Dietrich von Bern: Rache
Comics Dietrich von Bern Peter Wiechmann José Rafael Méndez Méndez
"Rache" heißt der dritte und letzte Band der Dietrich-von-Bern-Saga, der jetzt bei Cross-Cult erschien. Peter Wiechmanns Ritterepos, das von José Rafael Méndez Méndez meisterhaft grafisch umgesetzt wurde, erschien erstmals als Fortsetzungsgeschichte in den "Fix und Foxi"-Taschenbüchern und liegt nun als Hardcover-Ausgabe vor.
Der dritte und letzte Band setzt die Erzählung des Vorgängers, "Verrat", fort und berichtet von den Ereignissen nach dem Seitenwechsel des Recken Wittich. Wittich, einst bester Freund Dietrichs, wurde halb übertölpelt, halb war die Sehnsucht des Schmiedssohns nach Rang und gesellschaftlicher Anerkennung verantwortlich dafür, dass er dem Kaiser den Lehnseid leistete. Nun stehen sich die einstigen Freunde und Kampfgefährten gegenüber, sehr zum Nachteil Dietrichs, der erleben muss, wie Wittich sein Heer dezimiert und seine treuesten Gefolgsleute gefangen nimmt. Schließlich hat Dietrich die Wahl: Um seine Freunde zu retten, muss er der Krone entsagen und in die Verbannung ziehen. Es ist der Hof des Hunnenkönigs, der die Recken aufnimmt und ihnen eine neue Heimat bietet.
Dietrich-Saga endet kurz vor dem Kampf gegen die Nibelungen
Dieser Band ist ein Buch, dem man das Nicht-ganz-fertig-Gewordene anmerkt. Die gezeichnete Dietrich-Saga ist Fragment geblieben. Die Abenteuer am Hunnenhof enden mit einem geselligen Abend am Lagerfeuer, an dem der Berner und seine verbliebenen Mannen von alten Geschichten erzählen und Rache schwören. Eigentlich ist das kein Ende. Wer die Sagen um Dietrich und Etzel kennt, weiß, dass die Nibelungenkatastrophe unmittelbar bevorsteht. Die abgebrochene Geschichte wird durch einen neunseitigen Prosatext ergänzt, in dem der Leser erfährt, was weiter geschah. Das ist schade, denn die Kämpfe gegen die Burgunden, das Hildebrandslied und Dietrichs Verschwinden auf einem schwarzen Pferd wären sicher ebenfalls ein großartiger Stoff für Méndez beeindruckenden Federstrich gewesen.
Für Merlin auf der Suche nach dem Gral
Stattdessen ist der abgebrochenen Dietrichssaga ein ziemlich umfangreiches Jugendabenteuer des Helden beigegeben, das den Berner zwar schon als vollausgebildeten Recken an der Seite Hildebrands zeigt, in dem aber die Freunde Gefolgsleute wie Wittich, Heime und Helge noch nicht zu ihm gestoßen sind. Dietrich folgt auf der Jagd einem geheimnisvollen Hirsch, der sich als der legendäre Zauberer Merlin entpuppt. Merlin belegt Dietrich mit einem Bann, worauf dieser sich auf die gefahrvolle Abenteuerreise nach Osten macht, um den Gral zu Merlin zu schaffen. Auch dieses sehr umfangreiche Abenteuer trägt den Charakter des Unvollendeten, Unfertigen. Zwar kann Dietrich am Ende den sagenumwobenen Gegenstand - dargestellt ist der Gral diesmal als geheimnisvoller Schrein, etwa von der Länge eines Unterarms - an sich bringen, doch auch hier ist das Ende seltsam offen. Dietrich und Hildebrand sitzen am Lagerfeuer, Hildebrand fragt, was jetzt mit dem Gral geschehen soll, und Dietrich meint, Merlin werde ihn wohl zur rechten Zeit von ihm einfordern. So gibt es also zwei Dietrich-Erzählungen, die beide Male vor dem Einmünden in einen großen anderen Sagenkreis - Nibelungen und Artus - abbrechen. Beide Enden bleiben offen, und es gäbe noch viel zu erzählen.
Umfangreiches Interview mit Peter Wiechmann
Beigegeben ist der Sammlung außerdem ein sehr umfangreiches Interview mit dem Autor Peter Wiechmann, in dem man erfährt, warum die Texte für diese Neuausgabe nicht originalgetreu, sondern in einer an die 2010er Jahre angepassten Version erscheinen, man erhält Einblicke in die damalige Welt der Comiczeichner und in die Arbeit für Rolf Kauka oder Yps. Ferner gibt es einen sehr informativen und umfangreichen Text über den Gral und die Suche nach diesem mythischen Gegenstand.
Unglückliche Komposition des Abschlussbandes
Der Band ist kompositorisch etwas unglücklich angelegt. Vielleicht würde die Dietrich-Tragödie um die Wahl zwischen dem Leben seiner Freunde und der Königskrone wesentlich besser herauskommen als Schluss eines etwas dickeren Zweiteilers im direkten Anschluss an den Verrat Wittichs. Aber so wird der Leser gleich zu Anfang in das Seelendrama des Berners hineingeworfen, erlebt dann noch ein harmloses Scharmützel am Hunnenhof und ein offenes Ende mit langem "Was danach geschah"-Erzähltext, und wird schließlich in ein zwei Drittel des Buches umfassendes Jugendabenteuer hineingeworfen, das zwar nett ist, aber eben auch nichts Besonderes. Der sehr starke Anfang mit Dietrichs Gang in die Verbannung verpufft dadurch völlig. Und das nette Jugendabenteuer hätte vermutlich auch nicht ganz so seicht gewirkt, hätte man es im ersten Band kurz vor der Sammlung von Dietrichs "Tafelrunde" eingefügt.
Fazit: Hervorragend gezeichneter Comic mit vorbildlichen, informativen Beigaben aber leider sehr unglücklicher Choreographie. Nicht ganz so überwältigend wie die beiden Vorgänger und nicht ganz zu Ende gebracht.
Peter Wiechmann / José Rafael Méndez Méndez: Dietrich von Bern. Band 3: Rache. Cross Cult, 2011. 176 Seiten, Euro 22.
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© Petra Hartmann