"Darthula" im Endspurt
Darthula Ossian
Zur Einstimmung auf meinen Darthula-Roman, der in den nächsten Tagen erscheinen soll: Lesestoff zu Darthula, Ossian und Schriftstellersorgen ...
"Daughter of heaven, fair art thou ..." - so schrieb es der gute Ossian, bzw. sein Ghostwriter Macpherson. Das altertümelde Kleinepos, das Grundlage meines Darthula-Romans ist, entpuppte sich als ganz schön verzwickt. Vor allem durch die ständigen Rückblenden ist der Handlungsbogen ziemlich verschachtelt. Das mag damals unheimlich modern gewesen sein. Aber ein Buch, das mir heute permanent mit langen erzählenden Einschüben zur Vorgeschichte der Helden den Lesefluss stört, lässt mich meist an den Fähigkeiten des Autors zweifeln. Mir war ziemlich schnell klar, dass ich die Struktur entwirren und mich lieber an einen einzigen, linearen Erzählfaden halten sollte. Wie kann es denn auch sein, dass Darthula und Nathos nach endlos langer Überfahrt an einer fremden Küste stranden, und plötzlich fühlt sich die Heldin bemüßigt, ihrem Geliebten zu erklären, wieso er sie überhaupt retten und per Schiff entführen musste? Nach dem ersten Teil meiner Übersetzung hier nun also ...
Darthula II
Er ging. Sie saß allein. Sie hörte das Rollen der Wellen. Eine Träne im Auge, späht sie nach dem rückkehrenden Nathos. Ihre Seele bebt im Wind. Sie wendet ihr Ohr seinen Tritten zu. Seine Tritte sind nicht zu hören. „Wo bist Du, Sohn meiner Liebe! Das Brüllen des Windes umgibt mich. Dunkel ist die wolkenverhangene Nacht. Aber Nathos kehrt nicht zurück. Was hält Dich auf, König von Etha? Trafen Feinde den Helden auf seinem Weg durch die Nacht?“
Er kehrte zurück. Doch seine Miene war dunkel. Er sah seinen dahingegangenen Freund. Es war die Mauer Turas. Einsam wandelte dort der Geist Cuthullins. Das Seufzen seiner Brust verstummte nicht. Die erloschene Flamme seiner Augen war Schrecklich. Sein Speer war eine Säule aus Nebel. Sterne blickten trüb durch seine Gestalt. Seine Stimme klang hohl wie Wind in Felsenhöhlen, sein Auge war wie ein schwaches Licht aus der Ferne. Er erzählte von seiner Begegnung voll Kummer. Die Seele Nathos war traurig wie die Sonne an einem Nebeltag, wenn ihr Antlitz wässrig und trübe blickt. „Warum bist Du traurig, o Nathos“, sagte die liebliche Tochter Collas. „Du bist wie ein Pfeiler aus Licht für Darthula. Die Freude ihrer Augen ist Ethas König. Wo ist ein Freund für mich, wenn nicht Nathos? Mein Vater, mein Bruder ist gefallen. Schweigen wohnt in Selama. Traurigkeit breitet sich aus über die blauen Ströme meines Landes. Meine Freunde sind gefallen mit Cormac. Die Mächtigen wurden erschlagen in den Schlachten Erins. Höre, Sohn Usnoths! Höre, o Nathos, die Geschichte meines Kummers:
„Der Abend lag dunkel auf der Ebene. Die blauen Ströme wichen vor meinen Augen. Windstöße, auf- und abschwellend, fuhren rauschend durch die Wipfel der Wälder Selamas. Mein Sitz war unter einem Baum auf den Wällen meines Vaters. Truthils Bild zog an meiner Seele vorbei, der Bruder meiner Liebe. Abwesend war er, im Kampf gegen den stolzen Cairbar. Auf seinen Speer gestützt nahte sich mir der grauhaarige Colla. Sein Antlitz war betrübt und dunkel, und Trauer wohnte in seiner Seele. Sein Schwert hing an der Seite des Helden, der Helm seines Vaters saß auf seinem Haupte. In seiner Brust wuchs ein Kampf an. Er suchte, seine Tränen zu verbergen. 'Darthula, meine Tochter', sprach er, 'du bist die letzte von Collas Stamm. Truthil ist im Kampf gefallen. Der König von Selama ist nicht mehr. Cairbar kommt, mit tausend Männern rückt er vor zu Selamas Mauern. Colla wird seinem Stolz begegnen und seinen Sohn rächen. Aber wo soll ich für Dich Schutz finden, Darthula mit dunklem, braunen Haar? Lieblich bist Du wie ein Sonnenstrahl vom Himmel, und Deine Freunde sind schwach.'
'Ist der Sohn im Kampf gefallen?' brach ein Seufzer aus mir hervor. 'Leuchtet die große Seele nicht mehr über das Schlachtfeld? Mein Schutz, Colla, liegt in diesem Bogen. Ich habe gelernt, wilde Tiere zu treffen. Ist nicht Cairbar wie ein Hirsch in der Wüste, Vater des gefallenen Truthil?'
Das alte Gesicht hellte sich auf vor Freude. Die Tränenfülle seiner Augen strömte herab. Die Lippen Collas zitterten. Sein grauer Bart wehte im Wind. 'Du bist die Schwester Truthils', sprach er, 'in Dir brennt das gleiche Feuer wie in seiner Seele. Nimm, Darthula, nimm diesen Speer, diesen ehernen Schild, den polierten Helm. Sie sind die Beute eines Kriegers, eines Sohns der frühen Jugend. Wenn die Sonne heraufzieht über Selama, ziehen wir aus, den wagengetragenen Cairbar zu treffen. Doch bleib nahe dem Arm Collas, im Schatten meines Schildes. Dein Vater, Darthula, konnte dich einst schützen, doch nun zittert das Alter in seiner Hand. Die Kraft seines Arms ist gewichen. Seine Seele ist verdunkelt von Kummer.'
Wir verbrachten die Nacht in Sorge. Das Morgenlicht erschien. Ich erschien, gerüstet zur Schlacht. Vor mir schritt der grauhaarige Held. Die Söhne Selamas scharten sich um den tönenden Schild Collas. Aber nur noch wenige waren sie auf der Ebene, und ihre Locken waren grau. Die Jugend war gefallen mit Truthil im Kampf des wagengetragenen Cormac. 'Freunde meiner Jugend', sprach Colla, 'so saht Ihr mich noch nie in Waffen. So zog ich nicht aus zur Schlacht, als der große Confaden fiel. Doch Ihr seid bedrückt von Kummer. Die Dunkelheit des Alters kommt heran wie der Nebel der Wüste. Mein Schild ist schadhaft geworden im Laufe der Jahre. Mein Schwert hing als Schmuck an der Wand. Ich sprach zu meiner Seele: Dein Lebensabend soll ruhig sein, Dein Scheiden wie das Sinken der Sonne. Doch der Sturm kehrte zurück. Ich bog mich wie eine alte Eiche. Meine Äste fielen nieder auf Selama. Ich zitterte an meinem Ort. Wo bist Du mit Deinen gefallenen Helden, o mein geliebter Truthil? Du antwortest nicht aus den rauschenden Stürmen. Die Seele Deines Vaters ist traurig. Doch ich will nun nicht mehr traurig sein. Cairbar oder Colla, einer muß fallen. Ich fühle die Kraft des Armes zurückkehren. Mein Herz schlägt zum Kampfgetöse.'
Der Held zog sein Schwert. Die schimmernden Klingen seines Volkes hoben sich. Sie zogen hinaus aufs Feld. Ihr graues Haar wehte im Wind. Cairbar saß beim Festmahl in der stillen Ebene Lonas. Er sah die Helden heranstürmen. Er rief seine Heerführer. Was soll ich Nathos erzählen, wie die Schlacht anwuchs? Ich sah Dich inmitten Tausender wie den Strahl des Himmelsfeuers. Es ist schön, doch schrecklich. Der Speer Collas flog. Er gedachte der Schlachten seiner Jugend. Ein Pfeil flog sirrend heran. Er bohrte sich in die Flanke des Helden. Er stürzte auf den widerhallenden Schild. Furcht ergriff meine Seele. Ich schirmte ihn mit meinem Schild. Doch meine Brust hob sich und wurde gesehen. Cairbar kam mit dem Speer. Er erkannte das Mädchen von Selama. Freude breitete sich aus über sein dunkles, braunes Gesicht. Er hielt den erhobenen Speer zurück. Er errichtete ein Grabmal für Colla. Er brachte mich Weinende nach Selama. Er sprach von Liebe, doch meine Seele war traurig. Ich sah die Schilde meiner Väter, das Schwert meines Bruders Truthil. Ich sah die Waffen der Toten. Tränen rannen meine Wangen hinab. Dann kamst Du, o Nathos, und der düstere Cairbar floh. Er floh wie ein Geist aus der Wüste vor dem Morgenlicht. Sein Heer war fern, und schwach war sein Arm gegen Deinen Stahl. Was bist Du traurig, o Nathos?“ fragte Collas liebliche Tochter.
© Petra Hartmann