Mindener Literaturfest: Ein Rückblick
Unterwegs Minden
"Minden ist eine feste Burg,
hat gute Wehr und Waffen.
Mit preußischen Festungen hab ich jedoch
nicht gerne was zu schaffen ..."
Die Verse aus Heinrich Heines Epos "Deutschland. Ein Wintermärchen" waren das einzige, was ich bis dahin über die Stadt gehört hatte, die Schauplatz des "ersten Mindener Literaturfestes" war. Ich war also ziemlich neugierig auf Minden und muss sagen, dass die Stadt, in der ich aus "Der Fels der schwarzen Götter" vorlesen wollte, sehr hübsch ist. Schönes, altes Fachwerk, eine gemütliche Einkaufsstraße und die Martinstreppe, die ich im Laufe des Tages bestimmt 15 mal hoch und runter stapfte. Um 10.15 Uhr schaffte ich es noch pünktlich zum Pressefoto mit den meisten beteiligten Autoren, hockte mich strategisch günstig vor den riesenhaften, pelzigen, kuscheligen Grüffelo und hoffte, dass ich ein halbwegs ordentliches Lächeln hinbekam.
Lesung mit Monatsbildern und Minnesänger
Danach hörte ich mir die Lesung von Birgit Oldenburg und Peter Küstermann an, die eine sehr interessante, alle Sinne ansprechende Performance boten. Lyrik und Prosa, dazu zwölf sehr unterschiedliche Gemälde von Birgit Oldenburg luden ein zu einer Reise durch das Jahr, und für die Moderation sorgte ein waschechter mittelalterlicher Minnesänger: Oswald von Wolkenstein (Rolf Miethe) malträtierte seine Gitarre ("Der Name Eisenfaust wurde mir nicht von meinen zahlreichen Lehrern der Kampfkünste verliehen, sondern von meinem Musiklehrer"), wies auf die Bilder hin und stolperte auf seinem Gang durchs Publikum glatt über meine Monstertasche: "Schließet die Augen, öffnet die Ohren ... und nehmet eure Taschen unter meinen Füßen fort", knurrte er im Flug.
Miniaturpressemesse mit kleinen Kostbarkeiten
Die Mindener Minipressemesse erwies sich als heimtückischer Anschlag auf meine Reisebörse: Ich erstand den handgebundenen Gedichtband "Gedanken fliegen" von Gisela Gülpen (Auflage: 66 Exemplare, ich bekam Nummer 12) und die deutsch-griechische Dichtung "Achilleus und Thetis" von Peter Völker, etwas für Liebhaber. An den Ständen sah ich sehr schöne, liebevoll gestaltete Unikate, handgeschriebene Mini-Bücher, selbstgeschöpftes Papier, Leporellos und andere Druckerzeugnisse, denen man die viele teure Handarbeit ansah. Sicher war alles allein aufgrund der Abeitszeit seinen hohen Preis wert. Allerdings, das streichholzbriefgroße Miniheft mit Pappeinband und zwei Gedichten für 30 Euro, das nahm ich dann doch nicht mit.
Vom Mindener Bischof und der "dicken Ottenschen"
Den Nachmittag verbrachte ich im Geschäft "Das Buch", wo sich auf der "Leserampe III" sehr unterschiedliche Autoren mit Lyrik und Prosa präsentierten. Ich hörte einen grottenschlechten Lyriker und eine esoterische Autorin, die über eine Wunderheilung las. Begeistert hat mich die umwerfend komische Lesung von Jörg Borgerding, der mit bayerischer Mundart über seine verzweifelten Versuche berichtete, die Unterlagen für eine Briefwahl korrekt auszufüllen und einzutüten. Faszinierend auch die Lesung von Matthias Bronisch. Er erzählte aus dem ehemaligen Jugoslawien, hatte aber auch Moritaten aus der Mindener Gegend im Gepäck und las Dichtungen über den Mindener Bischof und die "dicke Ottensche" vor, eine Mindener Schmugglerin, die in der Märzrevolution in die Politik ging.
Uriger, künstlerischer "Hamburger Hof"
Achim Köppen, einen meiner drei Mitleser für den Abend im "Hamburger Hof", hatte ich bereits am Morgen bei der Jahreszeiten-Lesung kennengelernt. Als ich im Lokal eintraf, trudelte auch Sven Klöpping ein, und wir drei nahmen das Terrain erstmal in Augenschein. Der "Hamburger Hof" entpuppte sich als eine sehr urige Künstlerkneipe mit liebevoll gestalteter Inneneinrichtung. Wirt Mehdi Mazlumsaki hatte unter anderem seine Gemälde an die Decke gehängt, und auch sonst gab es noch allerlei zu entdecken. Als vierte im Bunde traf Julia Sander ein, sie hatte ihren unveröffentlichten Roman "Codierung des Herzens" mitgebracht, der noch einen Verleger sucht.
Guido Niemeyer, der die Moderation übernahm, hat als Conferencier schon einige Erfahrung. Schon in frühen Jahren stand er in der Manege eines Kinderzirkus und führte durch das Programm, und inzwischen ist er Mitglied der Mindener Kabaretts "Die Stichlinge". So moderierte er auch bei unserer Lesung souverän und stellte uns vor.
Von Gralsbechern und molekularem Rotwein
Achim machte den Anfang. Sein Roman "Der Parzival-Code" handelt von einer geheimnisvollen Reliquie, die bei den Externsteinen versteckt liegen soll, von Templern, Gralssuchern und modernen Wissenschaftlern.
Das Kontrastprogramm dazu lieferten die Science-Fiction-Storys von Sven. In seinem MegaFusion-Universum gibt es unter anderem "molekularen Rotwein", der sich sehr gut schmuggeln lässt.
Ich las zwei Abschnitte aus "Der Fels der schwarzen Götter" vor und schloss, weil ich die Zuhörer nicht mit einem so bedrückenden Text entlassen wollte, mit dem Märchen "Furunkula Warzenkraish" aus "Ein Prinz für Movenna". Ich glaube, die Leute mochten den "Prinzen" lieber.
Julias Romanauszug bildete den Abschluss. Das Buch ist kein phantastischer Roman, sondern die Geschichte eines Schriftstellers, der eine Schauspielerin anheuert, um seine Protagonistin zu werden. Viel kann ich noch nicht sagen über das Werk, aber Satzbau und Vortrag wirkten schon mal sehr ansprechend.
Kurz nach 21 Uhr räumten wir die Bühne. Nach uns gab es ein Konzert, das ich aber nicht mehr "mitnahm". Ich war rechtschaffen müde von dem langen Tag und hatte noch anderthalb Stunden Autobahnfahrt vor mir.
Insgesamt hat mir der Tag in Minden gut gefallen, und es war schade, dass ich nicht alle drei Tage miterlebt habe. Bleibt zu wünschen, dass dieses erste Mindener Literaturfest nicht das letzte war.
© Petra Hartmann