Curt Bloch: Das Unterwasser-Cabaret
Lyrik Curt Bloch
Mit frechen Versen gegen Hitler, Goebbels und Göring, gegen Nazigrößen, Stalin und niederländische Kollaborateure: Drei Jahre lang versteckte sich der deutsche Jude Curt Bloch in den Niederlanden vor den Nazis, untergetaucht, aber nicht zum Schweigen gebracht. In seinem wöchentlich erscheinenden, selbst gebastelten Magazin "Das Unterwasser-Cabaret" schuf er eine Untergrund-Postille der ganz eigenen Art. Nun ist in der Reihe "Die Andere Bibliothek" eine Sammlung der "Unterwasser"-Verse Blochs erschienen. Ein beeindruckendes Zeitdokument, vorbildlich editiert, ein Buch, das beim Lesen gleichzeitig Spaß macht und traurig stimmt.
Bloch nannte sein Magazin "Das Unterwasser-Cabaret", auf Niederländisch "Het Onderwater-Cabaret", abgekürzt "OWC". Unterwasser, denn er war buchstäblich "untergetaucht". Schon die Titelbilder, die Bloch seinen Heften voranstellte, zeugen von Witz und Pragmatismus. Der Autor gestaltete sie mit dem wenigen, was ihm zur Verfügung stand, bastelte Collagen aus Illustrierten-Fotos und auch aus Nazi-Propaganda-Material. So schuf er "ausgerechnet aus Nazipropaganda ein zeitloses Kunstwerk des Widerstands", beschreibt der Klappentext das Werk. Verkleinert abgedruckt sind alle OWC-Titelbilder, erschienen in der Zeit vom 22. August 1943 bis zum 3. April 1945, einige sind auch ganzseitig im Buch zu finden. Das letzte Heft schließlich trägt nicht mehr den Titel OWC, sondern nennt sich triumphierend "Bovenwater-Finale van het OWC", das Überwasser-Finale des Unterwasser-Cabarets. Es zeigt einen Mann, der aus einem Schacht auftaucht, und enthält Gedichte mit Titeln wie "Befreit!", "Freiheit" und "Sprich mir niemals mehr vom Kriege!"
Gedichte in drei Sprachen
Bloch schreibt und dichtet in Deutsch und Niederländisch. Im letzten Heft ist auch ein englischsprachiges Gedicht enthalten, das die alliierten Streitkräfte begrüßt. In der deutschen Übersetzung von René Strien klingt das so:
Wir warteten fünf Jahre lang,
Für viele war's der Untergang,
Ach, alliierte Heere,
Und doch ist heute Glück das Wort,
Die Hunnen fort, die Hunnen fort,
Mit Wagen, Krad und Mähre."
Gereimte Chronik der Weltereignisse
96 Ausgaben des Unterwasser-Cabarets stellte Bloch in seiner Zeit im Versteck her. Eine gereimte Chronik der Weltereignisse aus niederländischer Sicht. Mal mit beißendem Spott, mal mit dem fröhlichen Galgenhumor eines Untergetauchten, der sich bewusst ist, dass ihm bei Entdeckung der Tod droht. Hoffnung schöpft er etwa aus den Geräuschen der Flugzeuge über sich, die in Berlin für Panik sorgen. So heißt es im "Propellerlied":
Lässt mich das Elend oft verstummen
Und schickt mir düst're Phantasien,
Hör ich dann mit Motorenbrummen
Die R.A.F. nach Deutschland zieh'n.
Dorthin wird ihre Fracht getragen,
Nach Hamburg und ins Ruhrgebiet,
Das mindert Leiden und Verzagen,
Ich summ dann das Propellerlied.
Bloch kannte aber auch Verzweiflung und Depression, schreibt über Angst und Aussichtlsosigkeit, und vielleicht, sehr sicher sogar, ist es das regelmäßige, disziplinierte Schreiben von gereimten Kommentaren zu den Ereignissen, das ihn stabilisierte und psychisch gesund erhielt. Der Autor schreibt für einen kleinen Kreis, in dem seine Hefte zirkulieren. Doch ähnlich wie die ebenfalls in den Niederlanden untergetauchte Anne Frank denkt auch er schon ziemlich früh daran, diese Aufzeichnungen aus der Zeit im Versteck später einmal zu veröffentlichen. Bereits am 30. August 1943, in der zweiten Ausgabe des OWC, entwirft er die Vision einer "Galavorstellung des OWC", in der es heißt:
Und ist der Krieg erstmal vorbei
Und die Laternen brennen,
Wird man das OW-Cabaret
Am Festland sehen können.
Das OWC organisiert
Die Abschieds-Festaufführung
Mit einem Prachtprogramm, erfüllt
Von Freude und von Rührung.
Ein Finale, das noch zwei Jahre auf sich warten lassen wird. Doch Bloch hat schon sehr genaue Vorstellungen von seinem Finale, nach dem er vor den Vorhang treten und sich verbeugen kann:
Als Dank für Freiheit und für Recht,
Das Grauen hat ein Ende,
Die Ehrengäste stehen auf
und heben ihre Hände,
Dann sage ich: Das Spiel ist aus,
Ich hoffe, Sie verstehen,
Doch mein Programm sei Ihr Programm,
So soll es weitergehen.
Oft wendet sich Bloch direkt an seine Leser, auch an die deutschen, die seine Verse erst sehr viel später zu lesen bekommen. So kommentiert es die Propaganda von Goebbels (den er konsequent mit ö schreibt) im Gedicht "Der Weg zur Wahrheit" folgendermaßen:
Mein liebes deutsches Publikum
Du willst die Wahrheit wissen,
Du merkst, Herr Göbbels hält dich dumm,
Du wirst von ihm be...trogen.
Sein Ratschlag an die Deutschen zur Wahrheitsfindung lautet:
Erkennt in ihm den Lügentropf,
Kommt endlich doch zur Klarheit,
Stellt Doktor Göbbels auf den Kopf,
Dann findet ihr die Wahrheit.
Gebrauchslyrik in Knittelversen
Es ist nicht unbedingt ganz große, nobelpreisverdächtige Lyrik, die Bloch hier Woche für Woche zu Papier bringt. Er produziert gute, alltagstaugliche Gebrauchslyrik, schnell und leicht geschriebene Knittelverse, oft in Kreuzreimen, häufig auch in vierzeiligen Strophen, in denen sich nur die geraden Verse reimen, selten gibt es reimlose Gedichte. Das Versamaß sitzt, kaum einmal tanzt eine Silbe aus der Reihe. Blochs Lyrik gewinnt ihre Kraft aus ihrer Authentizität, aus der Erzählsituation heraus und aus seiner Rolle als dichtender Chronist der letzten Kriegsjahre.
Im Nachlass entdeckt
Bloch wanderte nach Kriegsende in die USA aus. Die drei Jahrgänge des OWC nahm er mit, doch veröffentlicht hat er selbst die Gedichte nicht. Eine Karriere als Lyriker oder überhaupt als Schriftsteller blieb ihm versagt. Erst seine Enkelin, die in seinem Nachlass die Hefte fand, wurde neugierig, kümmerte sich um eine Ausstellung und suchte Wege für eine Veröffentlichung.
Nun hat das OWC seinen Platz in der Anderen Bibliothek gefunden. Und wer die Reihe kennt, wird sich nicht wundern, dass es ein besonders schönes, hervorragend ausgestattetes Buch geworden ist. Der Band enthält farbige Abbildungen sämtlicher Titelseiten und eine große Auswahl der Gedichte (leider nicht alle), er bietet Informationen zu Leben und Werk Blochs und eine Einordnung des Magazins. So entstand eine gediegene, werthaltige Publikation, die des OWC würdig ist. Schade, dass es der Verfasser nicht mehr erleben konnte.
Fazit: Beeindruckende Sammlung von Gedichten und Collagen aus dem niederländischen Untergrund. Zeitzeugnisse zwischen beißendem Spott, Melancholie, Hoffnung und Durchhaltewillen. Unbedingt lesenswert.
Curt Bloch: Das Unterwasser-Cabaret. 1943 - 1945. Hrsg. v. Aubrey Pomerance, Jüdisches Museum Berlin. Die Andere Bibliothek, Band 483. Berlin: Aufbau, 2025. 369 S., Euro 28.
Hinweis: Das komplette OWC und mehr Infos zum Verfasser sowie eingesprochene Gedichte gibt es auf der Seite Curt Bloch - Het OWC. Lesens und hörenswert.
© Petra Hartmann

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