Michael Stoffers: Die vergessene Destille von Helgoland
Helgoland Michael Stoffers
Was hat es mit der verlorenen Destille von Helgoland auf sich? Michael Stoffers, der sich schon mehrfach mit Romanen vom roten Felsen hervorgetan hat, legt nun einen Kurzgeschichtenband vor. Vier Geschichten erzählen besondere Abenteuer auf der Nordseeinsel, und zwei davon handeln von einer Whisky-Brennerei, die ein so hervorragendes Getränk brennt, dass man am liebsten sofort alles stehen und liegen lassen und sich zu einem Whisky-Tasting auf Helgoland anmelden möchte.
Mark Struppke ist Whisky-Fachmann und stellt auf seinen Veranstaltungen Kennern, aber auch Anfängern, interessante Whisky-Sorten vor. Sachkundig und humorvoll erzählt er von den Besonderheiten des jeweiligen Produkts, er kennt die Geschichten und Eigenheiten der Brennereien und hat einen feinen Gaumen und einen hochentwickelten Geschmackssinn. Kann diesen Mann noch etwas überraschen? Ja, das geht. Als der Whisky-Sommelier nach einem seiner Tasting-Abende vom Wirt ein geheimnisvolles Fläschchen aus einer Helgoländer Destille geschenkt bekommt, erwartet ihn ein Geschmackserlebnis, das es in sich hat.
Intensive Whisky-Verkostung
Intensiv und mit Leidenschaft für das edle Getränk schildert Autor Michael Stoffers den esten Kontakt seines Helden mit dem "Creag Deargh #2, 52%". Eine Szene, die auch nicht Whisky-Liebhaber unter den Lesern zum Lechzen nach dem sonnenuntergangsfarbenen Stoff bringt:
"Er goss den Whisky ein und wärmte ihn einen Augenblick mit den Händen. Vorsichtig schwenkte er die goldene Flüssigkeit, hob das Glas an und beobachtete, wie sich das Licht darin brach. Ein angenehmer Farbton entstand, warm, wie ein Hauch Sonnenuntergang.
Mark sog vorsichtig den Duft ein, ging in seinem Kopf die Aromen durch, schnupperte noch einmal und nahm dann einen ersten Schluck.
Der Geschmack des Whiskys war genauso warm wie seine Farbe. Er war kräftig, hatte Ecken und Kanten, fast schon etwas Ungezügeltes. Und er schmeckte nach Meer! Auch wenn Mark nicht gewusst hätte, wo der Whisky herkam - eine Insel wäre sein erster Tipp gewesen. Im Wasser musste eine Spur Salz zurückgeblieben sein, ein letzter Hauch. Er nahm einen weiteren Schluck.
Da war noch etwas anderes. Etwas, das Mark schon lange nicht mehr bei einem Whisky wahrgenommen hatte, zumindest nicht in diesem Ausmaß.
Leidenschaft!"
Doch alle Fragen in der Szene und alle Internet-Recherchen laufen ins Leere: Über die geheimnisvolle Helgoländer Destille lässt sich nichts herausfinden. So nimmt Mark die Fähre und macht sich auf dem roten Felsen auf die Spurensuche. Nach und nach erfährt er die traurige Geschichte über einen leidenschaftlichen Whisky-Brenner und einen missgünstigen Nachbarn - und vom Überleben der nicht zu erstickenden Leidenschaft für den ganz besonderen Brand.
Untergang und Wiederauferstehung einer Destille
Zwei Geschichten im Buch handeln vom Schicksal der besonderen Helgoländer Destille - eine von ihrer Zerstörung, bevor sie sich überhaupt etablieren konnte, eine von ihrer Neugründung mit einem ganz besonderen Ehrengast. Und auch die anderen beiden Erzählungen in dem Buch haben es in sich. Stoffers verfasst eine vorgebliche Kriminalstory über zwei Undercover-Ermittler unterschiedlichen Geschlechts, die von ihrem Chef auf einen Mann angesetzt werden, der im Internet nach verdächtigen Dingen gesucht hat. Der Polizist und die Polizistin beschatten den Verdächtigen so unauffällig, wie man das auf einer kleinen Insel eben tun kann. Dass sie dabei viel von der Natur und Geschichte Helgolands mitbekommen, viel an insulanischer Lebensqualität erfahren und sich dabei auch noch ineinander verlieben bringt die Ermittlungen tatsächlich zu einem "erfolgreichen Abschluss", obwohl die Zielperson - Überraschung - tatsächlich vollkommen unschuldig ist.
Rebellion auf der Regatta
Die vierte Geschichte im Bande ist eine Liebeserklärung an Wind und Wellen und eine Hymne an die Rebellion gegen Erfolgsdruck und Tyrannei. Erzählt wird die Geschichte eines Jungen, der zusammen mit seiner Familie Urlaub auf der Insel macht. Aber der Vater will nichts von Inselrundfahrten und Natur wissen, sondern seine Söhne zu echten Siegertypen machen. Leon wird schikaniert, von Vater und Bruder gehänselt und kleingehalten und zu Sportwettbewerben gezwungen, bei denen er natürlich verliert. Doch dann meldet der Vater seine Söhne zu einer Segelregatta an - und Leon trifft eine folgenreiche Entscheidung.
Michael Stoffers ist ein Erzähler, der es schafft, sich mit jedem neuen Buch zu steigern. Was er hier in der "kleinen Form" vorlegt, sind mehr als nette Fingerübungen eines Romanautors, der zwischendurch einmal ein paar Kurzgeschichten produziert. Es ist ein Erzählband, der Freiheit, Meeresluft und Whisky-Aroma atmet und den Leser mitnimmt auf die Reise an einen ganz besonderen Ort. Ein kleines Stück roter Felsen im salzigen Meer, ein Buch wie ein Nordsee-Urlaub und nicht nur für Helgoland-Fans ein wunderbares Leseabenteuer. Sehr schön.
Fazit: Vier Helgoland-Geschichten, die größer sind, als es die kleine Form vermuten lässt. Eine Hommage an Meeresluft und Whiskyduft, die auch ohne Besuch beim Whisky-Tasting berauscht. Unbedingt empfehlenswert.
Michael Stoffers: Die vergessene Destille von Helgoland. Innentitel: Die verlorene Destille ... und andere Helgoland-Geschichten. Norderstedt: Books on Demand, 2024. 269 S., Euro 12,90.
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