Der 5. Bis(s)
Bücher - phantastisch Stephenie Meyer Vampire
Das ist es also, das fünfte Buch von Stephenie Meyer mit dem Wort "Bis(s)" im Titel: "Bis(s) zum ersten Sonnenstrahl" ist ein Seitenstück zur Twilight-Saga um Bella und den Vampir Edward und erzählt die Vorgeschichte zu einer Episode aus dem dritten Teil der Tetralogie.
Das kurze zweite Leben der Bree Tanner
Die Novelle schildert "das kurze zweite Leben der Bree Tanner", so der Untertitel, und hat wenig zu tun mit dem politisch korrektem Zuckerguss, Schmalz und Teeniegeschwärme der vier Romane. Bree Tanner, aus deren Perspektive die Geschichte erzählt wird, ist ein junges Mädchen und Mitglied der Vampirarmee, die von der bösen Feindin Victoria zum Kampf gegen die gute Vampirfamilie Cullen herangezüchtet wird. Bree taucht gegen Ende des Romans auf, als die Cullens und ihre Verbündeten die Gegner besiegt haben, wird verschont, da sie sich ergibt, später aber von der "Vampirpolizei", den Volturi, abgeführt und ausgelöscht.
Bis(s) zum ersten Sonnenstrahl - ein Seitenstück zur Geschichte um Bella und Edward
Interessant ist die Novelle vor allem durch ihre Entstehungsgeschichte. Im Vorwort berichtet die Autorin, wie sie bei der Arbeit am dritten Roman versuchte, die Vorgänge in der Vampirarmee und die Persönlichkeiten der "Neugeborenen" zu verstehen. Da sie in den Büchern die junge Bella als Ich-Erzählerin verwandte, konnte sie aus dieser Perspektive nur berichten, was Bella selbst sah oder erfuhr. "Normalerweise versuche ich kurze Zusammenfassungen der Dinge zu schreiben, die an anderen Stellen der Geschichte passieren, und bringe schließlich Dialoge zu Papier", erzählt die Verfasserin. "In diesem Fall aber stellte ich fest, dass ich statt einer Zusammenfassung einen Tag aus Brees Leben beschrieb." Also erhält der Leser hier einen Einblick in die Arbeitsweise und das Schreibhandwerk der Autorin. Eine interessante Anregung für alle, die selbst schreiben, und für alle "Bis(s)"-Fans, die einmal einen Blick hinter die Kulissen werfen möchten.
Stephenie Meyers Blick auf die untere Gesellschaftsschicht
Bree ist ein junges Mädchen, das von zu Hause weglief und von Victorias Heerführer Riley aufgegabelt wird. Sie zählt sich selbst und die anderen "Neugeborenen" zum "Abschaum", zu der unteren Gesellschaftsschicht, deren verschwundene Angehörige niemand vermisst, wenn sie als Vampir-Rekruten oder Vampir-Futter dienen. Entsprechend roh geht es in der Vampirarmee zu, deren Mitglieder größtenteils recht dumpfe Halbstarke sind. Allerdings passen Vokabular und Sprachstil Brees nicht gut dazu, vom Tonfall hat sie einen ähnlichen "Höhere-Tochter-Zungenschlag" wie Bella. Auch das versiffte Vampirquartier und die Gewaltdarstellungen kommen trotz der Brutalität, mit der die Jungvampire sich gegenseitig die Gliedmaßen abreißen oder ihre Mit-Blutsauger töten und verbrennen, recht harmlos rüber. Meyers Vorstellung von "Abschaum" wirkt bestenfalls angelesen.
Hinrichtung ohne Todesangst
Ja, es ist eine "böse" Geschichte. Oder besser gesagt: Die Erzählung einer netten jungen Frau, die so gern auch mal böse sein will. Aber dabei ist sie dann doch wieder ziemlich "nett". Vor allem dadurch, dass Bree ihrer Hinrichtung doch mit einer sehr versöhnten, in ihr Schicksal ergebenen Haltung entgegengeht. Da ist kein Kampf, keine Verzweiflung, keine Todesangst. Am Ende ist da nur das Gefühl der Zufriedenheit in Bree, dass sie dem "Gedankenleser" (also Edward) zuvor noch alle Informationen über das falsche Spiel der Volturi senden konnte. Das ist etwas zu einfach, Frau Meyer. Bree ist nicht Maria Stuart.
Fazit: Die Geschichte ist als eigenständige Story nicht unbedingt überragend, vor allem, da das letzte Drittel nur von Lesern verstanden werden kann, die auch den Roman kennen. Als Abfallprodukt eines Romans dagegen ist sie erstaunlich gut. Wohl dem Autor, der so druckreife "Notizen" produziert.
Stephenie Meyer: Bis(s) zum ersten Sonnenstrahl. Das kurze zweite Leben der Bree Tanner. Aus dem Englischen von Katharine Diestelmeyer. Carlsen, 2010. 208 S., Euro 15,90.
© Petra Hartmann
Aber über Geschmäcker lässt sich ja bekanntlich trefflich streiten ...