Mark Brandis: Vorstoß zum Uranus II
Hörbücher - SF Mark Brandis Interplanar Uranus
Nach dem eisigen Tod in der Einsamkeit des Uranus eine klassische Space-Geschichte: Der zweite Teil des Hörspiels "Vorstoß zum Uranus" ist ein Raumabenteuer in Reinform, atmosphärisch, spannend und ein echtes Klangerlebnis ...
Die Macher der Mark-Brandis-Hörspielreihe haben sich mit dem Roman "Vorstoß zum Uranus" keinen einfachen Stoff ausgesucht. Trotzdem schaffen sie es, die Ecken des SF-Klassikers zu mildern, und erscheinen über weite Strecken glaubwürdiger als das Original.
Roman vollkommen zerlegt und neu sortiert
Jochim-C. Redeker und Balthasar v. Weymarn haben den Roman, in dem die Perspektiven von Rettern und zu Rettenden als gegeneinander montierte Szenen und Dokumente abwechselten, vollkommen zerlegt und neu sortiert. Wurde im ersten Teil die Geschichte der verunglückten Expedition zum Uranusmond Oberon und der Notlandung auf Titania erzählt, so befindet sich der Hörer nun an Bord des Raumschiffs "Hermes" unter Kommando von Mark Brandis, der im ersten Teil nicht vorkam und nur in der Schlussssequenz über Funk zu hören ist: "Delta IX, ist da noch jemand ...?"
War Teil I getragen von der psychologischen Zeichnung der Verschollenen und ihren Gedanken angesichts der Unendlichkeit und des eigenen Todes, so geht es hier um ein relativ einfaches Raumabenteuer, um ein Schiff, das von A nach B gelangen soll und unterwegs diverse Gefahren bestehen muss.
Plötzlicher Aufbruch und viel Streit an Bord
Die Besatzung der "Hermes" steht unter großer Anspannung: Das neue geheime Superschiff, auf das die Testflieger ein Jahr warten mussten, soll plötzlich überstürzt zur Rettungsaktion aufbrechen, da der Geheimdienst herausfand, dass die Chinesen den havarierten Expeditionsraumer an sich bringen wollen. Zusätzlich zu der Belastung durch das noch völlig ungetestete Schiff und geheimnisvolle Systemausfälle kriselt es auch im sozialen Gefüge der Mannschaft: Pilot Martin van Kerk und Ingenieur William Xuma, beides Südafrikaner, doch von unterschiedlicher Hautfarbe, haben noch immer den Schatten der Apartheid nicht überwunden und reagieren äußerst gereizt aufeinander. Interessant ist die Verschiebung, die die Hörspielmacher gegenüber dem Roman vorgenommen haben: War es 1972 noch ein arrogant-aggressiver Burenspross, der den edlen, hilfreichen und guten schwarzen Landsmann als "Nigger" und "Boy" betitelte, so beruht nun die Abneigung auf Gegenseitigkeit: In dieser Bearbeitung macht Xuma aus seinem Herzen keine Mördergrube, reagiert hochfahrend auf jeden Befehl des Captains und macht seiner Wut auf van Kerk auch gegenüber seinen Kameraden Luft.
Was für's Herz: Ein Wiederhören mit CORA
Sehr lieb gemacht und richtig was für's Herz ist das Wiederhören mit CORA, die fast an einen Schülerstreich erinnernde Montage des Bordsystems und die fürsorglichen Gutenachtwünsche der doch-nicht-nur-Maschinenstimme. Ebenfalls herausragend: Die Geräuschkulisse im Hochsicherheitsbereich - unglaublich wie hier mit akustischen Mitteln ein Bild der streng geheimen Anlage erzeugt wird.
Keine Zapperei mehr
Insgesamt wirkt die Doppelfolge weniger zusammengestückelt als der Roman. Das ständige Hin- und Herzappen, das den Leser jedes Mal an einen neuen Schauplatz warf, wenn sich gerade so etwas wie Atmoshäre einstellen wollte, ist dankenswerterweise beseitigt worden. Dadurch, dass man als Hörer während des gesamten Fluges "live" dabei sein kann, ist vieles von der emotionalen Distanz verschwunden, die einen Leser überhaupt erst zum Grübeln über Unstimmigkeiten kommen lässt. Die Gesprächskulisse und die fast hypnotische Sogwirkung der Musik lassen den Hörer wesentlich tiefer in die Handlung eintauchen und berühren eher die Sinne, sodass selbst die noch vorhandenen Logikfehler weniger schmerzlich empfunden werden.
Das Rätsel des Xuma-Coup bleibt ungelöst
Nicht lösen konnte die Hörspielcrew das bereits im Roman nicht erklärte "Wunder", wie der gefangene Xuma plötzlich so mir nichts dir nichts von innen ein Loch in den Chinesenraumer gesprengt hat. Ein wenig Selbstironie und Augenzwinkern liegt in der Szene, als Xuma anschließend gefragt wird, wo er denn den Sprengstoff herhatte: "Ja, das kann ich Ihnen erklären, das war ..." Xuma verstummt, als Brandis einen pathetischen Toast ausbringt - und wird das Geheimnis mit ins Raumfahrergrab nehmen. Die wohl einzige Möglichkeit, diese Episode überzeugend und ohne allmächtige Autorenbrechstange zu lösen, wäre gewesen, auf die Perspektive Xumas umzuschalten und den Hörer mit dabeisein zu lassen, wenn der Afrikaner die Explosion auslöst. Aber vermutlich hätte das die konsequent lineare Erzählstruktur empfindlich gestört.
Scott allein an Bord
Ebenfalls etwas "weicher aufgefangen" wurde der theatralische Abgang des Helden Scott. Der absurde Sonnensturz findet nicht statt. Gut so. Es bleibt jedoch der Zweifel, ob ein verantwortungsbewusster Commander wie Brandis den Mann tatsächlich allein an Bord der "Delta" gelassen hätte, während die sechsköpfige Besatzung der "Hermes" das andere Schiff fliegt. Immerhin, der psychisch und physisch schwer angeschlagene Pionier hätte während des mehrwöchigen Fluges keine Chance mehr zum Übersetzen auf die "Hermes" gehabt - schließlich haben beide Raumschiffe ihre Dingis verloren ... Doch tun diese Brüche dem Hörvergnügen keinen Abbruch und stellen gegenüber dem Buch eine große Verbesserung dar.
Fazit: Eine gelungene Folge, die zeigt, dass man seine Romanvorlage auch völlig auseinandernehmen kann, ohne sich an ihrem Geist zu vergehen. Gutes Science-Fiction-Ohrenkino, das den Hörer mit an Bord nimmt.
Mark Brandis: Vorstoß zum Uranus II. Hörspiel, frei nach Nikolai v. Michalewsky. Interplanar Produktion von Jochim-C. Redeker und Balthasar v. Weymarn. Universal Music, 2010. Ca. 70 Minuten.
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© Petra Hartmann