Das Cover zum "Darthula"-Roman habe ich noch nicht gesehen, aber seit heute ist auf der Homepage des Arcanum-Verlags der Roman "Weißblatt" zu finden, der ja gewissermaßen der "Pilot" zur Reihe "Weltenwanderer" ist, in der auch mein Kurzroman erscheint. Wenn das Bild eine Prognose ist, dann bin ich ganz zufrieden.
Für die Freunde traurig-schöner Tode hier das Finale des ossianischen Kleinepos, am besten lest ihr es beim Licht des fast vollen Mondes und legt euch eine Schallplatte mit Buckelwalgesängen dazu auf.
(Zum Zurückblättern: Teil I, Teil II, Teil III)
Darthula IV
„Ja, der Feind ist nahe“, sprach Althos voll rauschender Kraft. „Ich hörte das Schlagen ihrer Waffen an der Küste. Ich sah die dunklen Kränze von Erins Feldzeichen. Die Stimme Cairbars ist leicht zu erkennen, laut wie der Wasserfall Cromlas. Er sah das schwarze Schiff auf dem Meer, bevor die Nacht herabsank. Seine Männer halten Wacht auf Lenas Ebene. Sie erheben zehntausend Schwerter.“
„Laß sie doch zehntausend Schwerter heben“, sprach Nathos lächelnd. „Die Söhne des wagengetragenen Usnoth werden niemals zittern in Gefahr. Was wirfst Du Deine Gischt heran, brüllende See Erins? Was rüttelst Du Deine finsteren Schwingen, pfeifender Sturm des Himmels? Glaubt Ihr, Stürme, Ihr seid es, die Nathos an dieser Küste festhalten? Nein. Es ist seine Seele, die ihn zurückhält. Althos, bring die Waffen meines Vaters herbei. Du siehst sie den Sternen entgegenleuchtend. Bring den Speer Semos. Er ruht im dunkelbauchigen Schiff.“
Er brachte die Waffen. Nathos kleidete sich in den schimmernden Stahl. Lieblich war der Schritt des Helden, furchtbar die Freude seiner Augen. Er blickt dem herannahenden Cairbar entgegen. Der Wind rauscht in seinem Haar. Darthula steht schweigend an seiner Seite. Ihr Blick ist auf den König gerichtet. Sie bemüht sich, ihr heraufdrängendes Seufzen zu verbergen. Zwei Tränen wachsen in ihren strahlenden Augen.
„Althos“, sprach Ethas König, „ich sehe eine Höhle dort im Felsen. Birg Darthula dort. Laß Deinen Arm erstarken, mein Bruder. Ardan, wir begegnen dem Feind! Ruf zur Schlacht den finsteren Cairbar. O daß er käme in tönendem Stahl, den Sohn Usnoths zu treffen! Darthula, solltest Du entkommen, nicht sieh auf den gefallenen Nathos. Zieh Deine Segel auf, o Althos! Richte sie nach dem widerhallenden Wäldern meines Landes. Sag dem König, sein Sohn fiel ruhmreich, sein Schwert mied nicht den Kampf. Sag ihm, ich fiel inmitten Tausender. Laß die Freude in seinem Jammer erhaben sein. Tochter Collas! Rufe die Mädchen in Ethas widerhallenden Saal. Laß ihre Lieder aufsteigen für Nathos, wenn der schattenreiche Herbst zurückkehrt. O daß die Stimme Conas, daß Ossian gehört werde zu meinem Ruhm! Dann freute sich mein Geist inmitten der rauschenden Winde.“
Und meine Stimme soll Dich preisen, Nathos, König des waldigen Etha. Die Stimme Ossians soll sich erheben zu Deinem Ruhm, Sohn des hochherzigen Usnoth. Warum war ich nicht auf Lenas Ebene, als die Schlacht begann? Dann hätte das Schwert Ossians Dich verteidigt, oder er selbst wäre gefallen. Wir saßen in jener Nacht in Selma um die mächtige Muschel. Der Wind rauschte draußen in den Eichen. Der Geist der Berge schrie. Rauschend fuhr der Wind durch die Halle und griff sanft in meine Harfe. Der Ton war klagend und dunkel wie Grabesgesang. Fingal hörte es als erster. Die Fülle seiner Seufzer erhob sich in seiner Brust. „Einer meiner Helden ist gefallen,“ sprach der grauhaarige König Morvens. „Ich höre den Laut des Todes auf der Harfe. Ossian, berühre die klingende Saite. Laß Klagelieder erklingen, daß ihre Geister fliegen mögen freudenvoll zu Morvens waldigen Hügeln.“
Ich berührte die Harfe vor dem König, der Ton war gramvoll und tief. 'Neigt Euch von Euren Wolken hernieder', sang ich, 'Geister meiner Väter, neigt Euch. Legt ab den roten Schrecken Eurer Bahn. Nehmt den gefallenen König auf, komme er aus fernen Landen oder von der rollenden See. Laßt sein Kleid aus Nebel nahen, seinen Speer aus Wolken geformt. Heftet einen halberloschenen Meteor an seine Seite wie das Schwert eines Helden. Und - oh! Laßt seine Erscheinung lieblich sein, daß sich Freunde seiner Gegenwart freuen. Neigt Euch von Euren Wolken', sprach ich, 'Geister der Väter, neigt Euch.'
So klang mein Lied in Selma zur leicht erzitternden Harfe. Doch Nathos an Erins Küste war von Nacht umgeben. Er hörte die Stimme des Feindes im Brüllen der stürmenden Wellen. Schweigend hörte er ihren Stimmen zu und rastete auf seinen Speer gelehnt. Der Morgen erhob sich mit seinem Licht. Wie graue Felsen mit ihren Bäumen erschienen die Söhne Erins, sie schwärmten der Küste entlang aus. Cairbar stand in der Mitte. Düster lächelte er, als er den Feind erblickte. Nathos rauschte voran in seiner Kraft, nicht konnte Darthula zurückbleiben. Sie folgte dem Helden und hob ihren schimmernden Speer. „Und wer sind diese in ihren Waffen, im Stolze der Jugend? Wer als die Söhne Usnoths, Althos und der dunkelhaarige Ardan?“ „Komm“, rief Nathos, „komm, König des hohen Temora! Laß uns kämpfen hier an der Küste um das weißbrüstige Mädchen. Seine Leute sind nicht bei Nathos, sie sind hinter der rollenden See. Was führst Du Deine Tausend gegen Ethas König? Du flohst vor ihm in der Schlacht, als die Freunde um seinen Speer versammelt waren.“ „Junger Mann mit Stolz im Herzen, soll Erins König gegen Dich kämpfen? Deine Väter waren nicht unter den Berühmten noch unter den Königen. Gibt es Waffen besiegter Feinde in Deinem Saal? Oder Schilde als alten Zeiten? Cairbar ist berühmt in Erin, nicht kämpft er mit Schwächlingen.“
Tränen entrannen dem wagengetragenen Nathos. Er wandte den Blick zu seinen Brüdern. Ihre Speere flogen gleichzeitig. Drei Helden lagen am Boden. Hellauf erglänzten ihre Schwerter. Die Reihen Erins wichen wie eine dunkle Wolkenbank dem Windstoß. Da sammelte Cairbar sein Kriegsvolk, und sie spannten tausend Bogen. Tausend Pfeile flogen. Die Söhne Usnoths stürzten blutüberströmt. Sie stürzten wie drei junge Eichen, die auf einem Hügel stehen. Der Wanderer sah die lieblichen Bäume und fragte sich, wie sie allein dort wachsen konnten. Der Wüstenwind kam in der Nacht und warf ihr grünes Haupt nieder. Den nächsten Tag kam er zurück, doch sie waren vergangen, und die Heide war leer.
Darthula stand in stummer Trauer und sah ihren Fall. Keine Träne mehr war in ihrem Auge. Doch ihr Blick ist voll wilder Trauer. Ihre Wange war blaß. Ihre zitternden Lippen brachen ein halbausgesprochenes Wort ab. Ihr dunkles Haar flog im Wind. Der düstere Cairbar kam. „Wo ist Dein Geliebter nun, der wagengetragene König Ethas? Sahst Du die Hallen Usnoths oder die dunklen, braunen Berge Fingals? Meine Schlacht hätte gebrüllt auf Morven, hätten nicht die Winde Darthula getroffen. Fingal selbst wäre erlegen, und Kummer wohnte in Selma.“ Ihr Schild fiel von Darthulas Arm. Ihre weiße Brust wurde sichtbar, doch war sie rot von Blut. Ein Pfeil stak in ihrer Seite. Sie sank auf den gefallenen Nathos wie eine Schneeflocke. Ihr Haar breitete sich über sein Gesicht.
„Tochter Collas, Du bist dahin“, sangen Cairbars hundert Barden. „Schweigen liegt auf den blauen Strömen Selamas. Truthils Stamm ist erloschen. Wann wirst Du Dich erheben in Deiner Schönheit, erste unter Erins Mädchen? Lang ist Dein Schlaf im Grabe, der Morgen weit entfernt. Nicht wird die Sonne an Dein Bett treten und sprechen: Erwache, Darthula, erwache, erste der Frauen. Der Wind des Frühlings weht draußen im Freien: Die Blümen schütteln ihre Häupter auf den grünen Bergen, die neuergrünten Wipfel des Waldes heben und senken sich wie Meereswellen. Geh heim, o Sonne. Collas Tochter liegt im Schlaf. Nicht wird sie heraustreten in ihrer Schönheit. Nicht mehr wird sie vorwärtsschreiten in Lieblichkeit.“ So war das Lied der Barden, als sie das Grabmal errichteten. Ich selbst sang an dem Grabe, als der König Morvens kam, als er kam ins grüne Erin zur Schlacht gegen den wagengetragenen Cairbar.
© Petra Hartmann