

Wolf G. Winning: Pretty Nose und der rote Lakotamond
Indianer Lakota Wolf G. Winning Traumfänger
In seinem historischen Roman "Pretty Nose und der rote Lakotamond" erzählt Wolf G. Winning von einer weißen Frau, die von Apachen geraubt wird und wenig später in die Gewalt eines Lakota-Kriegers gerät. Obwohl ihr neuer Besitzer sie ziemlich schlecht behandelt, lässt sie mehrere Chancen ungenutzt verstreichen, zu den Weißen zurückzukehren, und wehrt sich sogar sehr entschieden gegen Versuche eines von ihrem Vater engagierten Jägers, sie zu "retten".
Lizzy-Lou ist frisch verheiratet und mit dem Express-Postwagen unterwegs nach Santa Fé zu ihrem Ehemann. Doch die Kutsche wird von Apachen überfallen, und Lizzy-Lou ist die einzige Überlebende. Sie gehört nun einem Krieger, der bereits eine Frau hat, bleibt jedoch nicht lange in seinem Besitz. Wenig später überfallen Lakota das Lager, eigentlich nur, um sich von den Apachen gestohlene Pferde zurückzuholen, doch die blonde Frau ist ebenfalls eine willkommene Beute. So fällt sie an Wiyaka sapa - Schwarze Feder - der sie ähnlich gewalttätig behandelt wie der namenlose Apache, sie beschläft und sie nach ihrem einzigen Fluchtversuch derart misshandelt, dass ihr die Lust auf einen zweiten gründlich vergeht. Seine Mutter Hinhan Win und Kiksúya Win, eine Frau, die dank ihres weißen Vaters etwas Englisch spricht, sind jedoch freundlich zu ihr, und Lizzy-Lou, die inzwischen den Namen Washichun Winyan, Weiße Frau, erhalten hat, passt sich langsam an das Leben bei den Lakota an, lernt die Sprache zu sprechen und die Arbeiten der Frauen zu verrichten.
Undisziplinierter Büffeljäger
Schwarze Feder ist ein Mensch von ausgesprochen schlechtem Charakter und offenbar auch als Jäger und Krieger nicht unbedingt erste Wahl. Als er aus Jagdfieber oder Ruhmsucht bei der Büffeljagd eigenmächtig losprescht, bevor der Jagdleiter das Zeichen gegeben hat, gefährdet er beinahe den Erfolg der ganzen Jagd und damit das Überleben des Stammes im Winter. Entsprechend hart ist die Reaktion des Stammes: Sein Zelt wird zerstört, seine Waffen und Gerätschaften werden zerbrochen oder verteilt. Einiges hat er retten können, da er sich im Vorfeld der Zerstörung verdrückt hat. Erst nach einiger Zeit wird er wieder in Gnaden aufgenommen. Auch bei einer anderen brenzligen Gelegenheit sucht Schwarze Feder das Weite und rettet sich so. Ferner versäumt er es, Lizzy-Lous Freundin bei einem Blackfeet-Angriff zu schützen und schießt lieber demonstrativ auf einen wesentlich weiter entfernten Feind.
Etwas irritierend ist das Verhalten Lizzy-Lous, die selbst die hundertprozentig sichere Fluchtchance auslässt, als die Stämme sich zum Fort Laramie begeben, wo sie über Frieden mit den Weißen verhandeln sollen. Die Frau hätte sich einfach nur den Soldaten zeigen müssen, und die Blauröcke hätten sie sofort aus dem Lager und aus der Gewalt Wiyaka sapas befreit. Das wäre absolut gefahrlos für sie gewesen. Auch als ein von ihrem Vater geschickter Jäger ihren Aufenthaltsort herausfindet, zusammen mit einem Händler ins Lager kommt, die Männer mit Alkohol abfüllt und sie schließlich bei ihrem Gebieter für eine Flasche Hochprozentiges 24 Stunden lang zur freien Verfügung erhält, wehrt sie sich und will dem Mann nicht folgen. Dessen Versuch, sie später zu entführen, fordert einen hohen Blutzoll.
Schwache Motivation
Warum bleibt sie? Liebe zu ihrem neuen Ehemann, wie in manchen Romanen mit ähnlicher Ausgangslage, ist es definitiv nicht, was sie bei den Lakota hält. Sie entwickelt gegenüber ihrem Besitzer nicht einmal eine Art Stockholm-Syndrom. Sich selbst und einem Interviewer, dem sie später als gealterte Frau ihre Geschichte erzählt, nennt sie immer wieder ihre Freundschaft mit der anderen Frau und ihre Verantwortung gegenüber der alten Mutter von Schwarze Feder. Reicht das tatsächlich als Begründung? Ab und zu erwähnt sie auch, dass sie als von Indianern Verschleppte in der weißen Gesellschaft ohnehin nie wieder akzeptiert werden würde. Nun, zumindest ihr Vater hätte sicher zu ihr gestanden, immerhin hat er sich ihre Rettung sehr viel Geld kosten lassen. Auch ein neuer Wohnsitz in einer fremden Stadt wäre sicher möglich gewesen.
Insgesamt ist die Charakterzeichnung der Hauptfigur alles andere als lebendig zu nennen. Obwohl Lizzy-Lou über weite Strecken des Buchs als Ich-Erzählerin fungiert, wird man als Leser nicht so recht warm mit ihr. Auch die erfahrenen Schmerzen und Grausamkeiten werden mehr aufgezählt als fühlbar gemacht. Von ihren Gefühlen für ihre Freundin und die alte Mutter erfährt man auch nur dadurch, dass die Ich-Erzählerin ständig sagt, dass diese Freundschaft besteht. Anschaulich und erlebbar macht der Autor diese emotionale Bindung nicht.
Ich-Perspektive nicht durchgehalten
Dass Winning die Ich-Perspektive nicht durchgehalten hat, sondern an ein paar Stellen in die Rolle des personalen oder auch des allwissenden Erzählers schlüpft, wirkt gleichfalls sehr ungelenk, da sich hier kein Rhythmus und keine Regelmäßigkeit ergibt. Ab und zu wird man eben als Leser aus der Ich-Erzählung herausgekickt, wobei sich jenseits der Lizzy-Lou-Perspektive aber kein gleichwertiger Erzählstrang ergibt. Mal erfährt man vom Schicksal eines Mannes, der für die Postkutsche Hilfe holen wollte, mal davon, wie der Jäger bei Lizzy-Lous Gatten abblitzt und dann von ihrem Vater den Suchauftrag erhält, mal wird von ein paar Leuten in einem Planwagen erzählt, die zufällig in die Geschichte von Lizzy-Lous Entführung hineingeraten. Das ist handwerklich eher unsauber und trägt nicht gerade zum Lesevergnügen bei.
Ebenfalls unsauber hat bei diesem Buch der Korrekturleser gearbeitet. Die hohe Zahl an Rechtschreibfehlern ist ausgesprochen unschön. Zumal einige davon schon durch ein simples Rechtschreibprogramm gefunden worden wären.
Das Buch ist nicht ganz schlecht und kann durch die Verarbeitung einiger historischer Ereignisse punkten. Auch ist die Handlung nicht ganz uninteressant. Aber ich habe über das Thema "Verschleppte Frau lernt indianische Kultur kennen" schon Besseres gelesen.
Fazit: Historischer Roman mit einer wenig überzeugenden Heldin und recht papierner Motivation. Lesbar, aber nicht gerade überwältigend.
Wolf G. Winning: Pretty Nose und der rote Lakotamond. Historischer Roman. Hohenthann: TraumFänger Verlag, 2024. 334 S., Euro 16,90.
© Petra Hartmann