Mark Brandis: Kurier zum Mars
Bücher - SF Mark Brandis Wurdackverlag
Ärgerlich. Wer die ersten 13 Bände der Reihe „Mark Brandis“ gelesen hat, wird den 14. Band, „Kurier zum Mars“, nach der Lektüre mit einigem Verdruss beiseite legen. Es scheint, als habe sich eine gewisse Müdigkeit des Verfassers bemächtigt. Der Roman besteht größtenteils aus Szenen und Situationen, die man so oder ähnlich bereits in den Vorgängerbüchern fand. Schade eigentlich. Denn das Thema, die Frage nach den Grenzen der Wissenschaft und dem Umgang mit „menschlichen Ersatzteilen“, hätte durchaus eine Einkleidung in eine originellere Geschichte verdient.
Mark Brandis gegen Friedrich Chemnitzers Monster
Mark Brandis kehrt zur Venus zurück, als er per Funk den Auftrag erhält, auf einer Gefängnis-Raumstation nach dem Rechten zu sehen, die sich seit einiger Zeit nicht mehr meldet. Die Station findet er völlig verwüstet vor, der hier inhaftierte Verbrecher - ausgerechnet sein Erzfeind Friedrich Chemnitzer - ist geflohen. Auf der Venus angelangt, muss Brandis feststellen, dass Chemnitzer inzwischen die Macht an sich gerissen hat: Als neuer Diktator herrscht er mithilfe von Maschinen-Menschen: Die MOBs (Mobile Operations-Basis) sind riesenhafte Maschinentürme mit menschlichen Gehirnen, krankhafter Auswuchs einer Wissenschaft ohne Gewissen und Respekt vor der Menschenwürde, die das nach der atomaren Katastrophe in Afrika reichlich vorhandene Material an toten Afrikanern auf zynische Weise nutzbringend einsetzen will.
Als wüsste Nikolai von Michalewsky nicht, was er erzählen will
Der Roman beginnt sehr unentschlossen. Fast scheint es, als wüsste der Verfasser, Nikolai von Michalewksy, selbst noch nicht so recht, welche Geschichte er eigentlich erzählen will. Zunächst lässt sich die Sache an wie die Story einer Gefangenenrevolte oder -befreiung nach Art der Mura-Episode aus der Orion-Serie. Wenig später schwenkt die Story um, Chemnitzer wird als Putschist und Diktator vorgestellt, Brandis und seine Crew verhaftet. Es scheint also um eine Neuauflage der Partisanenabenteuer zu gehen. Doch nur einen Atemzug danach öffnet sich die Gefängnistür, VEGA-Chef John Harris erscheint wie ein Deus ex Machina und berichtet vom raschen Untergang des Chemnitzer-Imperiums, als ein MOB einen Aussetzer hatte und seinen Herrn überrollte. Erst im dritten Anlauf schwenkt der Roman in die eigentliche Handlungsschiene ein: Brandis und seine Crew sollen zum Mars fliegen, wo sich eine Weiterentwicklung der MOBs, die fliegenden MOBs oder FLOBs, selbstständig gemacht hat: Eine Fabrik spuckt täglich sieben neue Taurus-Zerstörer aus, die mit Menschenhirnen ausgestattet sind ... Ab hier ist der Autor in seinem Fahrwasser und erzählt die Geschichte recht routiniert herunter. Sie lässt sich leicht lesen, ist von akzeptabler Spannung und begeht keine erzählerischen Grausamkeiten mehr. So weit, so gut. Ärgerlich ist nur, dass man das alles schon einmal gelesen hat - meist besser.
Kurier zum Mars: Alles schon mal dagewesen
Eine Verhaftung der Medusa-Crew nach argloser Landung auf einer Station: Das passierte seit Band 1, „Logbuch Delta VII“ häufiger.
Ein Verbrecher, der durch einen Putsch die Macht an sich reißt: Friedrich Chemnitzer als zweiter General Smith, unterstützt diesmal nicht von künstlichen Retorten-Menschen namens „Homo Factus“, sondern von riesenhaften Menschen-Maschinen, den MOBs und FLOBs. (Wieso hat dieses stinkreiche Verbrechergenie eigentlich so lange Dienst bei den Pionieren geschoben, wenn er das Zeug zum Weltherrscher hatte?)
Funksprüche von einer als Geisel genommenen Ruth O'Hara, die als Druckmittel und Köder für Brandis herhalten soll: Das hatte bereits Gordon B. Smith in den ersten vier Bänden zur Genüge exerziert.
Ein frischverheirateter Lieutenant lässt sich durch die Entführung seiner Frau zu einer Dummheit verleiten, riskiert dabei das Schiff und das Leben der Besatzung: Sogar die anschließende Gerichtsverhandlung, in der Commander Mark Brandis die Vertretung der Anklage übernimmt, wirkt wie eine lieblose Kopie des herausragenden Romans „Die Vollstrecker“.
Ein Crewmitglied befindet sich außerhalb des Schiffs, und wieder einmal sieht sich Brandis gezwungen, einen Alarmstart zu befehlen (man vergleiche die ständigen Auseinandersetzungen mit Monnier in den ersten Bänden über dieses Thema), und schon wieder wird der Mann gerettet (siehe auch die wundersame Rettung Xumas im Uranus-Abenteuer).
Dass auch noch ein Besatzungsmitglied den Helden- oder Sühnetod stirbt und sein Gehirn opfert, um die FLOBs zu besiegen, ist krönender Abschluss dieser Kette von Ärgerlichkeiten. Einen solchen phantasielosen zweiten Aufguss des Roboteraufstands hatte Antoine Ibaka nicht verdient.
Selbstplagiate sind nicht verboten, aber ...
Es kann einem Menschen nicht verboten werden, sich selbst zu plagiieren. Aber unschön ist es doch. Das Buch ist für jemanden, der die Vorgänger nicht gelesen hat, sicher ein schönes Stück Literatur. Doch dieser Autor konnte mehr. Nikolai von Michalewsky hatte in Romanen wie „Operation Sonnenfracht“ und „Die Vollstrecker“ die Latte sehr hoch gelegt. Dieser Sprung blieb darunter.
Mark Brandis: Kurier zum Mars. Wurdack-Verlag, 2010. 184 S. Euro 12.
Weitere Besprechungen zu Mark-Brandis-Romanen:
Band 5: Vorstoß zum Uranus
Band 6: Die Vollstrecker
Band 11: Operation Sonnenfracht
Band 12: Alarm für die Erde
Band 13: Countdown für die Erde
Band 14: Kurier zum Mars
Band 15: Die lautlose Bombe
Band 16: Pilgrim 2000
Band 18: Sirius-Patrouille
Band 19: Astropolis
Band 20: Triton-Passage
Band 23: Vargo-Faktor
Band 24: Astronautensonne
Band 25: Planetaktion Z
© Petra Hartmann