42 Verbeugungen vor Hansrudi Wäscher
Comics Hansrudi Wäscher
Sigurd mit der „Halbstarken-Locke“, Nick der Weltraumfahrer, Akim und Tibor, die deutsche Antwort auf Tarzan - wer kennt sie nicht, die Helden des berühmtesten deutschen Comiczeichners nach Wilhelm Busch? 42 seiner Kollegen haben jetzt dem Altmeister aus Hannover ihre Reverenz erwiesen: Sie legten ein Album vor, in dem jeder von ihnen seine persönliche Sicht auf Hethkes Figuren zeigt oder in Bildern von seinen Jugenderinnerungen an die in den 60er Jahren von Eltern und Behörden als „Schundliteratur“ bekämpften Hefte und „Picolos“ berichtet. Das in der Edition 52 erschienene Album entstand anlässlich der Verleihung des Comicpreises „PENG!“, den Wäscher auf dem Münchner Comicfestival 2009 für sein Lebenswerk erhielt, und war zugleich der Katalog der dem Zeichner gewidmeten Ausstellung „Pionier der Comics“.
Nick der Weltraumfahrer mit gezogener Laserwaffe
Die Künstler schufen zum Teil großartige ganzseitige Heroen-Poster, wie zum Beispiel Torsten Wolber, der einen mit gezogener Laserwaffe über einen fremden Planeten hastenden Weltraumfahrer Nick beisteuerte, oder Timo Würz, von dem sogar ein doppelseitiges in warmen Rottönen gehaltenes Schlachtgemälde enthalten ist, das die Herzen alter Sigurd-Fans höher schlagen lässt. Viele Zeichner ließen Wäscher auf seine Helden treffen, versetzten den Schreibtisch ihres Idols in die Ritterzeit oder projizierten sein Konterfei in Nicks Weltraumhelm.
Persönliche Erinnerungen an die Zeit der "Picolos"
Es gibt aber auch sehr persönliche Erinnerungen an die Jugendzeit, die bei vielen der Beiträger mit den schmalen Comicstreifen der „Picolos“ begann. So sieht man auf dem in düsteren Schwarzweißtönen gehaltenen Kunstwerk von Chris Scheuert einen bebrillten Jungen mit Wuschelfrisur, der mit großen Augen das bunte Tibor-Abenteuer „Das Grauen im Nacken“ verschlingt. So vertieft ist der kleine Comicfan, dass er gar nicht bemerkt, welches Grauen sich in seinem eigenen Nacken zusammenbraut: Denn hier steht bereits der Vater mit verschränkten Armen und geballter Faust. Der mühsam unterdrückte Zorn, der in ihm kocht, ist dem Mann ins Gesicht geschrieben ...
"Schundhefte!" - Hausverbot für Sigurd
Da erinnert sich Gerhard Förster, der auch die Einleitung schrieb, in einer Bildergeschichte an seine Kindheit und an die Hetze gegen Comics, montiert Überschriften wie „Durch Schund zum Verbrecher“ oder „Die unterwertige Lektüre“ hinein und erzählt davon, wie Sigurd von seiner Mutter Hausverbot bekam. Doch der gewitzte Schlingel bricht schließlich den Widerstand seiner Erziehungsberechtigten mit dem Versprechen: „Schau, Mama, ich kauf' mir den 'Sigurd' nur, bis die Geschichte fertig ist“ - wohl wissend, dass Wäscher als Meister des Cliffhangers die Geschichte niemals enden lassen wird. Denn jede Ausgabe endete damit, dass der Held einer furchtbaren Bedrohung gegenüberstand. Fortsetzung folgt.
Flash Gordon begeisterte Hansrudi Wäscher
Wäscher, der 1928 in St. Gallen das Licht der Welt erblickte, lernte Comics im italienischen Lugano kennen. Besonders die Abenteuer von Flash Gordon, die dort als bunte „Fumetti“ verkauft wurden, faszinierten den Jungen. Später übersiedelte die Familie nach Hannover, wo Wäscher seit 1940 lebte. Dort entdeckte der gelernte Plakatmaler und Grafiker am Kiosk die ersten Picolo-Heftchen des hannoverschen Verlegers Walter Lehning. Er stellte sich dort vor, wurde sofort engagiert und startete 1953 mit Sigurd seine erste Erfolgsserie.
Dschungelheld Akim wird von Tibor abgelöst
Zwei Jahr später übernahm der Verlag die italienische Serie um den Dschungelhelden Akim, die ebenfalls Wäscher übertragen wurde. Als es 1959 Rechtsstreitigkeiten gab, wurde Tibor, der Sohn des Dschungels, geboren - eine Serie, für die zum Teil alte Akim-Abenteuer recycelt wurden: Der bis dahin gelbe Leopardenfellschurz des Protagonisten wurde einfach schwarz gefärbt.
Mit Nick zu den Sternen
Bereits ein Jahr zuvor - 1958 - hatte Wäscher den Griff nach den Sternen gewagt: Der sowjetische „Sputnik“ war damals in aller Munde. Aus Sputnik entstand der Name „Nick“: Nick, der Weltraumfahrer, brach auf ins Universum und erlebte fantastische Abenteuer in Raum und Zeit. Eine zweite Ritter-Reihe startete im Jahr 1960: Falk, wie Sigurd ein blonder Hüne in rotem Wams nur mit etwas zahmerer Frisur, sollte eigentlich den Nibelungenhelden ablösen. Doch die jungen Leser wollten auf den Helden mit der von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften geschmähten „Halbstarken-Tolle“ nicht verzichten. So hatte Wäscher schließlich „beide am Hals“, wie er sich ausdrückte.
Von Lehning zu Hethke
Nach dem Ende des Lehning-Verlags (die Konkurrenz durch die Bastei-Titel wie „Bessy“ wurde erdrückend) arbeitete Wäscher für die Verlage Kölling und Bastei, zeichnete „Nizar, der Tiger-Boy“, „Buffalo Bill“ und „Gespenster Geschichten“. In den 80ern erlebten seine Helden eine Wiederauferstehung in den Alben des Norbert Hethke Verlags, der Sigurd, Nick, Falk und Akim in Alben wieder auflegte. Aber Wäscher lieferte auch neue Abenteuer seiner Helden und legte die neue Serie „Fenrir“ vor. Mit dem Tod des Verlegers im Jahr 2007 endete die Zeit der Hethke-Alben.
Produktivster deutscher Comiczeichner
Wäscher hat in seiner über fünf Jahrzehnte währenden Schaffenszeit ein umfangreiches Oeuvre veröffentlicht. 1993 wurde er als produktivster deutscher Comiczeichner ins Guinness-Buch der Rekorde aufgenommen. Dass die einst als Schund verschrienen Abenteuer inzwischen als Klassiker gelten, dass er selbst mit Preisen wie jetzt dem „Peng!“ für sein Lebenswerk ausgezeichnet wurde, erfüllte offenbar nicht nur seine Fans, sondern auch seine Kollegen mit großer Befriedigung. So ist das Album „Pionier der Comics“ ein sehr persönliches Buch geworden, in dem jeder der beteiligten Zeichner sich auf seine ureigenste Art vor dem Meister verneigt.
Wäscher - Pionier der Comics. Eine Hommage an Hansrudi Wäscher. Katalog zur gleichnamigen Ausstellung auf dem Münchner Comicfestival 2009. Edition 52. Album, 65 Seiten. Euro 13.
© Petra Hartmann