Jahresrückblick III: Juli bis September 2012
Jahresrückblick
Teil III meiner Lesefrüchte des Jahres 2012. Lyrik, Phantastik, Kinderbücher und Klassiker. Schaut doch mal rein. Viel Spaß damit.
Juli
Die Welten von Thorgal: Lupine 1 - Raissa
Guy N. Boothby: Pharos der Ägypter
Gruseliger Abenteuerklassiker aus der Feder Guy N. Boothbys. Ich habe ihn vor allem deshalb gelesen, weil ich ja eine Fortsetzung zu Boothbys "Doctor Nikola" schreiben sollte. So kam ich ein bisschen besser in die Welt des australischen Bestseller-Autors ein. Die Geschichte selbst ist schon ein gutes Stück Literatur. Ein ägyptischer Magier oder was auch immer knechtet den Geist eines Briten, mit dem es dann auch ein schlimmes Ende nimmt. Exotische Schauplätze, unheimliche Szenen, eine schöne Frau, eine abenteuerliche und vergebliche Flucht - also alles drin, was man für einen Schauerroman braucht.
Mark Brandis: Ikarus, Ikarus ...
Ein Weltraumabenteuer um einen Asteroiden, der die vermutlich größte und ertragreichste Diamantmine des Universums birgt. Jetzt soll der Himmelskörper, um die Edelsteine billiger abbauen zu können, verlegt und in Erdnähe geschleppt werden. Allerdings haben auch Kriminelle ein Auge auf den Ikarus geworfen und wollen den Asteroiden verschleppen. De Autor versteht sein Handwerk, die Personen und die zwischenmenschlichen Beziehungen während der Entführungsaktion sind erneut gut getroffen und sachkundig gezeichnet. Etwas unglaubwürdig sind ein paar Kleinigkeiten wie zum Beispiel der Roboter, der einen Diamanten mit seinem Stahlfuß zertritt. Und dass am Ende ein einziges Raumschiff, das kopfüber in einen Krater gerammt wird, den ganzen Asteroiden bewegen kann, kommt mir angesichts der Riesenlogistik im Vorfeld auch unglaubwürdig vor. Ansonsten: Ein tolles Weltraumabenteuer, das sich rasend schnell wegliest.
Mythenpunk. Die Storys zum Marburg-Award 2012
Der Storywettbewerb zum MarburgCon stand dieses Jahr unter dem Motto "Mythenpunk". Ein schönes Thema, das nicht nur mehr Autoren als sonst zur Teilnahme lockte, sondern auch sehr gute Geschichten ergab. So konnte der Verein diesmal ein richtiges Taschenbuch mit den Teilnehmerbeiträgen herausgeben. Ein echtes Schmuckstück. Wer's nicht gekauft hat, ist selbst schuld. Auf dem Siegertreppchen standen schließlich: 1. "Der Sagenborn" von Tedine Sanss, 2. "Sonderzug nach Vineta" von Sabrina Železný und 3. "Wunderschöne Jacobe von Baden" von Nina Sträter. Wobei mir der "Sonderzug nach Vineta" noch besser gefiel als der "Sagenborn", der mir zu wenig "Punk"-Elemente enthielt. Mein absoluter Favorit war allerdings die "Raue Nacht" (Holger Teckenburg), in der der uralte germanische Mythos von der wilden Jagd mit den beiden Merseburger Zaubersprüchen und dem urbundesrepublikanischen Wirtschaftswunder-Mythenfahrzeug VW Käfer verbunden wurde. Echt was fürs Herz, einfach toll.
Jules Verne: Reise durch das Sonnensystem
Ganz okay, vermutlich nicht gerade eines seiner Glanzstücke ... Ein Teil des Mittelmeers wird von einem Kometen aus der Erde herausgerissen und mitsamt ein paar Menschen unterschiedlicher Nationalitäten durch das Sonnensystem mitgenommen. Interessante Konstellation. Die Rückkehr ist jedenfalls etwas unglaubwürdig.
Michael Zoch: Kometen vom Fass
Michael Zoch: Wellenbrand
Michael Zoch: Andolina Stereo
Endlich mal ein Lyriker, der sich lohnt. Die "Kometen vom Fass" waren ein tolles Erlebnis, natürlich musste ich mir danach den Rest auch noch holen. Eines meiner spannendsten Literaturerlebnisse des Jahres. Lesenswert.
Rick Riordan: Percy Jackson 1: Diebe im Olymp
Fand ich ziemlich doof und langweilig. Nichts, was man nicht in "Harry Potter" oder anderen einschlägigen Jugendbüchern schon besser gelesen hätte. Ein Junge, der "anders" ist, Schulprobleme hat, von übermächtigen magischen Gegnern verfolgt wird und die Welt retten muss. Ron heißt hier Grover und ist ein Satyr. Hermine trägt den Namen Anabeth und ist Tochter von Pallas Athene. Überhaupt ist es schon mal Übelkeit erregend zu lesen, dass Athene eine Tochter haben soll, wenn man im gleichen Atemzug mitgeteilt bekommt, dass Hera als Schutzgöttin der Ehe natürlich keine Seitensprünge mit Menschen hatte und daher keine Halbgötter zur Welt brachte und dass Artemis, da sie ewige Jungfräulichkeit gelobte, ebenfalls keine halbgöttlichen Kinder hat. Athene, die den gleichen Eid leistete, ist also entjungert und Mutter - und Artemis nicht? Hä? Wo ist der Unterschied? Hätte zumindest thematisiert werden müssen. Außerdem heißt es nicht "im" Olymp, sondern "auf dem Olymp", und wieso die Heimat der griechischen Götter jetzt nach Amiland verlagert werden musste, will mir auch nicht in den Kopf. Immer wenn die Situation ausweglos erscheint und die Kinder beinahe tot sind, fällt Percy ins Wasser und erhält Superkräfte. Na toll. Einziger Lichtblick: Prokrustes als Bettenverkäufer, schöne Szene. Ansonsten: Schwach. Durchschnitt. Nichtssagend. Massenware von der Stange. Verzichtbar.
August
Bergengrueniana I. Hrsg. v. Eckhard Lange
Fabienne Siegmund (Hrsg.): Die Einhörner
Die Welten von Thorgal - Kriss de Valnor II: Das Urteil der Walküren
Arthur Rimbaud: Une Saison en Enfer / Eine Zeit in der Hölle (Reclam)
Sehr ausdrucksstark. Ich fands etwas schwer reinzukommen, die zweite Hälfte und vor allem das letzte Stück haben mich dann aber doch reingezogen in diese eigenartige Welt. Empfehlung: auf jeden Fall laut lesen.
Paul Verlaine: Gedichte (Reclam)
Enthält "Fêtes galantes", "La Bonne Chanson" und "Romances sans paroles". Ganz okay, aber nicht meine Welt. Zu zierlich. Diese Maskenbälle und Feste. Commedia dell' arte. Dafür ein dickes Lob an den Übersetzer, der sich nicht gescheut hat, Verse und sogar Reime zu verwenden. Findet man nicht mehr so oft ... Auch ein gutes Nachwort.
September
Die Welt in Gelb. Zur Neugestaltung der Universalbibliothek 2012
Reclamheft zur Neugestaltung des Reclam-Layouts. Ich fand's sehr interessant, mal die unterschiedlichen Outfits meiner Lieblingsklassiker vor Augen geführt zu bekommen. An das neue Weiß im Gelb werde ich mich wohl gewöhnen müssen. Wobei mein Lieblings-Layout immer das der Jahre 1969 bis 1988 bleiben wird. Zeitlos schön. War einfach prägend.
Jutta Richter: Der Hund mit dem gelben Herzen
Sehr stilles, nachdenkliches Buch über einen sprechenden Hund, sein verlorenes Herrchen, über Herrn G. Ott und seinen Garten. Ist das wirklich ein Kinderbuch?
Moses Mendelssohn: Phaedon oder über die Unsterblichkeit der Seele
Ich hatte mich ja letztes Jahr schon ein wenig mit Moses Mendelssohn befasst. Jetzt habe ich mir den Phaedon vorgenommen. Sehr kluges Buch auf den Spuren Platons. Drei Dialoge des Sokrates kurz vor der Hinrichtung. Schade, dass es keine moderne, ordentlich kommentierte Ausgabe davon gibt, nur so billiges, automatisch reingelutschtes Zeug von Verlagen, die die "Public Domain" ausschlachten. Hätte mir da doch ein paar Worte von einem Fachmann gewünscht.
D.H. Lawrence: Meistererzählungen
Der Titel stimmt. Die Geschichten sind wirklich meisterlich. Zum Teil sehr harte Storys. Lawrence hat einen scharfen Blick für psychologische Vorgänge und seziert seine Figuren mitleidslos. Mein absoluter Höhepunkt ist die Geschichte mit den beiden blauen Vögeln. Eine eifersüchtige Frau demontiert die Sekretärin ihres Mannes, indem sie sie einfach nur zum Tee einlädt. Am Ende ist das kleine Wesen vollkommen zerstört. Der letzte Satz ist einfach umwerfend. Ansonsten haben mir vor allem "Sonne" und "Der moderne Liebhaber" gefallen, "Die Frau, die davonritt" war mir für die Grundidee einfach zu lang und zu vorhersagbar.
Sabine Axnick: Quirina, die Wasserfrau
Hübsches, selbstgemachtes Märchenheft von einer Autorin, die ich auf der Homburger Buchmesse kennengelernt habe. Ich habe vor allem zugegriffen, weil an dem Heft eine selbstgehäkelte Meerjungfrau dranhing. Dazu gibt es ein nettes Märchen über ein Mädchen, das sich mit einer Wasserfrau aus einem Teich anfreundet. Ein schönes Mitbringsel.
Jahresrückblick I: Januar bis März 2012
Jahresrückblick II: April bis Juni 2012
Jahresrückblick IV: Oktober bis Dezember 2012
© Petra Hartmann