Friedrich Kroner: Der Kreisel
Bücher - SF Friedrich Kroner Dunkelgestirn
Die Außerirdischen kommen. Nein, es sind keine kleinen grünen Männchen, keine Frogs oder Eroberer vom Mars und auch keine schweren, behaarten, sprechenden Wesen, die aussehen wie eine Kreuzung aus einem Känguruh und einem Erdferkel: In Friedrich Kroners Science-Fiction-Novelle aus dem Jahr 1923 wird die Erde erobert von - Kreiseln! Die Edition Dunkelgestirn hat die Erzählung jetzt in einer kleinen Liebhaber-Auflage erneut herausgebracht und das Buch ist nicht nur aufgrund des Textes etwas Besonderes.
Georg Zenk, der Held dieser Novelle, wacht eines Tages auf, und alles ist anders. Der Student irrt durch die Straßen Berlins, alles ist leer, die Menschen schlafen. Nur einige wenige Personen sind wach, und ob man sich ihnen anvertrauen kann, ist gar nicht so sicher. Nach und nach erfährt Georg, was passiert ist. Ein gewaltiger Kreisel ist mitten in Berlin gelandet. Das außerirdische Wesen entließ später sieben kleinere Kreisel, die so genannten Länderkreisel, aus sich, die sich auf unterschiedliche Staaten verteilten, wo sie insgesamt rund 800 weitere kleine Kreisel freisetzten.
Die Erde dreht sich langsamer
Die Außerirdischen verfolgen mit ihren Drehbewegungen eine konsequente, perfide Strategie: Sie verlangsamen die Erdumdrehung. Mit fatalen Folgen. Schon nähert sich der Mond der Erde, ein Aufschlag scheint nicht mehr abzuwenden. Doch werden es die Menschen überhaupt noch bemerken? Durch die verlangsamte Erdumdrehung - schon dauert ein Tag das siebenhundertfache unserer gewohnten Zeit - verlangsamte sich auch der Biorhythmus der Menschen, sie werden immer müder und müder, und sie schlafen, schlafen, schlafen ...
Absurde Form der Eroberung
Es ist eine herrlich absurde, erfrischend skurrile Form der Eroberung. Zumal die Kreisel es gar nicht erst für erforderlich halten, mit der Menschheit zu kommunizieren. Auch was sie eigentlich auf der Erde wollen, wird nicht gesagt, die Kreisel stellen keine Forderungen. Der alte Wachmann, der vor dem herankreiselnden neuen Herrn schon einmal einen tiefen Bückling macht, wird jedenfalls nicht weiter beachtet. Und die Versuche, in den USA einen der Länderkreisel zu zerstören, scheinen allenfalls eine vage Hoffnung zu bieten.
Kleinod in exquisiter Aufmachung
Kroner hat eine einzigartige, ungewöhnliche Geschichte geschaffen, von der man gar nicht begreifen kann, dass sie so lange vergessen war. Eric Hantsch von der Edition Dunkelgestirn ist es zu verdanken, dass dieses Kleinod nun wieder zugänglich gemacht wurde. Und wie in der Edition gewohnt, ist auch die Gestaltung des Büchleins wieder einfach nur zum Niederknien. Ein geschmackvolles schmales Hardcoverbüchlein mit farbigem Umschlag, mit Cover-Prägung und Lesebändchen, mit unsentimental-spacigen Illustrationen von Jörg Neidhardt, mit Unterschriften des Herausgebers und des Illustrators. Als Beigabe ist die Geschichte "Wir kaufen uns einen Roboter". die trotz ihres Alters - sie erschien 1932 - erschreckend aktuell wirkt. Es geht um Roboter, die, von den Erbauern und Kunden ungewollt - Emotionen und einen eigenen Charakter entwickeln. Hinzu kommt ein Nachwort von Eric Hantsch, der den Leser über Kroner, sein Werk und seine Zeit aufklärt. Sehr erhellend und außerordentlich lesenswert.
Fazit: Ein spannender, wieder entdeckter Text, neu präsentiert in einer außerordentlich ansprechenden Ausgabe. Wunderbar.
Friedrich Kroner: Der Kreisel. Hrsg. v. Eric Hantsch, illustriert von Jörg Neidhardt. Edition Dunkelgestirn, 2025. 129 S., Euro 16.

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