Jahresrückblick 2025, Teil I: Januar bis März
Jahresrückblick
Tja, da ist es schon wieder um, das Jahr. Wie war euer 2025? Meines war arbeitsreich und anstrengend, aber ich will nicht sagen, dass es schlecht war. Unten findet ihr wie gewohnt das erste Quartal meiner Leseliste. Doch zuvor ein paar persönliche Notizen.
Das schönste Erlebnis dieses Jahr? Das war zweifellos, als ich den wild gewachsenen Walderdbeerbusch unterm Hausstein entdeckt habe. Mensch, ich habe bestimmt 30 Jahre keine Walderdbeeren mehr gegessen, und jetzt liefert sie mir die Natur einfach so frei Haus.
Das zweitschönste Erlebnis war ganz klar, mein neues Buch in den Händen zu halten. "Das intergalaktische Bestiarium" ist ein wunderschönes Stück Buchkunst mit tollen Zeichnungen von Thomas Hofmann, von Eric Hantsch im legendären Stil der Edition Dunkelgestirn herausgebracht. Ich habe das Buch bei Lesungen auf dem Conventus Leonis, dem Marburg-Con, dem BuCon, auf Radio Tonkuhle und im Leipziger Haus des Buchs vorgestellt, in Leipzig und Marburg zusammen mit dem Künstler und dem Verleger. Außerdem gab es eine Buchvorstellung auf Radio Okerwelle. Besucht habe ich auch die Leipziger Buchmesse und das Nürnberger Autorentreffen.
Geschrieben habe ich dieses Jahr das erste Drittel eines neuen Indianer-Romans auf den Spuren Karl Mays. Außerdem habe ich eine uralte Erzählung aufgearbeitet, die um die Jahrtausendwende herum entstanden ist. Die soll nächstes Jahr in einer Anthologie herauskommen. Und ich will zusammen mit einer guten Autorenfreundin zusammen nächstes Jahr ein neues Anthologieprojekt stemmen. Mal sehen, wie es wird.
Was gab es noch? Ich habe in einem Hebräischkurs einen Vortrag über die Nestis-Serie auf Ivrit gehalten. In meinem Garten ist jetzt auch die fünfte von sechs im Herbst 2023 vergrabenen Kastanien gekeimt und soll mal zu einem großen Baum heranwachsen. Mein altersschwacher Rechner läuft jetzt mit Linux - heißen Dank an die Linux-Gruppe Hannover, die mir altem Muttchen die digitale Souveränität gerettet hat. Ich bin Anfang Januar nach 33 Jahren aus der FDP ausgetreten, ernähre mich seit ein paar Monaten bewusst fleischarm und spare auf ein E-Auto (es wird ein Micra). Ich glaube, das wars erstmal.
Okay, kommen wir nun zum literarischen Jahresrückblick. Im ersten Quartal habe ich ziemlich viele Comic-Alben gelesen, einige Kinderbuch-Klassiker, etwas Politisches und Philosophisches, außerdem ein paar Lyrikbände. Sehr wenig Phantastik, aber immerhin einen SF-Roman. Und ich habe wieder jede Menge Kira-Kolumna-Hörspiele genossen, ich mag die Serie einfach. Viel Spaß beim Stöbern in meinen Lese- und Hörfrüchten.
Hinweis:
Etwaige blau markierte Texte sind herausragende Spitzenbücher, rot steht für absoluten Mist, ein (e) hinter dem Titel bedeutet, dass ich den betreffenden Text in der eBook-Version gelesen habe, und hinter den Links verbergen sich ausführlichere Besprechungen innerhalb dieses Blogs.
Januar
Astrid Lindgren: Kalle Blomquist
- Meisterdetektiv Blomquist
- Kalle Blomquist lebt gefährlich
- Kalle Blomquist, Eva-Lotta und Rasmus
Einer der Helden meiner Jugend. Und ein schönes Wiedersehen mit dem Urgroßvater aller Schweden-Krimis. Ich hatte gerade den ersten Band in meiner Kindheit so oft gelesen, dass ich ihn beinahe auswendig kenne. Interessanterweise sind die drei Bücher inzwischen ebenfalls vom Verlag überarbeitet worden. Bei Pippi Langstrumpf habe ich es ja mitbekommen, weil es einen Aufschrei wegen der "Political Correctness" gab und Ephraim Langstrumpf nicht mehr "Negerkönig" ist, sondern "Südseekönig". Hier ging es offenbar nur darum, dass Wörter ausgetauscht wurden, die heutzutage kein Kind mehr versteht. Gegenüber meiner Blomquist-Erfahrung aus den 70ern hat sich einiges verändert, und ich habe ein paarmal gestutzt.
Anders wird nicht mehr als "Poussierstengel", sondern als "Weiberheld" beschimpft. Der "Prozenter" Gren ist jetzt ein "Wucherer". Onkel Einar ist keine "mystische" Person mehr (das Wort hat mich damals schon gewundert, es sollte wohl "mysteriös" heißen). Sixtus heißt nun Sixten, und Eva-Lotte ist nun Eva-Lotta. Aus Schutzmann Björk wurde Wachtmeister Björk. Der alte Gren sagt nicht mehr "Der Kindheit unschuldige Spiel", sondern "Die unschuldigen Spiele der Kindheit". Lebte Jonte schon immer am Rowdy-Berg? Insgesamt "stören" mich die Änderungen nicht ernsthaft, sie stören nur den Lesefluss eine alten Frau, die genau das lesen will, was sie als Kind las. Für junge Erstleser mag es in Ordnung sein. Aber der Name "Sixten" klang schon ziemlich blöd, obwohl das der schwedische Original-Name ist. Etwas doof fand ich, dass Bäckermeister Lisander jetzt "Zimtwecken" statt "Zimtschnecken" backt. Das Wort "Wecken" ist jedenfalls in meiner Gegend nicht gebräuchlich, während ich mir unter Zimtschnecken durchaus etwas Leckeres vorstellen kann.
Egal, alles in allem ist es akzeptabel. Es war ein schönes Wiedersehen.
Felix Woitkowski: Beyond the Deep - Tief untern
Linda Ólafsdóttir: Der Tag, als die Frauen streikten (BpB)
Comic-Erzählung über einen besonderen Tag in Island: Der 24. Oktober 1975 war der Tag, an dem die Isländerinnen geschlossen ihre Arbeit niederlegten und für Gleichberechtigung demonstrierten. Lesenswert, lehrreich und ausdrücklich für Deutschland zur Nachahmung empfohlen. Und obendrein von der Bundeszentrale für politische Bildung zu einem supergünstigen Preis herausgebracht.
Jostein Gaarder: Ist es nicht ein Wunder, dass es uns gibt?
Ein schlankes, philosophisches Büchlein, das daherkommt als ein Brief des Autors an seine Enkelkinder. Alledings für einen Brief dann wieder doch sehr umfangreich. Es handelt sich um einige sehr persönliche Betrachtungen, zum Teil Autobiografie, zum Teil Lebensphilosophie, zum Teil Rückblick auf die eigenen Bücher, ihre Entstehung und ihre Hintergründe. Es geht um das kindliche Staunen angesichts von Naturbeobachtungen, um die Erkenntnis, dass das Ich etwas Einzigartiges und ganz Besonderes ist, aber auch um das Gemeinsame, alles Vereinende. Und es geht um Verantwortung, um die Bewahrung unserer Welt, die, wie es auch der Dümmste inzwischen mitbekommen haben sollte, bedroht ist. Das Ganze ist sehr fluffig und leichtfüßig geschrieben, leicht zu lesen, aber es lohnt sich doch, zwischendurch einmal beim Lesen innezuhalten und den einzelnen Gedanken nachzuspüren. Insgesamt nicht unbedingt ein philosophisches Schwergewicht wie "Maia" oder "Vita brevis" oder die arme, schon zu Tode zitierte "Sophies Welt", aber auf jeden Fall ein netter, liebenswerter Wegbegleiter. Lesenswert.
Tassilo 17: Die Krone der Dämmerung
Comanche Gesamtausgabe
- Der Wanderzirkus
- Dead River
- Red Dust Express
Ich gehöre wohl einer Minderheit an. Jedenfalls habe ich schon viel Schlechtes über die letzten Comanche-Abenteuer gehört. Da möchte ich hier einfach mal festhalten, dass "Der Wanderzirkus" mir ausnehmend gut gefallen hat. Erzählt wird die Geschichte eines Zirkusunternehmens nach Art von Buffalo Bills Show. Ein berühmter Indianerschlächter, der einst die Krieger der Comanchen niedergemetzelt hatte, will nun in einer Zirkusvorführung seine Heldentaten nachstellen. Mit dabei sind echte Indianer, Insassen eines Reservats, die auf diese Weise einmal ihre zugewiesene "Heimat" verlassen dürfen. Was der alte Indianerschlächter nicht ahnt: Die jungen, erbärmlich wirkenden Reservationsinsassen, die er für nicht besonders helle hält, sind Nachkommen der Krieger, die er damals niedergemetzelt hat. Die vermeintlich mit Platzpatronen geladenen Gewehre sind bereit für scharfe Schüsse. Dabei hatte der alte Mörder doch eigentlich geglaubt, nur er selbst hätte scharfe Waffen - und hatte einige Schüsse auf die Rothäute während der Show eingeplant.
Comanche ahnt Schlimmes, als sie die Plakate mit der Ankündigung der Zirkusshow sieht. Sie kennt die Namen der beteiligten Zirkusindianer. Mehr noch: Man erfährt hier erstmals etwas über ihre Vergangenheit und darüber, wie sie als kleines Mädchen unter Comanchen aufgewachsen ist und Freundschaften geschlossen hat. Nun sieht sie die Katastrophe herannahen. Sie will ein Blutbad verhindern. Aber will sie den Mörder wirklich schützen ...?
Der zweite Teil erzählt von einer Geisterstadt nahe der Triple-Six-Ranch. Goldgräber hatten dort in ihrer Gier eine Quelle gesprengt und so den Fluss zum Versiegen gebracht. Das Gold war auch weg, die Stadt wurde verlassen. Genau der richtige Ort, um zwei der aufrührerischen Comanchen aus dem Vorgänger-Band zu verstecken, denken sich Red, Comanche und Ten Gallons. Allerdings: In der Stadt scheint es zu spuken. Außerdem haben die Helden sich mit einer Bande von Viehdieben auseinanderzusetzen. Sehr dramatisch.
Teil drei schließlich widmet sich erneut dem Eisenbahn-Thema. Es geht um den Wettlauf zweier Bahngesellschaften. Wer zuerst schafft, einen Zug mit sechs Reisenden in der Stadt Serenity ankommen zu lassen, erhält den Zuschlag für ein Zwei-Millionen-Dollar-Geschäft. Die böse Gesellschaft wirft ein skrupelloses Banditentrio in die Schlacht: "Lobster" mit der scharfen Stahlhand, Rattlesnake Annie mit der Vorliebe für Dynamitstangen und Concho, den Mexikaner mit der fiesen Machete. Klar, dass sich Comanche und ihre Leute auf die andere Seite schlagen, zumal sie von dem Trio übel bedroht werden. Es wird blutig. Am Ende kommt es sogar zu einem Kuss zwischen Comanche und Red. Ein Happy End. Okay.
Tammer Abboud: Ich schulde meinen Träumen noch ein Leben
Florian Weber: Die wundersame Ästhetik der Schonhaltung beim Ertrinken
Enttäuschend. Die Ausgangssituation klang so spannend und ist in diversen Besprechungen gelobt worden: Ein Mann kommt zu sich, schwimmt mitten im Meer, um ihn herum ein Lama, ein Clown und ein Klavier, er selbst hat das Gedächtnis verloren. Naja, das war dann aber auch schon das Spannende. Ein bisschen "Schiffbruch mit Tiger", ein bisschen gewollt tiefe Lebensbetrachtungen und dazu die letzte Reise eines Onkels, der bald an Krebs sterben wird und vorher noch einmal in den USA die Stationen einer großen Liebe wiedersehen will. Der Protagonist erlebt eine Menge und gerät in haufenweise abstruse Situationen. Aber es wirkt einfach alles "gemacht", alles wirkt konstruiert, nichts scheint organisch aus dem anderen hervorzugehen. Es ist handwerklich ganz okay, aber dem Buch fehlt einfach das Leben, die Seele, der Zauber.
Prinz Eisenherz. Gesamtausgabe. Band 12: 1959/1960 (Bocola)
Der zwölfte Band der Gesamtausgabe ist wieder ein ansprechend gestaltetes Buch, das dem Comic-Klassiker einen würdigen Rahmen gibt. Wir erleben eine Rettungsaktion mit, bei der Prinz Eisenherz seinen Freund Gawain aus der Gefangenschaft eines Tyrannen befreit. Das Abenteuer hat durchaus slapstickhafte Züge, da sich Eisenherz, der sich als fahrender Sänger in die Burg eingeschlichen hat, zur Tarnung betrinken muss. Er ist zwar nicht handlungsunfähig, aber doch motorisch eingeschränkt ... Der Prinz aus Thule begegnet außerdem einem Doppelgänger, in dessen Rolle er ein Turnier besteht, und dem Räuber Hugh, der den Beinamen "Der Fuchs" trägt und eine Art früher Robin Hood ist. Ein kniffliges Problem hat Eisenherz im Auftrag von König Artus zu lösen: Was ist der Heilige Gral - und gibt es ihn wirklich? Das Ergebnis ist für den König ziemlich unbefriedigend. Ein bedrückendes Erlebnis hat Prinz Arn: Er tötet zum ersten Mal im Kampf einen Menschen und braucht lange, um diese Erfahrung zu verarbeiten. Ferner gibt es einen Ehestreit mit der schönen Aleta. Schließlich muss sich Aleta erneut als Königin der Nebelinseln bewähren und ihr Land gegen einen Angriff des feindlichen Königs Thrasos verteidigen. Sie tut das mit Scharfsinn und klugen Strategien, wird aber von Thrasos bei dessen Flucht verletzt. Ausgesprochen eindrucksvoll ist das letzte Bild des Bandes: Es zeigt wie Trasos, der sich bei Gewitter in einen hohlen Baum geflüchtet hat, vom Blitz getroffen wird und in Flammen aufgeht.
Hörspiel
Kira Kolumna 14: Missverstanden
Karima ist neu in der Klasse. Und da Kira als "Dauerumzieherin" sich mit dem Fremdsein gut auskennt, übernimmt sie die Betreuung der Neuen. Aber es ist etwas völlig Anderes, wenn man als Tochter eines Mathematikprofessors immer wieder in neue fremde Länder kommt. Karimas Familie musste aus ihrem Land, dessen Name nicht erwähnt wird, flüchten. Kira hat tausend Fragen an Karima - und hat nie die Geduld, ihre Antworten anzuhören. Klar ist ihr nur, dass die Mitschülerin, deren Familie offenbar noch nicht einmal genug Geld hat, der Tochter einen Bikini zu kaufen, dringend eine Charity-Aktion braucht. Karima wird die Sache immer unangenehmer. Interessante Folge über Flüchtlinge, Vorurteile und das Fragen-Stellen. Nein, Kira, nicht die Masse der Fragen macht einen guten Journalisten aus, sondern die Fähigkeit zum Zuhören.
Kira Kolumna 13: Echt spooky
Eine Folge, die an die drei ??? zu ihren besten Zeiten erinnert: Das Haus, in dem die alte Frau Machnikowski wohnt, wird von einem Miethai renoviert, der schon alle Mieter außer Südbergs coolster Renterin vergrault oder herausgekauft hat. Wenn er alle losgeworden ist, will er das Haus zu einem Luxusdomizil machen und deutlich höhere Mieten verlangen. Dumm nur, dass die renitente Rentnerin nicht ausziehen will. Allerdings: Seit sie plötzlich unheimliche Geisterstimmen in ihrer Wohnung hört, ist Frau Machnikowski ziemlich durch den Wind. Wird sie etwa wunderlich und ist dem Leben allein doch nicht mehr gewachsen? Kira, Lars und Nele versuchen, dem Geist auf die Spur zu kommen. Und das ist ziemlich gruselig. Ein schönes, klassisches Abenteuerhörspiel mit dem Hauch der guten alten Musikcassettenzeit.
Februar
Rosita Busch: Dem Leben verschrieben
Die Autorin hatte eine Lesung in Hahnenklee und ist Mitglied eines Hahnenkleer Chors. Ich habe über ihre Lesung für die Goslarsche Zeitung berichtet und das Buch vorgestellt. In ihrem Lyrikband verarbeitet sie Erfahrungen aus der Zeit ihrer Krebserkrankung und erzählt vom Kampf gegen die Krankheit und davon, was ihr Kraft gegeben hat.
Über die Lesung schrieb ich:
Diagnose: Krebs. Chemotherapie, Bestrahlungen, Operation. Für Rosita Busch ein Schock, ein schwerer Weg, den sie aber gemeistert hat. Nun blickt sie in ihrem neu erschienenen Lyrikband „Dem Leben verschrieben“ zurück auf die harte Zeit, auf schlimme Erfahrungen, aber auch auf das, was ihr Kraft gegeben hat und was sie durch die Krankheit neu und wieder schätzen lernte.
Am Mittwochabend stellte die 75-Jährige im evangelischen Gemeindehaus in Hahnenklee ihr im Oktober erschienenes Buch vor. In eingängigen Versen blickt die Frau aus Clausthal-Zellerfeld auf das Leben, und auch als Künstlerin präsentierte sich die pensionierte Lehrerin: Mit farbigen Bildern, in Acrylfarben gestaltet und oft hoffnungs- und farbenfroh, illustrierte sie ihr Buch. Die Gemälde begleiteten die Verse ausdrucksstark und entfalteten bei der Lesung eine ganz eigene Wirkung.
„Mein Leben / wird mir von Tag zu Tag / kostbarer“, heißt es in den Haikus, die die Autorin zu Beginn der Lesung vortrug. „Staunen will ich – / Schöpfungswunder jeden Tag / neu in mir.“ Zwischen den einzelnen Gedichten schlägt sie die Klangschale an, der Ton verhallt langsam im Raum und schafft Platz, um den Versen noch eine Weile nachzuspüren.
Oft ist es das eigene Herz, das die Autorin anspricht, aus dem sie Kraft schöpft, das als Kompass dient. So gab sie zu Beginn ihrer Lesung ein handgroßes tönernes Herz ins Publikum, das die 20 Zuhörer befühlen, festhalten und schließlich an ihren Nachbarn weitergeben konnten. „Nimm dein Herz in beide Hände“, forderte Busch sich selbst und die Hörer auf. „Hör auf das, was es dir sagt. / Fühlst du dich auch mal am Ende, / hast du es noch nicht gefragt. / Als dein treuester Begleiter, / durch dick und dünn und immer weiter, / schlägt‘s für dich ganz ohne Frage / bis ans Ende deiner Tage. / Geht mit dir egal wohin, / hat dich immer fest im Sinn.“
„Dem Leben verschrieben“ ist bereits der zweite Gedichtband, den die Autorin veröffentlichte. Ihr erster trug den Titel „Handverlesen“, und zusammen machen die Buchtitel deutlich, um was es der Dichterin geht – eben ums Lesen und Schreiben.
Die Autorin erzählt von Angst und Tränen. Vom Gefühl, den Halt zu verlieren. Vom Ausgeliefert-Sein. Sie schildert, wie es ist, im Krankenhaus zu liegen und die Entscheidungsgewalt über den eigenen Körper zu verlieren. „Nur mein Körper“ heißt ein Gedicht, in dem die Autorin aus einem Realität gewordenen Albtraum berichtet: „Wie von Wölfen eingekreist / fallen sie über mich her / zerren an Händen, Armen und Beinen / ohne mich zu fragen, ob ...“, beschreibt sie ihr Patientenschicksal. „Schieben mein Hemd zur Seite / entblößen meine Brust / klemmen Metallknöpfe an / haben zu meinen Adern gefunden“. So fühlt sich ein Mensch, den niemand mehr fragt, wer er eigentlich ist oder wie er sich fühlt. Nur ein Routinefall. „Alles nimmt seinen Lauf / mit mir / ganz ohne mich“, heißt es resignierend.
Doch Rosita Busch hat es durchgestanden. In ihren Gedichten gedenkt sie auch der Menschen, die sie begleitet haben, die sie unterstützten, ihr Kraft gaben. Sie beschwört die Schmerzen erneut, verwandelt sie in Kraft, spricht von Zuversicht. Es ist Zeit, das Leben wieder mit neuen, staunenden Augen zu betrachten, die Wunder des Alltäglichen zu entdecken. Es gibt neue Berührungen, ein Streichen durch das „lockig, schlohweiß, neu gewachsene Haar“, die Zeit heilt Wunden, bringt neue Falten: „Falten gehören zu mir, prägen mich ganz probat / zum unverwechselbar kostbaren Unikat“, schreibt sie selbstgewiss.
Es wurde eine Lesung mit allen Sinnen. Die ehemalige Grundschullehrerin sprach ihr Publikum auf mehr als einer Ebene an. Klangschalen-Töne und Acrylbilder, ein Herz zum Betasten, aber auch der Klang der Ocean-Drum trugen zur ganz eigenen Atmosphäre im evangelischen Gemeindehaus bei. Die Augen schließen und dem Rauschen des Meeres lauschen, das brachte das Publikum ganz nahe an den Kraft-Ort, an dem auch die Autorin Energie und Atem schöpfte.
Vor allem aber waren es die Mitglieder des Chors „Sing dein Ding 60+“, die die Lesung mit ihren Mantras mitgestalteten. Lieder wie „Bin zu allem bereit“ oder „Feuer, Wasser, Luft und Erde“ hatte sich die Autorin, die dem Chor als Altistin angehört, selbst ausgesucht. Zuletzt entwickelte sich die Lesung trotz oder gerade wegen ihres bitteren Themas Krebs zu einer heiteren, von Aufatmen geprägten Zusammenkunft, bei der einige Sänger sogar zu tanzen begannen. Es ist Zeit, der Krankheit eine „lange Nase“ zu zeigen, das Leben zu feiern und dankbar anzukommen. Und: „Das war meine schönste Lesung“, sagt die Autorin mit Dank an ihren Chor.
Reimer Boy Eilers: Mit Magellan II: Vom Guadalquivir bis zum Landt Presil
Dirk van den Boom und Holger M. Pohl: Welt der 7 Ebenen: Freiland
Der erste Band eines Siebenteilers. Wobei die Bände zwei bis sieben nicht erschienen sind. Grund ist der überraschende Tod des Autors Holger M. Pohl. So blieb "Freiland" ein Einzelstück.
Es geht um ein riesiges Raumschiff, genannt "Heimat". Das Schiff ist so gigantisch, dass es in ihm sieben sehr unterschiedliche Länder gibt, jedes mit seinen besonderen Stärken und Eigenarten: Freiland, Farmland, Tierland,Technikland, Fabrikland, Endland und Maschinenland. Jedes Land bildet eine eigene Ebene, verbunden sind sie durch eine Art Fahrstühle. Ich habe es mir ein wenig vorgestellt wie die "Gestapelten Landschaften" im niederländischen Pavillon auf der Expo 2000, falls ihr den damals gesehen habt. Jedenfalls fliegt diese "Heimat" durchs All, einem unbekannten Ziel entgegen, als die Besatzung plötzlich ein havariertes Raumschiff entdeckt. Die Menschen in dem Raumschiff werden an Bord genommen. Aber die Sache birgt einigen Sprengstoff. Denn die "Heimat" hatte seit urdenklichen Zeiten keinen Außenkontakt. Wer sind die Fremden? Kommen sie von den "Schöpfern", den Erbauern des Superschiffs? Die Regierung versucht erstmal, den Vorfall zu vertuschen. Ruhe ist die erste Bürgerpflicht, und Aufregung an Bord, womöglich gar Revolten werden befürchtet. Was bedeutet, dass die Fremden abgeschottet und eingesperrt werden. Die aber, als echte Weltraumhelden einer Space Opera, lassen sich das natürlich nicht bieten und brechen aus. Eine Verfolgungsjagd durch alle sieben Welten beginnt. Im ersten Teil erleben wir das Land Freiland, am Ende steht die Passage nach Farmland, die geplanten weiteren Bände erschienen nicht.
Der Roman ist spannend geschrieben, reich an Action, aber auch an politischen Szenen. Die Tagungen und Schachzüge der Politiker, von denen einer den verballhornten Namen eines doofen Amis führt, sind zum Teil amüsant, zum Teil bedrückend und erinnern gleichsam an klassische Dystopien und an aktuelle deutsche Vetuschungs- und Hinhaltepolitik. Etwas überzogen klingt die Einschätzung des Chefs des Verfolgungskommandos, unter den Flüchtigen müsse es wohl eine Person mit herausagenden Führungsfähigkeiten geben. Die machen nichts anderes als Abhauen und das auch ganz erfolgreich, einen Funken an Genialität habe ich an den Manövern des Trupps jedoch nicht finden können. Vielleicht war das für später vorgesehen. Nicht ganz klar wurde mir beim Lesen, warum die Ankunft der Fremden wirklich mit allen Mitteln verschwiegen werden musste. Und, ganz ehrlich: So große Raumschiffe, dass sieben Länder in ihnen Platz haben, kann sich mein kleines altes Gehirn nicht richtig vorstellen.
Trotzdem: Ein ganz ordentlich geschriebenes, spannend zu lesendes Buch. Schade, dass die Heptalogie ein Fragment blieb. Ich hätte mir die folgenden Teile auch gekauft.
Günter Abramowski: das ende ist neu
Hörspiel
Kira Kolumna 15: Offline in Barcelona
Kira verbringt ihre Ferien bei ihrem Freund Rapha in Spanien. Aber was als romantischer Traumurlaub gedacht war, wächst sich zu einem massiven Alptraum aus. Rapha hängt ständig am Handy und starrt auf seine Barcelona-App, um nur ja keine aktuelle Attraktion zu verpassen. Und Kira bekommt ständig Anrufe und Nachrichten von Nele. Stress pur ist angesagt, die beiden Verliebten sind am Ende nur noch mega genervt voneinander, Aggressivität und Streit folgen. Dann eine noch größere Katastrophe: Ein Moment der Unachtsamkeit im Café - und plötzlich sind ihre Handys weg. Gar nicht so einfach, sich offline in der Welt zurecht zu finden. Aber vielleicht auch eine Chance, das reale Leben gemeinsam zu genießen? Sehr schönes Abenteuer, erfreut auch alte Leute, die ein bisschen retro sind.
Kira Kolumna 17: Nein heißt Nein
Oberstufenball in Kiras Schule. Und die Zehntklässler dürfen zum ersten Mal mit dabei sein. Kira will nur "als Reporterin" hingehen. Sprich: Fotos machen, Interviews führen und später einen Artikel für die Schülerzeitung drüber schreiben. Aber Nele sucht noch einen Partner. Da scheint die Einladung des Elftklässlers Gregor, der ihr stilecht mit einem Blumenstrauß seinen "Antrag" macht, fast zu schön, um wahr zu sein. Allerdings: Der Abend wird für Nele eher zum Alptraum, als der Junge sie gegen ihren Willen küsst. Nele ist am Tag darauf wie verwandelt, steht neben sich, wagt aber nicht, ihren Freunden von dem Übergriff zu erzählen. Doch es kommt noch schlimmer: Gregor postet im sozialen Netzwerk ein Foto des Kusses. Schon geht das Gestichel und Gemobbe gegen Nele los. Und als sich Nele überwindet und ihren Freunden und schließlich auch der Lehrerin erzählt, was Gregor getan hat, lügt der Bengel dreist und streitet alles ab. Erst durch einen Trick gelangen die Freunde in den Besitz einer Tonaufzeichnung mit dem Geständnis Gregors.
Es ist eine Folge, die ein schwieriges und wichtiges Thema beleuchtet. Allerdings leider auf eine ziemlich oberflächliche und simplifizierende Weise. Ganz so einfach ist es im realen Leben sicher nicht, die Täter zu überführen. Und dass die Lehrerin gleich nach der Anschuldigung Gregor zu sich ruft, ihn und Nele gegenüberstellt und ihn nach seinem rotzigen: "Nee, ich hab nix gemacht", wieder ziehen lässt ... Nun, das ist alles ein wenig ungelenk. Ein bisschen mehr Fingerspitzengefühl sollte die Lehrkraft schon haben. Interessant finde ich die Rolle von Superekel Saskia. Die sonst ziemlich bösartige Mitschülerin unterstützt Nele und ihre Freunde durch wichtige Informationen. Sie ist nämlich im Vorjahr selbst Opfer von Gregor geworden.
Kira Kolumna 18: Schöne Bescherung
Matheprofessor Johannes Kolumna glaubt, er hat das schönste Weihnachtsgeschenk der Welt für Kira: Er hat eine neue Stelle angenommen - und das heißt: Umzug nach Madrid. Kira ist stinksauer. Endlich ist sie einmal an einem Ort angekommen, an dem sie wirklich zu Hause ist, da soll sie schon wieder ihre Freund verlassen? Die Zeichen stehen auf Sturm im Hause Kolumna, Vater und Tochter zerstreiten sich heillos. Am Ende fällt sogar das berühmte Machtwort: "So lange du deine Füße unter meinen Tisch steckst ..." Vermittlungsversuche von Laura helfen nur bedingt. Beide Streithähne sind einfach zu temperamentvoll. Erst Lars und ein Weihnachtsmarktbesuch können die Situation retten.
Schöne, dynamische Folge über ein Vater-Tochter-Problem. Gut gemacht.
Anmerkung: Dies ist schon die zweite Weihnachtsfolge mit Kira. Das müsste doch jetzt eigentlich heißen, dass sie nicht mehr 16, sondern 17 Jahre alt ist, oder? Eine Geburtstagsgeschichte fehlt aber bislang in der Serie. Das gilt für alle drei jugendlichen Helden der Geschichten.
März
Tim und Struppi. Gesamtausgabe.
Band 1:
- Tim im Lande der Sowjets
- Tim im Kongo
Es handelt sich um eine edle Hardcover-Ausgabe mit acht Bänden im stabilen roten Schuber, die optisch einiges hermacht und auch bei meiner Buchhändlerin, bei der ich es bestellt hatte, für einige Bewunderung sorgte. Die Bücher sind etwas kleiner als das gewohnte Albenformat, aber das schadet nichts und tut dem Lesevergnügen keinen Abtrag. Etwas schade ist, dass der Carlsen-Verlag diese mit 148 Euro nicht gerade billige Gesamtausgabe nicht mit erläuternden Vorworten, Zusatzinfos, Skizzen und ähnlichen Beigaben aufgewertet hat. Da hat beispielsweise Splitter ganz andere Maßstäbe gesetzt. Es gibt einzig vor dem ersten Abenteuer, "Tim im Lande der Sowjets" einen kurzen Vortext, etwas weniger als eine Seite, in der sehr kurz auf Hergés Informationsquelle bzw. Desinformationsquelle zur Sowjetunion eingegangen wird. Das dürfe eher ein Disclaimer als ein Service für die Leser sein. Schade auch, dass die alten, lieb gewordenen Cover nicht mit abgedruckt worden sind. Nicht Teil der Gesamtausgabe ist das Album "Tim und der Haifischsee", das ja erst nach dem Zeichentrickfilm angefertigt wurde und von Greg stammt, nicht von Hergé.
Okay, was bietet der erste Band? Auch Hardcore-Fans brechen angesichts der sowjetischen und kongolesischen Abenteuer Tims gewöhnlich nicht gerade in Begeisterungsstürme aus. Es sind ad infinitum aneinandergereihte Verfolgungsjagden, Schlägereien, Gefangennahmen, Fluchten etc. Das Ganze verbunden mit rassistischen beziehungsweise antikommunistischen Klischees. Manches ist ziemlich unwahrscheinlich. Manches klassische Propaganda, etwa die Stelle, als Tim eine "potemkinsche" Fabrik in Russland entdeckt. Schlecht, aber eben von historischer Bedeutung. Und doch ungeheuer interessant und wichtig zu wissen, wie es einmal angefangen hat mit der Serie, die sich später auf den höchsten Olymp der Comicgeschichte hinaufschwang.
Eines noch: Ich habe in meiner Jugend gar nicht kapiert, dass dieser Tim ein "Junge" sein sollte, eine Identifikationsfigur für die jungen Leser. Für mich war er immer ein, wenn auch kleiner, jugendlicher Erwachsener. Ernsthaft, Hergé? Tim ist berufstätig, arbeitet als Reporter, lebt allein, liest Zeitung, unternimmt ohne Begleitung eines Erziehungsberechtigten weite Auslandsreisen, er steuert Autos, Flugzeuge, Schiffe, U-Boote und hat einen verdammt harten rechten Haken. Das soll ein Junge sein?
Band 2:
- Tim in Amerika
- Die Zigarren des Pharaos
- Der blaue Lotos
Tim in Amerika setzt die in den ersten beiden Bänden begonnene Anhäufung von Klischees, Rassismus und Prügeleien/Verfolgungsjagden/Gefangenschaften/Fluchten fort. Tim legt sich mit Gangstern an, muss vor Indianern flüchten usw. Einzig witzige beziehungsweise bittere Szene: Tim findet Öl. Ein reicher Amerikaner will ihm die Ölquelle zu einem horrenden Preis abkaufe. Doch als Tim sagt, das Land gehöre den Indianern, werden diese einfach des Platzes verwiesen und von der Armee vertrieben. Bitter.
Die Zigarren des Pharaos: Jetzt gehts los. Wer neu in die Serie einsteigt, dem sei dieser Band zum Start empfohlen. Ein Abenteuer in Ägypten und später Indien, in dem auch die Detektive Schulze und Schultze zum ersten Mal auftauchen, die Tim wegen Drogenschmuggels verhaften wollen. Ein verborgenes Pharaonengrab, ein verrückter Professor, Schmuggel. Echt niedlich fand ich die Szene, als Tim und Struppi die Sarkophagreihe entdecken: In den Sarkophagen stecken die Leichen der Leute, die das Grab schon ausfindig machen wollten, und daneben sind drei leere Sarkophage, einer für den Professor, einer für Tim und einer in Struppi-Format. Auch nett: Ein Scheich, bei dem Tim zu Gast ist, entpuppt sich als großer Fan des Helden und liest ein Tim-und-Struppi-Heft. Und ich mochte die Episode, in der Tim ein Geheimtreffen einer Bande in Kutten besucht, die dem Kukluxklan ähnen, aber das Pharao-Symbol tragen. Die Geschichte mit dem geheimen Passwort erinnert mich irgendwie an Karl Mays "Spion von Ortry".
Der blaue Lotos: Tim in China. Das Abenteuer gilt zurecht als einer der ersten Höhepunkte der Serie. Seltsame Funksprüche, eine Einladung aus Shanghai, die Suche nach einem entführten Wissenschaftler, der die vom Wahnsinnsserum betroffenen Leute aus dem vorigen Band heilen kann. Und Opiumschmuggel. Gleich zweimal muss sich Tim in die gefürchtete Opiumhölle, den "Blauen Lotos" einschleichen. Ein Erzfeind, im Vorband noch als harmloser, wenn auch launischer Filmemacher aufgetreten, entpuppt sich als Chef-Drogenhändler. Und sehr viele China- und Japan-Klischees, zum Teil ironisch gebrochen und optisch sehr schön in Szene gesetzt. Als Tim seinen neuen Freund Tschang vor dem Ertrinken gerettet hat, erzählt er ihm etwas darüber, wie sich Europäer Chinesen vorstellen, und Tschang lacht sich kaputt darüber. Sehr schön der (gute) Fakir, der über Scherben wandert, sich Messer in den Leib sticht und einen Kopfstand auf einem Nagel macht, aber plötzlich schreiend aufspringt, als er sich versehentlich auf ein Polsterkissen setzt. Erst auf einem eilig herbeigebrachten Nagelbrett kann der Mann sich entspannen.
Band 3:
- Der Arumbaya-Fetisch
- Die schwarze Insel
- König Ottokars Zepter
Der Arumbaya-Fetisch: Im Museum wird eine Tonfigur mit "abbem Ohr" geklaut. Eben der titelgebende Arumbaya-Fetisch. Wenig später ist die Figur wieder da. Alles nur ein Jux? Aber die Figur hat jetzt zwei Ohren, woraus Tim schließt, dass es sich um eine Kopie handelt. Auf der Suche nach dem Original entdeckt Tim, dass ein Bildhauer ermordet wurde, der womöglich die Kopie erstellt hat. Dessen Papagei plaudert den Namen des Mörders aus. Später schifft sich Tim nach Südamerika ein und gerät in das Revolutionsgeschehen eines fiktiven Staates. Sehr nett ist die Geschichte, wie Tim zum Adjutanten des Revolutionsführers wird: Er wird an die Wand gestellt, hat vorher noch die Gelegenheit, sich zu betrinken und brüllt im Angesicht des Erschießungskommandos: "Es lebe General Alcatraz!" In diesem Augenblick wechseln die Machtverhältnisse, und Alcatraz, den wir in den späteren Abenteuern noch wiedertreffen werden, ist total gerührt von der Treue seines treuesten Gefolgsmanns Tim ... Böse, aber leider Realität ist das Agieren der Ölfirmen: Als im Grenzgebiet zwischen Alcatraz' Staat und dem Nachbarland Öl gefunden wird, sorgen die Firmen für einen Krieg zwischen beiden Ländern, um günstiger an den Stoff heranzukommen. Tim schafft es schließlich, die Arumbayas im Urwald zu besuchen, und erfährt, warum der Tongötze geklaut wurde: Ein Weißer hatte den Arumbayas einen Edelstein gestohlen und ihn in der Figur außer Landes geschmuggelt. Am Ende schafft es Tim, den Fetisch tatsächlich wiederzuerobern, und gibt ihn in ziemlich ramponiertem Zustand dem Museum zurück. Der Stein aber versinkt unrettbar in den Tiefen des Meeres.
Die schwarze Insel: Tim bemerkt ein landendes Kleinflugzeug und wundert sich, dass die Maschine offenbar unregistriert ist. Als er seine Hilfe anbietet, wird er niedergeschossen und kommt erst im Krankenhaus wieder zu sich, wo die Agenten Schulze und Schultze ihn befragen wollen. Die Spur führt nach England, später nach Schottland, wobei die titelgebende schwarze Insel erst im letzten Drittel auftaucht. Die Geschichte ist reich an Verfolgungsjagden und Slapstick-Einlagen, vor allem wird Tim immer wieder von trotteligen Ordnungshütern verfolgt und entkommt dank deren Schusseligkeit. Sehr nett die Geschichte, als Schulze und Schultze einen Mann zwingen, mit einem Flugzeug zu starten, um Tim zu verfolgen. Der Mann kann gar nicht fliegen, unternimmt die irrsinnigsten Flugmanöver, verliert bei einem Looping einen der Agenten, kann ihn durch ein weiteres Zufallsmanöver wieder einfangen und erhält für seine Flugkünste schließlich nach der Bruchlandung den Pokal eines Flugwettbewerbs, in den er versehentlich geraten ist. Tim, stilecht in Schottentracht, macht sich allein auf zu der gefürchteten schwarzen Insel und entdeckt dort in einer alten Bug das Geheimversteck einer Geldfälscherbande, das von einem Gorilla gehütet wird - das gefürchtete Monster der Insel. Allerdings lässt sich der Menschenaffe von Struppis Knurren sofort beeindrucken. Tim hebt das Falschmünzernest aus, und für den Gorilla, der sich beim Sturz auf einer Treppe einen Arm gebrochen hat, gibt es medizinische Versorgung und ein neues zu Hause im Zoo, wie der abschließend abgedruckte Zeitungsartikel berichtet.
König Ottokas Szepter: Tim reist nach Syldavien, ein fiktives kleines osteuropäisches Land, das von einem König regiert wird. Sehr schön die Beschreibung des Landes und seiner Geschichte, die wechselnden Eroberungen durch Slawen und Türken, die Geschichte des Herrscherhauses und die Bestimmung, dass der König einmal im Jahr ei einem Fest das Szepter Ottokas öffentlich tragen muss - widrigenfalls muss er abdanken. Tim begleitet einen Professor für Sphragistik (Siegelkunde, wieder was gelernt) nach Syldavien, doch hegt er bald den Verdacht, dass der vermeintliche Gelehrte gegen einen Doppelgänger ausgetauscht wurde, der das schicksalsträchtige Szepter stehlen will. Es folgen diverse Anschläge auf Tim, Gefangenschaften, Fluchten, Auseinandersetzungen mit dem syldavischen Militär und den Behörden, die allesamt Angehöriger einer Verschwörung gegen den König zu sein scheinen. Außerdem taucht in diesem Band erstmals die Opernsängerin Bianca Castafiore auf, stimmgewaltig, von sich selbst überzeugt und Huldigungen gewohnt. Den Diebstahl des Szepters kann Tim nicht verhindern, aber mit der Unterstützung der Detektive Schulze & Schultze bzw. mit Behinderung durch dieselben gelingt es Tim und Struppi schließlich, das gestohlene Herrscherinsignium wieder herbeizuschaffen. Tim wird darauf als erster Ausländer mit dem syldavischen Pelikanorden ausgezeichnet. Und für die Detektive gibt es zum Schluss beim Aussteigen aus einem Wasserflugzeug ein kühles Bad.
Band 4:
- Die Krabbe mit den goldenen Scheren
- Der geheimnisvolle Stern
- Das Geheimnis der Einhorn
Die Krabbe mit den goldenen Scheren: Hunderttausend Höllenhunde! Da ist er endlich. Der ewig fluchende Kapitän Haddock mit dem exquisiten Schimpfwort-Repertoire erlebt in diesem Album sein Debüt und ist seither aus der Serie nicht mehr wegzudenken. Hand aufs Herz: Wer hat nicht schon mal davon geträumt, seine Gegner als Anthropopitheken und Ikonoklasten zu betiteln?
Haddock ist Kapitän des Frachters Karaboudjan und ahnt nicht, dass sein Schiff vollbeladen mit Opium ist. Die Drogen werden in Dosen versteckt, die vorgeblich Krabbenfleisch enthalten. Das Etikett, das einen Krebs zeigt, ist Namensgeber für diese Folge, beziehungsweise eine goldene Krabbenschere, die der Krabbenfleischhändler als Unternehmenslogo an einer Kette um den Hals trägt. Haddock wird von einem der Schmuggler systematisch mit Alkohol abgefüllt - seine große Schwäche. Als Tim, Struppi und Haddock mit einem Beiboot flüchten, werden sie von einem Wasserflugzeug aus angegriffen, das Meisterschütze Tim aber so geschickt vom Himmel holt, dass nur ein kleiner Draht durchgeschossen ist, den er leicht wieder flicken kann. Die beiden Piloten werden gefangengenommen, und Tim steuert die Maschine nach Spanien. Das heißt: Er versucht es, doch durch einen Navigationsfehler und eine Attacke des wieder betrunkenen Kapitäns geraten sie in die Sahara, wo die Maschine nach einem Angriff abstürzt. Doch schließlich können sich die drei retten und die Bande zur Strecke bringen. Absolut sehenswert, wie der fluchende Kapitän sein Gewehr am Lauf packt und übelste Beleidigungen ausstoßend auf räuberische Berber eindringt, die die beiden überfallen wollten. Seinem Heldenmut tut es ja keinen Abtrag, dass die Berber eigentlich vor einem heranrückenden Soldatentrupp geflüchtet sind. Sehr schön Haddocks Radiovortrag über den Alkohol als schlimmsten Feind des Seemanns - und sein Kollaps, als er versehentlich ein Glas Wasser trinkt.
Der geheimnisvolle Stern: Ein Abenteuer, das am Ende ziemlich abgedreht wirkt. Tim entdeckt bei einem abendliche Spaziergang einen achten Stern im Großen Wagen. Als er bei der Sternwarte nachfragt, erzählen ihm die Astronomen, dass ein Komet auf die Erde zurast, und kündigen den Weltuntergang für den nächsten Morgen an. Allerdings hat sich der betreffende Wissenschaftler wohl um ein paar Meter verrechnet, denn der Komet verfehlt die Erde dann doch. Trotzdem: Es gibt eine bahnbrechende Neuigkeit: Ein Stück des Kometen ist offenbar doch auf die Erde gestürzt und landete im Nordpolarmeer, wo er noch teilweise aus dem Wasser herausragt. Und eine Spektralanalyse ergibt, dass sich auf dem Kometenfragment ein bisher unbekanntes Metall befindet. Der Sternwartenchef ruft eine Expedition ins Leben, an der mehrere internationale Wissenschaftler teilnehmen, außerdem Tim als Berichterstatter und Kapitän Haddock als Kommandant des Forschungsschiffs Aurora. Da ein internationales Geldinstitut sich den Kometen ebenfalls unter den Nagel reißen will, beginnt ein Wettrennen zur Absturzstelle. Wobei das Unternehmen mit harten Bandagen und unsauberen Tricks kämpft. Unter anderem mit einem vorgetäuschten Seenotruf, der die Aurora wertvolle Zeit verlieren lässt. Oder, indem es im Hafen einfach das Auftanken der Aurora verhindert, da die dortige Ölfirma zum Konsortium gehört. Zuletzt entscheidet Tim das Rennen durch einen tollkühnen Stunt: Er lässt sich mit dem Wasserflugzeug der Aurora zum Kometenfragment fliegen, springt mit dem Fallschirm ab und pflanzt die Fahne der Forschungsexpedition auf, etwa 15 Sekunden, bevor das Boot der Konkurrenz anlandet. Was dann passiert, ist, wie gesagt, ziemlich abgedreht. Während Tim auf dem Kometen Wache hält und auf die Aurora wartet, schießen riesige Fliegenpilze aus der Erde. Aus einem weggeworfenem Appelgribsch wird ein riesiger Baum, von dem aus melonengroße Äpfel herunterstürzen, und eine versehentlich mitgebrachte Spinne entwickelt sich zum Riesenmonster. Liegt es möglicherweise an der haluzinogenen Wirkung der Pilze? Am Ende jedenfalls versinkt der Komet im Meer, und Tim kann gerade noch eine Probe des unbekannten Metalls retten.
Das Geheimnis der Einhorn: Eine meiner absoluten Lieblingsfolgen. Tim kauft auf dem Flohmarkt ein altes Schiffsmodell des Seglers "Einhorn", um es Kapitän Haddock zu schenken. Gerade als er es erworben hat, stürzen sich zwei Männer auf ihn und bieten Höchstpreise für das Schiff, vor allem einer von beiden ist sehr penetrant. Doch Tim lässt beide abblitzen. Wenig später stellt sich heraus, dass das Schiff tatsächlich eine Verbindung zu Haddock hat: Sein Vorfahr, der Ritter Haddoque war zur Zeit des Sonnenkönigs Kommandant des Originalschiffs, dem das Modell nachempfunden ist. Als Tims Modell gestohlen wird, beginnt eine fieberhafte Suche - nach nicht einem, sondern nach drei Einhorn-Modellen. Denn Kommandant Haddoque hatte seinerzeit für seine drei Söhne drei Hinweise auf einen versteckten Schatz hinterlassen, verborgen auf drei Zetteln in den jeweiligen Hauptmasten. Nur alle drei Zettel zusammen führen zum Versteck. Herrlich die Szenen, in denen Haddock mit Hut und Säbel seines Vorfahren die Geschichte nacherzählt, die er im Logbuch gelesen hat, und sich dabei mehrfach zwischen Geschichte und gegenwärtiger Realität verirrt. Sehr nett auch die Schul(t)zes mit ihren Strategien gegen Brieftaschenklau. Die Geschichte ist der erste Teil eines Doppelabenteuers und wird im nächsten Band fortgesetzt.
Band 5:
- Der Schatz Rackhams des Roten
- Die sieben Kristallkugeln
- Der Sonnentempel
Der Schatz Rackhams des Roten: Fortsetzung der Geschichte "Das Geheimnis der Einhorn". Tim und Kapitän Haddock machen sich auf die Suche nach der Insel, auf der Haddocks Ahnherr den Schatz des Piraten versteckt hat. Beziehungsweise vor der das gesunkene Piratenschiff liegt, das die Reichtümer womöglich noch an Bord hat. Mit dabei sind nicht nur die Schul(t)zes, die für den Schutz der Expedition verantwortlich sind und vom Kapitän zum Pumpen eingeteilt werden, sondern erstmals auch der geniale und stocktaube Professor Bienlein. Der Mann hat ein Mini-Uboot in Haifischform gebaut und aufgrund seiner Schwerhörigkeit fasst er alle Absagen von Tim und Haddock als Zusagen auf, man wird ihn einfach nicht mehr los. Die Figur ist etwas anstrengend, ich werde Bienlein nie so sehr ins Herz schließen wie Haddock, der auch in diesem Band wieder herrliche Gelegenheiten zu Fluchtiraden und Whisky-Eskapaden hat. Großartig die Szene, als er beim Tauchen einen echten Schatz findet, nämlich die Alkoholvorräte des Piraten Und noch schöner seine Begegnung mit den Inselpapageien, die die Flüche Hadoques über Genrationen hinweg behalten und weitergegeben haben und sich nun mit dem alten Seebären ein Schimpfgefecht liefern. Mit dem Erwerb des alten Guts am Schluss des Albums nimmt eine der interessantesten Wohngemeinschaften der Comicgeschichte ihren Anfang.
Die sieben Kristallkugeln: Erster Band eines Doppelabenteuers. Sieben Forscher entdecken eine Inka-Mumie und nehmen sie mit. Wenig später wird einer nach dem anderen Opfer eines Attentats und fällt in einen tiefen Schlaf, ausgelöst jedesmal durch eine zerbrochene Glaskugel, der eine geheimnisvolle Substanz entströmt. Tim, Kapitän Haddock und die Schul(t)zes versuchen zwar, die Anschläge zu vereiteln, sind aber jedesmal erfolglos. Als letzter ist der Professor noch wach, der die Mumie in seinem Besitz hat. Er ist ein Freund von Professor Bienlein, der Tim und Haddock mit ihm bekannt macht. Tim und seine Freunde erleben eine eindrucksvolle Gewitternacht, in der ein Kugelblitz durch den Kamin ins Wohnzimmer des Professors ins Wohnzimmer hineinfährt und die Mumie in Flammen aufgehen lässt. Es bleibt nur der Schmuck des toten Inkas zurück. Doch auch der wird kurz darauf gestohlen. Tim, Haddock und Bienlein erleben in der Nacht alle denselben Alptraum: Die Inka-Mumie steigt durchs Fenster herein und wirft eine große Glaskugel nach ihnen. In dieser Nacht wird im Zimmer des Professors eine der Gas-Glaskugeln zerbrochen, und er fällt als letzter der sieben Forscher in den Tiefschlaf. Kurz danach wird Bienlein entführt. Er hatte im Garten das Armband des Inka gefunden und sich selbst übergestreift. Die Entführer schaffen ihn auf ein Schiff. Die Spur führt nach Südamerika, Peru ...
Das Abenteuer bietet interessante Wiederbegegnungen mit der Opernsängerin Bianca Castafiore und dem Ex-Staatschef General Alcazar, der sich nach einer Revolution in seinem Land nun als Varieté-Messerwerfer durchschlägt. Vor allem die Traumszenen mit der Kugel werfenden Inka-Mumie und die Szene, in der der Kugelblitz durchs Wohnzimmer rollt, haben mir gut gefallen.
Der Sonnentempel: Tim und Kapitän Haddock wollen das Schiff, mit dem Professor Bienlein entführt wurde, in Callao empfangen. Doch die Entführer schaffen es, den Professor heimlich an Land zu bringen. Er soll als Strafe dafür, dass er sich ein Armband des Inka angeeignet hat, im Sonnentempel hingerichtet werden. Keiner der Indianer vor Ort will irgend etwas zum Verbleib Bienleins verraten, obwohl offenbar alle Bescheid wissen. Erst als Tim einen kleinen Jungen vor pöbelnden Weißen rettet und letztere verprügelt, hat er einen Freund gefunden. Der junge Zorrino führt sie zum Sonnentempel, eine Reise, die durch Urwald, Moor und Sümpfe, über höchste Berge und durch Eiswüsten führt. Durch einen unglücklichen Absturz macht Tim schließlich eine glückliche Entdeckung: Hinter einem Wasserfall beginnt ein Geheimgang zu einer Grabhöhle im Sonnentempel. Beim letzten Wanddurchbruch allerdings platzen die drei genau in eine Versammlung der Indianer und werden gefasst. Sie sollen auf einem Scheiterhaufen verbrannt werden, den der Oberpriester mit einer Lupe in Brand setzt. Da Tim aber so nett zu Zorrino gewesen ist, gewährt der Inkaherrscher ihm die Gnade, selbst Tag und Stunde der Hinrichtung wählen zu dürfen. Da trifft es sich gut, dass Tim in einem Zeitungsschnipsel, in den Haddocks Patronen eingewickelt waren, die Nachricht findet, dass es in 18 Tagen eine totale Sonnenfinsternis geben wird. Er wählt genau diesen Zeitpunkt, und als er, Haddock und der gleichfalls verurteilte Bienlein auf dem Scheiterhaufen stehen, bittet er den mächtigen Sonnengott in einer dramatischen Rede um ein Zeichen, dass er mit dieser Hinrichtung nicht einverstanden sei. Die Indianer sind von der Sonnenfinsternis natürlich schwer beeindruckt. Sie lassen nicht nur die Gefangenen frei, sondern entlassen auch die betäubten und im Schlaf schlimme Schmerzen leidenden sieben Gelehrten aus ihrer Folter. Happy End, alle dürfen heim. Hoffnungslos verlaufen haben sich allerdings die beiden Ermittler Schulze und Schultze, die auf ihrer Suche nach Tim und Bienlein zur Bienleinschen Pendelmethode gegriffen haben ...
Das Abenteuer ist spannend und hat optisch einiges zu bieten, sowohl an der beeindruckenden Landschaft Perus als auch an Inka-Kunst und Architektur. Sehr gut gefallen hat mir der running Gag mit den ewig spuckenden Lamas und dem mehrfach getroffenen Kapitän Haddock, der sich am Ende genial rächt und dem Tier eine Ladung Wasser ins Gesicht spuckt. Ansonsten gab es einige Wiederbegegnungen mit klassischen Western/Abenteuerklischees. Die Höhle hinter dem Wasserfall. Der Absturz Tims mit einem Kondor als Fallschirm hat mich doch sehr an den Jungen Adler aus "Winnetous Erben" erinnert. Die Sonnenfinsternis, mit der schon Columbus die Eingeborenen in der Neuen Welt beeindruckte. Wieso kennen eigentlich ausgerechnet die Sonnensöhne aus dem Inkareich das Datum der Sonnenfinsternis nicht? Zumindest die Maya waren berühmt für ihre astronomischen Kenntnisse, und das Abenteuer spielt in unserer modernen Zeit in einem auch recht modernen Staat. Jeder hört vor einer totalen Sonnenfinsternis schon Wochen vorher, dass es etwas zu beobachten gibt. Bienleins Entführer benutzen Ozeandampfer und Autos, sind in Europa und Amerika aktiv, und plötzlich, als sie sich in rituelle Gewänder werfen und in einem Tempel abhängen, haben sie das Weltbild eines ungebildeten Eingeborenen, der weniger weiß als die Angehörigen der altamerikanischen Hochkulturen? Ich glaub's nicht. Egal, war ein schönes Abenteuer.
Band 6:
- Im Reiche des schwarzen Goldes
Explodierende Autotanks rufen Tim und die Schul(t)zes auf den Plan. Dahinter stecken knallharte wirtschaftliche Interessen und der Versuch, einen Krieg ums Öl anzuzetteln. Tim und die beiden Ermittler schiffen sich auf einem Öltransporter ein und fahren in die Emirate, wo sie jedoch bei der Einreise verhaftet werden. In der Kajüte der Schulzes wird Kokain gefunden, bei Tim ein Dokument, das von Waffenlieferungen an eine Gruppe handelt, die den Emir stürzen will. Letztere entführt Tim aus den Händen der Polizei, da sie ihn für einen Verbündeten hält. Tim kann jedoch flüchten und erhält eine Audienz beim Emir, der über die Öl-Explosionen genau so besorgt ist wie Tim. Noch mehr macht ihm allerdings Sorgen, dass sein Sohn Abdallah verschwunden ist. Der Junge, der den gesamten Palast mit seinen Scherzartikeln malträtiert, ist entführt worden, wie sich herausstellt. Tim bietet seine Hilfe an und hat auch schon einen Verdacht: Denn kurz vor seiner Audienz hat er den aus der Geschichte über die schwarze Insel bekannten Doktor Müller, der sich nun Prof. Smith nennt, im Palast gesehen. Wenig später trifft er einen weiteren alten Bekannten: Der Händler Oliveira da Figueira aus "Die Zigarren des Pharaos" ist Lieferant bei Müller und schleust Tim in dessen Palast ein, wo Tim im Keller tatsächlich den entführten Abdallah entdeckt. Der hat inzwischen Müllers sämtliche Bande mit Niespulver traktiert. Aber auch Tim hat seine Probleme mit dem Früchtchen. Der Junge will einfach nicht mitkommen, ruiniert dadurch Tims Rettungsplan, wodurch Müller die Gelegenheit bekommt, mit Abdallah zu flüchten. Eine Verfolgungsjagd durch die Wüste schließt sich an, wobei Abdallah für beide Seiten einige unangenehme Wendungen herbeiführt. Schließlich verliebt er sich jedoch in den fluchenden Kapitän Haddock, der von dessen Anhänglichkeit jedoch gar nicht begeistert ist. Als Müller ein Röhrchen mit Tabletten verliert, die von den Detektiven als vermeintliches Aspirin eingenommen werden, schließt sich für die Schul(t)zes eine Frisurenkatastrophe an: Die Haare der beiden bekommen einen Riesen-Wachstumsschub, die Detektive verwandeln sich in Zottelmonster, die Rapunzel in den Schatten stellen können, und brauchen in kurzen Abständen mehrere neue Haarschnitte. Erst der geniale Professor Bienlein schafft es, Müllers Pillen zu analysieren und ein Gegenmittel zu entwickeln. Es wirkt sowohl gegen den Haarwuchs aus auch gegen die gleichfalls von den Pillen hervorgerufene Benzinveränderung, damit sind auch die Explosionen passé.
Schönes exotisches Abenteuer, bei dem mir besonders die Fata Morganas gefallen haben und das an Winni den Pu und Robinson Crusoe erinnernde Verfolgen der eigenen Spur in der Wüste, als die Schulzes eine immer breiter werdende, offenbar vielgenutzte Fahrstrecke entdecken. Auch die Scherzartikel Abdallahs - Knallzigarretten, Niespulver, Knallerbsen, Juckpulver, Tintenrevolver - sind nett. Auch wenn man lebhaft nachfühlen kann, wie sehr er die anderen nervt, und sogar mit Müller etwas Mitleid hat.
Maike Stein: Das magische Fundbüro
Edgar Allan Poe: Der Bericht des Arthur Gordon Pym
Jugendabenteuer, absoluter Klassiker, ich habe ihn in der sehr schönen und günstigen Anaconda-Ausgabe gelesen. Arthur Gordon Pym, der Ich-Ezähler, stammt von der Walfänger-Insel Nantucket und ist 16 Jahre alt, als die Lust auf das große Abenteuer überwältigt. Sein Freund August, Sohn des Kapitäns eines Walfängers, hilft ihm, sich im Schiff seines Vaters zu verstecken und als blinder Passagier mit auf große Fahrt zu gehen. Der Plan ist, dass Arthur sich dem Kapitän zu einem Zeitpunkt präsentiert, in dem es zu spät zur Rückkehr ist. Doch während der Junge noch im Versteck sitzt, bricht an Bord eine Meuterei aus. Die Jungen schaffen es, zusammen mit einem der Meuterer, der sich auf ihre Seite schlägt, das Schiff wieder in ihre Gewalt zu bringen. Doch das ist nur der Auftakt zu weiteren Abenteuern, darunter ein Schiffbruch und eine überraschende Rettung, gerade als die vier Überlebenden losen, wer als erster gefressen werden soll. Später geht es an Bord eines Robbenjägers weiter nach Süden. Auf einer antarktischen Insel fallen die Seeleute einem Eingeborenenstamm in die Hände, können nur mit Mühe und Not fliehen, finden schließlich in einer Grotte eine übermenschlich große humanoide Gestalt ... Was als ziemlich realistischer Abenteuerroman begann, entwickelt zum Schluss hin mehr und mehr phantastische Züge und bricht schließlich ab. Poes einziger großer Prosatext, der leider Fragment blieb. Schade, man hätte gern weiter gelesen.
Arne Semsrott: Machtübernahme
Ein Szenario, das gar nicht so utopisch/dystopisch ist: Was, wenn die Nazis in Deutschland die Macht übernehmen? Arne Semsrott zeigt, was jeder an seinem Platz tun kann, um die neuen Machthaber auszubremsen. Das ist sicher hilfreich. Aber es ist blutwenig. Er erklärt, wie Beamte "remonstrieren" können, also gesetzwidrige Aufgaben ablehnen. Er erklärt, wie Bummelstreiks funktionieren und wie man einen Prozess durch das Befolgen jeder aber auch jeder kleinen Vorschrift verlangsamen oder sogar aussetzen kann. Vonseiten der Gewerkschaften wäre auch ein Generalstreik drin. Aber im Ernstfall? Welcher Beamte wagt schon aufzubegehren? Schon in unserer Demokratie sind solche Leute gewöhnlich nicht gerade ein Vorbild an Mut und Entscheidungskraft. Sonst hätten sie wohl auch kaum eine Karriere in der Verwaltung angestrebt. Und dass Polizisten etwas gegen "rechts" haben, kommt auch eher selten vor. (Sorry, ich pflege meine Vorurteile.) Erst recht wird sich kaum ein Beamter querstellen, wenn ihm eine faschistische Obrigkeit Befehle erteilt und er beim Nicht-Gehorchen Gefahr läuft, den Kopf zu verlieren. Wenn es erst zu spät ist, wird es auch keine Gewerkschaft mehr geben, die zum Generalstreik aufrufen kann. Und was hat das Buch für mich als Lokaljournalistin an Ideen zu bieten? Wenn Semsrott von Journalismus schreibt, hat er ausschließlich die "großen" Journalisten der "großen" Medien im Blick, die über die "große" Politik schreiben. Für mich gibt es nur einen einzigen Satz, nämlich den, dass dem Lokaljournalismus eine besondere Bedeutung zukommt. Ja, und was mache ich nun damit? Zähne zusammenbeißen und anständig bleiben, wie bisher, auch ohne Tipps von Herrn Semsrott. Trotzdem, insgesamt ein wichtiges Buch. Selbst, wenn man danach nur die Mechanismen etwas besser versteht und die Nazis noch mehr im Auge hat.
Edith Nesbit: Mannsgroß in Marmor
Waldemar Bonsels: Die Biene Maja und ihre Abenteuer (Hamburger Leseheft)
Die Biene Maja kennt vermutlich jeder durch die Zeichentrickserie, und jeder kann das Titellied mit den tschechischen Kehllauten Karel Gotts mitsingen. Aber wer hat sich schon einmal den Original-Roman von Waldemar Bonsels zu Gemüte geführt? Ich habe das Hamburger Leseheft auf der Leipziger Buchmesse entdeckt und musste einfach zugreifen. Die erschütternde Nachricht ... Haltet euch fest ... Es gibt keinen Willi. Ernsthaft. Die Figur kommt bei Bonsels nicht vor. Ich bin echt total vor den Kopf gestoßen. Ansonsten ist es eine nette, liebenswerte Geschichte einer jungen Honigbiene, die keine Lust auf die Arbeitsdisziplin und das tägliche Einerlei der Großen hat. Sie haut aus dem Stock ab, begegnet unbekannten Tieren wie einem Grashüpfer und einer Spinne, gerät schließlich als Gefangene in ein Hornissennest, wo sie einen heimtückischen Angriffsplan der Hornissen auf das Bienenvolk ausspionieren kann. Maja schafft es zu flüchten, die erreicht den heimischen Stock, warnt die Königin, und durch eine schnell ausgeklügelte Abwehrstrategie können die fiesen Angreifer geschlagen und vertrieben werden. Maja ist die absolute Heldin ihres Volkes und wird entsprechend gefeiert. Das Ganze ist etwas altertümlich formuliert, aber die Geschichte ist nicht schlecht. Nur, dass unser aller Liebling Willi fehlt, das hat mich schon sehr getroffen.
Hans-Martin Gutmann: Iwans Entsetzen
Hörspiel
Kira Kolumna 16: Mutterseelenallein
Im Mittelpunkt dieser Folge steht Jakob, ein Klassenkamerad von Kira, Lars und Nele. Jakob, der sonst immer ein guter Schüler war, schmiert plötzlich völlig ab, erscheint zu spät zum Unterricht, ist unvorbereitet, macht keine Hausaufgaben mehr und setzt sogar Klassenarbeiten in seinem Lieblingsfach in den Sand. Als Kira und ihre Freunde zusammen mit Jakob für ein Projekt eingeteilt werden, versucht Kira, an den verschlossenen Mitschüler heranzukommen. Doch der blockt ab. Erst als sein kleiner Bruder verschwindet und sich die Ereignisse überstürzen, klärt sich die Situation: Die Mutter der beiden ist nach einem schweren Verkehrsunfall im Krankenhaus gelandet und musste danach zur Reha. Auf den schmalen Schultern Jakobs lastet die Verantwortung für den Haushalt und den kleinen Bruder. Ein Plan, der nicht aufgehen kann ... Sehr schöne, emotionale Folge, die sich mit dem Thema "Kinder, die Care-Arbeit leisten müssen", befasst. Für Jakob gibt es dank Kiras Vater ein Happy End, ohne dass das Jugendamt Hand an die Familie legt, was Jakobs größte Angst war. Schließlich kehrt die Mutter geheilt zurück.
Bibi Blocksberg 139: Chaos am Flughafen
Bibi Blocksberg trifft Kira Kolumna. Geht das? Kira, die faktenzentrierte Reporterin, die nichts mit Aberglauben und Geisterbeschwörungen am Hut hat, und Bibi, die kleine Hexe? Es geht, da sich die beiden in der Bibi-Blocksberg-Realität begegnen. In einer Folge innerhalb der Kira-Serie wäre es vielleicht unpassend gewesen.
Kira und Bibi begegnen sich am Flughafen (Frankfurt?). Kira muss nach Madrid umsteigen (die Geschichte spielt wohl vor dem Start der Kira-Serie), Bibi will sich hier mit ihrer Freundin Karla Kolumna treffen, um zusammen in den Urlaub zu fliegen. Karla und Bibi wollten eigentlich zusammen in Neustadt starten, doch Karla wurde aufgehalten durch eine sen-sa-ti-o-nel-le Story. Dem Bürgermeister wurden mehrere exotische, schweineteure Frösche aus seinem Terrarium geklaut. Nun will Karla mit einem späteren Flieger nachkommen und Bibi am Umsteigeflughafen treffen. Diese trifft aber zunächst nur Karlas "Nichte um drei Ecken herum". Bibi und Kira kommen ins Gespräch und sind einander sofort sympathisch. Dabei zeigt sich die welterfahrene Kira als Kennerin des Flugplatzbetriebs und weiß sofort, was zu tun ist, als Bibis Koffer verschwindet. Die Reporterin wundert sich kein bisschen darüber, eine echte Hexe zu treffen, die beiden finden sich gegenseitig sehr spannend und starten ein Doppel-Interview für Kiras Blog, wobei sie sich abwechselnd Fragen stellen. Doch dann ertönt ein seltsamer Gesang: Die geklauten Frösche tauchen am Flugplatz auf. Sie sind dem Dieb, der sie wohl ins Ausland schmuggeln wollte, entkommen. Bibi und Kira gehen auf Frosch- und Verbrecherjagd.
Ein für Bibis Verhältnisse sehr reifes Abenteuer, für Kiras Welt eine sehr abgedrehte Geschichte. Auf jeden Fall eine nette Begegnung.
Kira Kolumna 19: Gerüchteküche
Der neue Referendar, Arne Hauser, hat ganz klar "Crush-Potenzial", finden Kira und ihre Mitschüler. Klar, Kiras Herz ist bereits durch Rapha besetzt. Aber begeistern kann er auch sie: Als er erfährt, dass es in der Schule zwar eine Reporterin gibt, aber keine Schülerzeitung (die alte Crew hat gerade ihren Abschluss gemacht, und die Redaktion ist verwaist), spitzt er sie an, die Sache zu übernehmen. Es gibt noch eine weitere an Journalismus interessierte Mitschülerin: Vicky, die sich allerdings eher als Klatsch- und Sensationsreporterin begreift. Welten prallen aufeinander, als Gossip-Girl Vicky und die seriöse Reporterin Kira aufeinandertreffen. Es kracht mächtig, als Vicky in einem gemeinsam geführten Interview mit Arne Hauser eine Aussage "zuspitzt". Völlig aus dem Ruder läuft die Kommentarfunktion, die Lars für die Schülerzeitungsseite freigeschaltet hat. Zensur im Forum? Sachen stehen lassen, die so einfach nicht gehen? Und dann taucht ein Foto auf, das Kira und Herrn Hauser in einer scheinbar verfänglichen Situation zeigt. Gerede und Gerüchte, Hetze und Häme folgen Kira durch die Schule. Die Reporterin fühlt sich bloßgestellt, gedemütigt, völlig am Boden. Noch nie war Kira in derart zerstört und verzweifelt. Aber in dieser Situation raufen Vicky und Kira sich zusammen. Getreu dem Grundatz: Never fake News. Sie nehmen die Spur des Übeltäters auf und bringen ihn zur Strecke. Schönes Stück über journalistische Ethik und Grundsatzfragen sowie über Diskussionen in Social Media. Probleme, die junge und alte Medienmacher gleichermaßen betreffen. Sehr gut.
© Petra Hartmann

Benutzerdefiniertes Design erstellen












