Kriss de Valnor I: Ich vergesse nichts!
Giulio de Vita Yves Sente Grzegorz Rosinski Thorgal Comics germanische Mythologie
Kriss de Valnor ist wieder da. Die Bogenschützin, Diebin und Kriegerin war zweifellos der interessanteste und vielschichtigste Charakter der Comicserie "Thorgal" von Grzegorz Rosinski. Jetzt ist die durchtriebene Schönheit wieder auferstanden. "Ich vergesse nichts!" heißt der erste Band eines Fünfteilers über Kriss de Valnor, ein aufwändiges Hardcover-Album, das der Auftakt zu einer neuen Reihe bildet: "Die Welten von Thorgal" ist einigen Weggefährten des Thorgal Ärgirsson gewidmet und soll die Schicksale von ausgesuchten Freunden, Feinden und Familienangehörigen des Titelhelden schildern.
Kriss de Valnor - ein düsteres Album
Dieses Album ist düster. Sehr düster. Und blutig. Die Kindheit Kriss de Valnors hat nichts gemein mit der rauen aber größtenteils heilen Wikinger-Kriegerwelt, in der Thorgal aufwuchs, von elterlicher Liebe keine Spur. Es ist die Geschichte eines getretenen, gequälten kleinen Mädchens, das mit ansehen muss, wie seine Mutter geschlagen und missbraucht wird, die Geschichte einer jungen Frau, die irgendwann in ihrer Verzweiflung zum Messer greift und zusticht.
Die von Autor Yves Sente, der die Reihe Thorgal seit 2007 Jahren schreibt, verfasste und von Giulio de Vita düster und schonungslos ins Bild gesetzte Geschichte beginnt dort, wo das Album "Alte Feindin" endete: mit dem Tod der Titelheldin. Kriss hatte sich geopfert, um ihrem Sohn und Thorgals Familie das Leben zu retten. Eine Tat am Ende eines Lebens voller Mord, Gier und Falschheit, die die Walküren vor ein Rätsel stellt. Sollte die skrupellose Banditin vielleicht doch einen Platz im Kriegerparadies Walhall verdient haben? Kriss wird vor das Gericht der Walküren gebracht und soll im Angesicht der Göttin Freya Rechenschaft über ihr Leben ablegen. "Wer war das Kind, das dich schuf, Kriss de Valnor?", fragt die Göttin. Und Kriss blickt zurück.
Blutiges Titelbild von Thorgal-Schöpfer Grzegorz Rosinski
Schon das Titelbild von Grzegorz Rosinski macht deutlich, dass es sich um eine etwas härtere Geschichte als um die heroisch bunten Fantasy-Wikinger-Abenteuer des Sternensohns Thorgal und um seine eher niedlichen Kindheitserlebnisse handelt. Ein junges Mädchen, Kriss, mit halb vom Leib gerissenen Lumpen, das blutige Messer in der Hand, läuft aus einem Bauernhaus davon. Aus der Tür dringt bereits Feuerschein, das Haus wird gleich in Flammen aufgehen, darüber kreisen wie Totenvögel die Raben. Es geht um Mord und Totschlag, Vergewaltigung, Verstümmelung, um Gewalt und um Kinder, die zur Belustigung einer verwachsenen, missgeborenen Prinzessin in Kerkern gehalten werden. Kein leichter Stoff. Aber sehr stimmig, wenn man sich den Charakter ansieht, der auf diese Weise entstand. Kriss ist ganz sicher nicht eine heroische, edle Kriegerprinzessin mit hohen Idealen und edler Gesinnung. Sie hat von klein auf das Töten gelernt, musste es lernen, immer wieder aufs neue, um ihr eigenes Leben zu verteidigen. Der Charakter, der so entstanden ist, ist eine vielschichtige, gebrochene, aber unbeugsame Persönlichkeit, die es gelernt hat, sich in der Welt der Menschen zu behaupten, und selbst vor der Göttin nicht in Ehrfurcht erstarrt. Eine Persönlichkeit, die den Vergleich mit der ewig blonden Aaricia locker aushält.
Interviews mit Yves Sentee und Giulio de Vita
Das Album ist nicht nur ein mutiges, brillant erzähltes und gezeichnetes Meisterwerk. Es zeichnet sich auch durch seine reichhaltigen Beigaben aus. Im Anhang sind drei umfangreiche Interviews mit Thorgals "Vater" Rosinski, der unter anderem erklärt, warum der Text-Autor Jean van Hamme 2006 aus der Serie ausstieg, mit Yves Sente und Giulio de Vita zu finden, dazu viele Fotos, Skizzen und Entwürfe zu der Serie. Ein echter Leckerbissen.
Fazit: Ein großartiges Album, spannend erzählt und mit überwältigender Optik. Der Leser sollte sich allerdings auf einige härtere Szenen gefasst machen.
Yves Sente/Giulio de Vita: Die Welten von Thorgal. Kriss de Valnor I: Ich vergesse nichts! Bielefeld: Splitter-Verlag, 2011. 80 S., Euro 15,80.
Weitere Thorgal-Abenteuer
Thorgal 31: Der Schild des Thor
Thorgal 32: Die Schlacht von Asgard
Thorgal 33: Schwertboot
Thorgal 34: Kah-Aniel
Thorgal 35: Scharlachrot
Thorgal 36: Aniel
Thorgal 37: Der Eremit von Skellingar
Thorgal 38: Die Selkie
Thorgal 39: Neokora
Thorgal 40: Tupilak
Thorgal 41: Tausend Augen
Kriss de Valnor 1: Ich vergesse nichts!
Kriss de Valnor 2: Das Urteil der Walküren
Kriss de Valnor 3: Einer Königin würdig
Kriss de Valnor 4: Bündnisse
Kriss de Valnor 5: Rot wie der Raheborg
Kriss de Valnor 6: Die Insel der verlorenen Kinder
Kriss de Valnor 7: Der Berg der Zeit
Kriss de Valnor 8: Der Herr der Gerechtigkeit
Lupine 1: Raïssa
Lupine 2: Die abgeschnittene Hand des Gottes Tyr
Lupine 3: Das Reich des Chaos
Lupine 4: Crow
Lupine 5: Skald
Lupine 6: Die Königin der Schwarzelfen
Lupine 7: Nidhöggr
Thorgals Jugend 1: Die drei Schwestern
Thorgals Jugend 2: Das Auge Odins
Thorgals Jugend 3: Runa
Thorgals Jugend 4: Berserker
Thorgals Jugend 5: Slive
Thorgals Jugend 6: Der Drakkar aus dem Eis
Thorgals Jugend 7: Blauzahn
Thorgals Jugend 8: Die zwei Bastarde
Thorgals Jugend 9: Die Tränen der Hel
Thorgals Jugend 10: Sydönia
Thorgals Jugend 11: Grym
Thorgal Saga: Adieu, Aaricia
Thorgal Saga: Wendigo
© Petra Hartmann