Autorentreffen in Nürnberg - Neunte Auflage
Kollegen Unterwegs
Das Nürnberger Autorentreffen - 85 angehende und schon fortgeschrittene Autoren, drei Referenten aus der Buchbranche, eine Gastgeberin, die jedes Jahr zu neuer Höchstform aufläuft, dazu irische und Nürnberger Schlemmereien, Bücher, Lesungen und ganz viele Gespräche mit Gleichgesinnten ... Kein Wunder, dass sich diese Zusammenkunft nun schon seit neun Jahren im Terminkalender der Schreibenden behaupten kann und zum Himmelfahrtstag viele Wiederholungstäter nach Nürnberg lockt.
Diesmal warf der bevorstehende "runde Geburtstag" bereits seine Schatten voraus: Nächstes Jahr feiert das Treffen sein "Zehnjähriges", und Gastgeberin Ursula Schmid-Spreer hat sich dafür schon jetzt einiges einfallen lassen. So wurde unter den Anwesenden eine kostenlose Teilnahme inklusive Übernachtung und Rundum-Betreuung von Ursula und ihrem Mann Heinz (unverzichtbarer Helfer im Hintergrund) verlost. Außerdem soll es ein Buch zum Treffen geben. Hierfür gibt es eine Ausschreibung: Bis zum 15. November können Autoren Gedichte, Krimis, Anekdoten, Fantasystorys, Liebesgeschichten oder was auch immer ihnen gefällt einsenden. Bedingung: Die Obergrenze liegt bei 9000 Zeichen, Nürnberg muss drin vorkommen, außerdem die Zahl zehn, die Jahreszeit Frühling und ein Autor (Schriftsteller, Dichter, Poet, Schreiber o.ä. ist auch erlaubt). Also, ran an die Tasten.
Vorträge über Spannung, Exposees und Hirnregionen
Das Referententrio war gewohnt hochkarätig. Zum Stammgast Titus Müller (Autor historischer Romane) gesellten sich diesmal Bettina Wörrgötter (Lektorin im österreichischen Zsolnay-Verlag) und Angelika Frey (Autorin mit besonderen Kenntnissen in hirnphysiologischen Fragen).
Titus Müller über Zeitlupe und Zeitbomben
Titus Müller sprach darüber, wie man im Roman Spannung erzeugt. Vor allem wichtig: Spannung ist nicht unbedingt mit "Action" zu verwechseln. Es sei ein Vorurteil zu glauben, dass ein Roman zum Höhepunkt hin immer an Erzählgeschwindigkeit zunehmen müsse, erklärte er. Im Gegenteil könne man gerade dann auf die "Zeitlupe" umschalten, um das vom Leser und der Hauptfigur Befürchtete richtig schön herauszuzögern. Spannung könne auch dadurch entstehen, dass der Leser mehr weiß als die handelnden Personen. Klassisches Beispiel: Der Leser weiß, dass unter dem Tisch eine Zeitbombe tickt. Die handelnden Personen können nun rumsitzen und Belanglosigkeiten übers Wetter reden, der Leser zittert trotzdem ...
Einblicke ins Lektorat von Bettina Wörrgötter
Bettina Wörrgötter gab einen Einblick in die Welt der Lektoren. Der Prozentsatz der unverlangt eingesandten Manuskripte, die vom Lektor zur Veröffentlichung im Verlag angenommen werden, ist offenbar sehr sehr gering. Viel erfolgversprechender sind da schon der Weg über eine Agentur oder das Einsenden von "verlangten" Manuskripten. Wer so weit käme ... In ihrem Verlag lege man großen Wert darauf, Autoren langfristig eine Heimat zu bieten, betonte sie. Das bedeutet allerdings auch, dass die Programmplätze für Neulinge begrenzt sind. Sie hob die Wichtigkeit von Exposees hervor und zeigte zwei anonymisierte grottenschlechte Beispiele aus ihrer Praxis: eines war kurz und enthielt massenhaft Selbstanpreisungen, bot aber kaum Informationen über die Handlung, das andere hatte einen Umfang von etwa 20 Seiten, beschrieb jede Einzelheit des Romans, war aber so verworren, dass man schon nach dem ersten Absatz nicht mehr genau wusste, welche der zahlreichen Figuren nun was warum getan hatte. Wichtig: Worte wie "fulminant" und "furios" gehören nicht ins Exposee. "Das schreibe ich dann später, wenn ich das Buch anpreise", meinte die Lektorin augenzwinkernd.
Mit Angelika Frey durchs Reptilienhirn
Angelika Frey entführte uns in die Abgründe des Reptilienhirns. Sie sprach darüber, wie wir als Autoren beim Leser Interesse für unsere Figuren erwecken können. Ihre provokante These: Eigenschaften erwecken kein Interesse, im Gegenteil, sie verhindern es. Bei der Begegnung mit unbekannten Romanfiguren werden, wie sie uns verriet, Hirnareale angesprochen, die entwicklungsgeschichtlich sehr alt sind und die wir noch mit den Dinosauriern und Krokodilen gemein haben: Also nicht der großartige Intellekt des Homo sapiens, sondern das Stammhirn oder Reptilienhirn. Hier geht es einfach nur um Dinge wie Angriff, Flucht und Fortpflanzung. Reptilien könnten nichts damit anfangen, ob die Heldin rothaarig, 35 Jahre alt und nett ist. Was dieses Hirnareal anspricht, sind nur die Haltung und das Ziel des Gegenübers. Also nicht viel anders als bei zwei Krokodilweibchen, die sich die gleiche Sandbank zur Eiablage ausgesucht haben und einander nun zeigen, wer die Stärkere ist. Der sehr interessante Vortrag trug daher den Titel: "Nehmen Sie Haltung an, Madame!"
Ich habe wieder einmal wahnsinnig viel gelernt in Nürnberg. Schade, dass ich jetzt wieder ein Jahr warten muss, bis es weitergeht. Zum Zehnjährigen bin ich wieder da.
Weitere Berichte vom Nürnberger Autorentreffen:
Nürnberger Autorentreffen 2010
Nürnberger Autorentreffen 2011
Nürnberger Autorentreffen 2015
Nürnberger Autorentreffen 2016
Nürnberger Autorentreffen 2017
Nürnberger Autorentreffen 2018
Nürnberger Autorentreffen 2019
Nürnberger Autorentreffen 2024
© Petra Hartmann