Jahresrückblick I: Januar bis März 2012
Jahresrückblick
Ein abwechslungsreiches, manchmal nicht ganz unbeschwertes Lesejahr neigt sich dem Ende zu. Hier das erste Viertel meiner Notizen über Lesefrüchte, Tops und Flops 2012. Vielleicht ist ja etwas für euch dabei:
Januar
Antonia Michaelis: Tigermond
Eine Variation der Sheherazade-Geschichte: Eine junge, gegen ihren Willen verheiratete Frau erzählt eine Geschichte. Verschränkt damit erleben wir die Abenteuer eines jungen Helden mit, der im Auftrag der Götter unterwegs ist und auf seiner Suche von einem wasserscheuen Tiger unterstützt wird. Ein abenteuerliches indisches Epos, bezaubernd und poetisch. Lesenswert.
Storm 2: Der letzte Kämpfer
Storm 3: Das Wüstenvolk
Comic-Klassiker in opulenter Aufmachung. Sehr edle Hardcover-Ausgabe von Splitter, mit viel Hintergrundinfos und jeweils einem Extra-Druck als Beigabe. Nicht ganz billig, aber lohnt sich.
Kerstin Groeper: Meine Mutter, der Indianer und ich
Geschichte über einen pubertierenden Jungen, der von der Schule fliegt und sich nach dem Umzug nicht nur mit der neuen Klasse, sondern auch noch mit dem neuen Lebensgefährten seiner Mutter auseinanderzusetzen hat. Ich bin eigentlich ein Fan von Kerstin Groeper, aber die Geschichte hat mich eher etwas verärgert. Die Wutanfälle des jungen Halbstarken, seine Schulprobleme und das Abrutschen auf die schiefe Bahn mit seinen neuen "Freunden" kommen eher stereotyp und klischeehaft daher und wirken wenig überzeugend. Und der Indianer an der Seite der Mutter hätte genau so gut ein Türke sein können, ohne dass sich der Verlauf der Handlung irgendwie geändert hätte, die Nationalität scheint völlig austauschbar. Einfach nur Durchschnitt. Schade.
Dee Brown: Begrabt mein Herz an der Biegung des Flusses
Der Klassiker schlechthin, absolutes Muss für jeden, der sich mit Indianern befasst. Sehr eindringlich wird hier die Geschichte der amerikanischen Ureinwohner erzählt. Ein Buch, das immer noch unter die Haut geht.
Valerian & Veronique 3: Das Land ohne Sterne
Valerian & Veronique 4: Willkommen auf Alflolol
Valerian & Veronique 5: Die Vögel des Tyrannen
Valerian & Veronique 6: Botschafter der Schatten
Valerian & Veronique 7 (9): Trügerische Welten
Valerian & Veronique 8 (10): Die Insel der Kinder
Comic-Klassiker, zauberhaft gezeichnet und mit sehr viel Humor und Liebe zum Detail erzählt. Einfach ein großes Stück Comic-Literatur. Die neue Ausgabe bei Carlsen setzt Maßstäbe. Edles Hardcover mit viel Hintergrundmaterial, macht einfach Spaß und ist jeden Cent wert.
Klaus-Peter Walter: Sherlock Holmes und Old Shatterhand
Elmar Engel: Crazy Horse, Häuptling der Oglala-Sioux
Lebensbeschreibung eines der wichtigsten Häuptlinge der Sioux. Zum Teil etwas zu gewollt poetisch/empfindsam geraten, aber ganz in Ordnung.
Emilia Jones: Sinnesrauschen I - Ginas Bar
Geschichtenweber: Der Fluch des Colorado River
Alexandra Walczyk: Die Gesichter der Steine. Bloß kein Indianer sein
Edgar Allan Poe: Im Wirbel des Maelström / Der Untergang des Hauses Usher / Die Grube und das Pendel (Reclam)
Ich habe mal wieder meine Punkte im Prämienshop bei Libri.de einlösen "müssen" und mir was Gutes gegönnt. Die drei Storys hat man zwar alle schon mal irgendwann in Sammlungen gelesen, es war aber gut, sie mal zusammen zu haben. Ansonsten: Ordentliche Ausgabe in bewährter Reclam-Qualität, sollte jeder Phantast zu Hause haben.
Konrad Dietzfelbinger: Pythagoras - Spiritualität und Wissenschaft
Darstellung eines der ältesten Philosophen und seiner Schule. Zum Teil etwas esoterisch angehaucht, aber sonst ganz brauchbare Übersicht. Hab's mit Gewinn gelesen.
Franziska Heinrich: Ferien mit den Falken
Die Rede des Häuptlings Seattle
Schöne Hardcover-Ausgabe im Anaconda-Verlag, ebenfalls ein Schnäppchen aus dem Libri-Prämienshop. Was man wissen sollte ist, dass das Büchlein außer der im Titel genannten Rede des Häuptlings Seattle auch Reden der Häuptlinge Red Jacket und Joseph II enthält. Gewünscht hätte ich mir einen Kommentarteil, immerhin gibt es aber bei Josephs Rede ein paar erläuternde Fußnoten (übrigens nicht die legendäre Rede: "Ich will nie wieder kämpfen", sondern die vom Januar 1879, abgedruckt im North American Review) und vorne im Buch die Quellenangaben, die verraten, wo die Ursprungsversion der jeweiligen Rede zu finden ist. Die Reden selbst sind auf alle Fälle große rhetorische Literatur, irgendwo auf der Linie zwischen Naivität und Weisheit. Lesenswert.
Friedhelm Wessel: Denn sie tragen das Leder vor dem Arsch
Teil meiner Recherche für eine Horrorgeschichte, die im Bergbau-Milieu spielt. Stammt aus der Bibliothek meines Onkels und war sehr hilfreich. Die Story trägt den Titel "Der schwarze Frosch" und wird mit etwas Glück nächstes Jahr erscheinen. Weitere Bergbauliteratur habe ich unten aufgelistet.
Antonia Michaelis: Das Geheimnis des 12. Kontinents
Sehr schöne Kindergeschichte über einen Waisenjungen, der in einem Spielzeugschiff mit einer Crew aus Zwergen aufbricht, um seine Eltern zu finden. Spannend, humorvoll und einfach toll.
Hans Fallada: Fridolin der freche Dachs
Ich liebe einfach Dachse. Diese Geschichte wurde von Hans Fallada eigentlich nur für seine Tochter geschrieben, aber es ist schön, dass sie dann doch veröffentlicht wurde. Eine Familie ist wenig begeistert von einem Dachs in der Nachbarschaft und versucht, das Tier loszuwerden. Nur das Nesthäkchen verbrüdert sich mit dem knurrigen Sonderling.
Antonia Michaelis: Das Adoptivzimmer
Geschichte eines Waisenjungen, der von einer Familie adoptiert wird. Aber er hat das Gefühl, dass er gar nicht als er selbst dort aufgenommen wurde, sondern als Ersatz für den verstorbenen Sohn des Ehepaars, mit dem er sogar einige Ähnlichkeit hat. Er findet ein geheimnisvolles Zimmer, das wie er selbst "nicht richtig dazugehört", und trifft dort den Verstorbenen. Es gilt, den Jungen zu befreien, damit er endlich ganz gehen kann, und ein geheimnisvolles Ungeheuer zu besiegen, das von der Trauer der Menschen lebt.
Hörbuch
Edith Nesbit: Das violette Automobil
Mark Brandis: Alarm für die Erde I
Die Umweltsünden der Vergangenheit rächen sich: Einst hatten geldgierige, gemeingefährliche Politiker Atommüll kostengünstig am Kilimanjaro endgelagert. Nun droht der ehemalige Vulkan erneut auszubrechen. Eine Katastrophe bahnt sich an. Für Mark Brandis und seine Leute beginnt ein Wettlauf mit der Zeit. Die Aufgabe ist fast unlösbar: Es gilt, den Atommüll rechtzeitig zu bergen und in die Sonne zu schießen. Schon der Roman war großartig, begeisternd und bedrückend zugleich. Der Hörbuch-Zweiteiler schafft es, die Atmosphäre des Afrika-Abenteuers kongenial umzusetzen. Hörenswert.
Bergbauliteratur
(Recherchematerial für meine Horror-Bergwerksgeschichte "Der schwarze Frosch". Ich setze die Liste hier mal unkommentiert rein für alle, die mal selbst in die Lage geraten, etwas aus diesem Milieu schreiben zu müssen. Oder die später meine Geschichte auf Plagiate überprüfen möchten ...)
Bergmännisches Liederbuch. Bochumer Beiträge zur Berufsausbildung im Bergbau. Westfälische Berggewerkschaftsklasse Bochum. Folge 20. Duisburg: Carl Lange Verlag, o.J. (1951).
Der praktische Bergmann. Kleines Nachschlage- und Tabellenbuch. Hagen/Essen: Lehrmitteldienst G.m.b.H Hagen, 1954.
Tilo Cramm: Bergbau ist nicht eines Mannes Sache. Das Bergwerk Victor-Ickern in Castrop-Rauxel. Essen: Klartext Verlag. 2. vollständig überarbeitete Aufl. 2001.
Joachim Huske: Der Steinkohlenbergbau im Ruhrrevier von seinen Anfängen bis zum Jahr 2000. Werne: Regio-Verlag. 2. überarbeitete Aufl. 2001.
Wilhelm Herbert Koch: Kumpel Anton. Der ganze Kwatsch fon die letzten Jahre. Düssedorf: Droste Verlag, 2. Aufl. 1997.
Rolf Potthoff / Achim Nöllenheidt (Hg.): Damals auf'm Pütt. Erinnerungen an das Bergmannsleben im Ruhrgebiet. Essen: Klartext Verlag, 2009.
Alf Rolla: Kommse anne Bude. Trinkhallen-Geschichte(n) aus dem Revier. Gudensberg-Gleichen: Wartberg Verlag, 2006.
Friedhelm Wessel: Denn sie tragen das Leder vor dem Arsch. Geschichten rund um den Bergbau im Ruhrgebiet aus der Gezählkiste erzählt. Bottrop: Verlag Henselowsky Boschmann, 2009.
Februar
Antje Babendererde: Julischatten
Emilia Jones: Sinnesrauschen II - Spielsüchtig
Gerd Scherm: Die Weltenbaumler
Nach der Bibel und der griechischen Sagenwelt lässt Gerd Scherm seine Tajarim nun die Sagenwelt Nordeuropas erleben. GON, der Gott ohne Namen, Seshmosis und seine Freunde treffen auf germanische Götter und Helden, begegnen finnischer Magie und Sangeskunst und erleben die Geschichte um Siegfried und den Drachen mit. Spaß gemacht hat mir die Idee, dass die göttlichen Tiere Asgards eine Selbsthlfegruppe gründen. Etwas wirr fand ich das Verhandeln um den germanischen Weltuntergang, der wegen der Widersprüche zu den Szenarien anderer Kulte dann doch abgeblasen werden muss. Auch dass die ganze Reise nur angezettelt wurde, um einem Nachfahren von Seshmosis zu helfen, der dann aber einfach keine Hilfe haben will, lässt viel von der aufgebauten Spannung ins Nichts verpuffen. Nicht ganz so gut wie Teil I und II, aber auch nicht schlecht.
Mark Brandis: Astronautensonne
Heidrun Jänchen: Willkommen auf Aurora
Hörbuch
Mark Brandis: Alarm für die Erde II
Siehe Teil I, Januar
März
Antonia Michaelis: Drachen der Finsternis
Spannendes Jugendabenteuer in einem para-indischen Land. Es geht um einen Jungen, der seinen entführten Bruder befreien will und dabei einen unsichtbaren Prinzen trifft. Zu zweit machen sie sich auf, um das Land vor farbenfressenden Drachen und Rebellen zu retten. Antonia Michaelis kann einfach gut erzählen.
Marie-Louise Fischer: Olga, Star der Parkschule
Kinderbuch, das ich vor ca. 25 Jahren gelesen habe und das mir jetzt wieder in die Hände gefallen ist. Eines der typischen Schneiderbücher. Junges, hitzköpfiges Mädchen wird von ihren Klassenkameradinnen gemobbt (das Wort gab es damals freilich noch nicht) und lernt, sich durchzusetzen. Nette Geschichte. Konnte mich jedenfalls dann doch nicht von dem Feuerkopf Olga trennen und freute mich, dass sie ihren Posten als Klassensprecherin mit Würde verteidigte ...
Kerstin Groeper: Wie ein Funke im Feuer
Ota Hofman: Pan Tau
Ein Fundstück aus der Bibliothek, das ich als alter Pan-Tau-Fan natürlich nicht stehen lassen konnte. Bei dem Buch handelt es sich nicht um die scheußliche, verkitschte Nacherzählung von Folke Tegetthoff, sondern um eine eigenartige literarische Suche nach dem Mann mit der Zaubermelone. Ein Polizist und eine Journalistin sind auf der Spur der Pan-Tau-Sichtungen. Dabei treten nach und nach viele alte Bekannte aus der Fernsehserie auf.
Ulrich Wißmann: Wer die Geister stört
Brita Rose-Billert: Maggie Yellow Cloud
Tibull: Elegische Gedichte (Reclam)
Ordentlich kommentierte zweisprachige Ausgabe, Textgestalt okay, Anmerkungen okay, Nachwort brauchbar. Ich habe nur langsam die Schnauze voll von Übersetzungen, die fremdsprachige Verse in deutsche Prosa umsetzen. Bei epischen Texten lasse ich mir das vielleicht noch zähneknirschend gefallen, aber gerade bei Gedichten ist die Textgestalt mindestens genau so wichtig wie der Inhalt, wenn nicht noch tausendmal wichtiger. Ich will wenigstens eine Ahnung bekommen vom Versmaß und Rhythmus des Originals. Ein Gedicht lieblos in Prosa runterübersetzen, das kann jeder Pennäler, und der darf das auch. Von einem professionellen Literaturübersetzer erwarte ich mehr, und ich habe auch das Recht, mehr zu erwarten. Können die Übersetzer das plötzlich nicht mehr? Dann sollte der Verlag jemand anderen engagieren. Oder hält der Verlag seine Leser für zu blöd, um das Metrum angemessen zu würdigen? Hallo, liebe Reclam-Leute, ich bin nicht blöde - bitte tragt nicht aktiv zu meiner und anderer Leser Verdummung bei. Wer's nicht goutieren kann, dem bleibt schließlich noch die Bildzeitung. Grmpf.
Emilia Jones: Teufelskuss und Engelszunge
Hörbuch
Terry Pratchet: Eine Insel
Ja! So muss fantastische Literatur sein. Vergesst alles, was ihr bisher von Terry Pratchet gehört oder gelesen habt. Das war gut, ganz bestimmt. Aber diese Geschichte ist anders, etwas besonderes, ein Buch, das einfach den Zauber hat. "Eine Insel" ist die Geschichte eines Südseevolkes, das von einem Tsunami ausgelöscht wurde. Zurück bleibt nur ein halbwüchsiger Junge, der sein Ritual der Mannwerdung wegen der Katastrophe nicht vollenden konnte. Ein Mensch, der mit den Göttern hadert und sich Fragen nach dem Sinn von Opfern und Religion stellt, der wider Willen zum Häuptling einer zusammengewürfelten Gemeinschaft von Überlebenden wird und sich gegen das Schicksal und dumpfen Schamanen-Aberglauben stemmt. Zusammen mit der Tochter des englischen Königs macht er sich auf die Suche nach den Geheimnissen seiner Ahnen und entdeckt Ungeheuerliches über die Geschichte seines Volkes. "Eine Insel" ist eine harte Geschichte, eine grausame Geschichte, aber doch immer wieder mit einem Lächeln und mit witzigen und absurden Zügen. Ein sehr weises, nachdenkliches Buch, das ich jedem ans Herz legen möchte, der überhaupt ein Herz zum Lesen und Hören hat. Macht euch unbedingt auf die Reise zu dieser Insel.
Martin Krüger: Lakota Wowaglake
Sprach-CD zum gleichnamigen Lakota-Lehrbuch. Sehr hilfreich. Etwas kurz.
Jahresrückblick Teil II: April bis Juni 2012
Jahresrückblick Teil III: Juli bis September 2012
Jahresrückblick Teil IV: Oktober bis Dezember 2012
© Petra Hartmann