zu gewinnen, der im vorherigen Buch gar keine liebenswürdige Rolle spielte. Und es gibt sogar eine kleine verspätete Genugtuung für die getötete Lucie und ein bisschen Gerechtigkeit nach dem Hexenprozess.
Insgesamt ist das Buch trotz des Berufs seines Titelhelden, gar nicht so düster und grausig wie der Vorgänger-Band, es geht eher abenteuerlich und spannend zu, und die Autorin gewährt ihren Helden sogar ein Happy End. Einzig die Frage nach der Herkunft des Kieferknochens bleibt ungeklärt. Aber das ist Judith nach ihrer Rückkehr auch vollkommen egal. Schade, den einen oder anderen Leser hätte es sicher interessiert, zumal zu Beginn ein solcher Wirbel um den Fund veranstaltet wurde und er Judith so aufregte, dass sie erneut in einen Zeitreise-Schlaf fiel.
Auf jeden Fall ist es ein Buch, bei dem man spürt, dass die Autorin "etwas zu Ende bringen" wollte. Ein Bericht darüber, wie es weiterging nach der Hexenverbrennung, war ihr offenbar ein großes Bedürfnis. Nun hat sie die Schicksale Annas und Carls tatsächlich in ihre Bahn gebracht. Und das In-Ordnung-Bringen ist der Autorin auf jeden Fall gelungen.
Fazit: Spannende Zeitreise in die Geschichte der Insel Poel. Handlung und Personen sind fiktiv, doch ausgesprochen lebendig. Ein einprägsames Bild eines Henkers aus dem 17. Jahrhundert. Gut gemacht.
Anke Brandt: Carl, der Henker von Poel. Kerpen-Türnich: Romantruhe, 2024. 198 S., Euro 14,95.
Weiteres Buch von Anke Brandt
Lucie, die Hexe von Poel
© Petra Hartmann