Minipressenmesse mit Klinge und Feder und Autorenträumen
Monika Fuchs Autorenträume Mit Klinge und Feder Phantastik Girls Ulrich Burger Unterwegs
Die Mainzer Minipressenmesse - das ist tatsächlich eine Messe, die es in sich hat. Von Donnerstag bis Sonntag hatte ich Gelegenheit, ausgiebig Messeluft zu schnuppern, ab und zu bei einer Bratwurst auf den Rhein hinabzusehehn, die Gutenbergstadt unsicher zu machen und ganz viele Buchmenschen zu treffen. Ich war zusammen mit Monika Fuchs angereist, um unsere druckfrische Anthologie "Autorenträume" zu präsentieren, und hatte außerdem eine Lesung aus dem Fantasy-Band der Phantastik Girls "Mit Klinge und Feder" zu bestreiten.
Monika Fuchs hatte für ihren Verlag einen Stand in der Rheingoldhalle gebucht, den wir - nach rund viereinhalb Stunden Autobahnfahrt und ein wenig Sucherei in der Ausstellungshalle auch tatsächlich fanden. Es war ziemlich dunkel, Tisch D35 lag in der hintersten Ecke, genau vor dem Damenklo, und wir witzelten noch etwas herum, dass wir wohl ein kleines Vermögen machen könnten, wenn wir einfach einen Teller aufstellen und von jedem Toilettenbesucher 50 Cent verlangen würden ... Der Aufbau war ziemlich kräftezehrend. Ja, ich habe Germanistik studiert und kann daher auch Buchkisten schleppen, aber es waren halt doch ziemlich viele Kisten, und der Weg vom Parkplatz war sehr lag. Als uns dann noch eine Kiste mit Madame-von-Wutz-Tassen von Monikas kleiner Spielzeug-Sackkarre hüpfte, war ich fast verzweifelt. Aber wir schafften es dann doch irgendwie ...
Autorenträume in der dunklen Gasse
An den ersten beiden Tagen verirrten sich kaum Besucher zu uns. Besser wurde es, als am Freitagabend die meisten Leute aus unserer engen dunklen Gasse aufgaben und abreisten. Wir erhielten die Erlaubenis, weiter nach vorn zu kommen, konnten uns noch zwei zusätzliche Tische ergattern und hatten plötzlich einen so eindrucksvollen Riesenstand, dass man uns fast für einen bekannten Druckkostenzuschussverlag mit seinem ehrfurchtheischenden Frankfurter Messestand hätte halten können. Von da ab hatten wir sehr viel Zulauf.
"Herr Ober, in meinem Wein schwimmt eine Fliege"
Unser Hotel, "Stiftszwingert", hatte im Erdgeschoss ein italienisches Restaurant, das wir zweimal nutzten - zum ersten und zum letzten. Dieses "San Marco" war wirklich ein einfach unfassbares Erlebnis. Dabei fing alles ganz harmlos an: Monika fragte den Ober, ob er zur Pizza Margherita eher einen Weißwein oder einen Rotwein empfehlen würde. "Nehmen Sie doch einen Rosé", schlug er ungerührt vor. "Eine salomonische Entscheidung", kommentierte die Verlegerin und ließ sich darauf ein. Später grübelten wir darüber nach, warum denn gar kein Rosé auf der Karte stand, und der Verdacht wurde laut, dass er den wohl eben erst in der Küche gepanscht habe. Wir waren guter Dinge, quatschten über dieses und jenes, und plötzlich entdeckte Monika in ihrem Glas ein Insekt, das ich als Fruchtfliege (Drosophila melanogaster) klassifizierte. Von da ab gab es natürlich kein Halten mehr, und ich musste sofort alle Kellnerwitze erzählen, die mir einfielen. Nach dem 30. Witz mit "Herr Ober, was macht die Fliege in meiner Suppe?" ließ sich tatsächlich auch unser Ober blicken. "Herr Ober, was macht die Fliege in meinem Glas?", fragte Monika. Der Italiener blickte sie fragend an. "Stört sie?", wunderte er sich. Dann griff er in eine Schublade, holte ein Messer heraus, fischte mit dem Geschick eines Mannes, der dies schon tausendfach getan hatte, den Tierkadaver aus dem Wein und überreichte Monika mit einer formvollendeten Verbeugung ihr - nun fliegenfreies - Glas. Dann verschwand er in der Küche. Wir hielten das erst für einen Scherz und glaubten, er würde bald mit einem frischen Glas Wein zurückkehren. War aber nicht so. Und es kam auch niemand, der uns über die versteckte Kamera aufklärte. Hm. Dass er uns dann, als wir nach dem Essen offenbar zu lange schwatzten, einfach mal das Licht ausstellte - geschenkt. Jedenfalls war dieser Abend ein unvergessliches Erlebnis.
Mainzer Minipressenmesse - seit 1970 Heimat für Kleinverlage
Aber zurück zur Messe. Die Mainzer Minipressenmesse gibt es seit 1970 (wie mich). Alle zwei Jahre treffen sich hier kleinere Verlage und Druckereien, vor allem aber auch Buchkünstler, die ihre ungewöhnlichen Handwerkserzeugnisse hier ausstellen. 360 Aussteller aus mehr als 15 Ländern und 10.000 Besucher sollen es laut Messehomepage gewesen sein. Zur Eröffnung wurde der V.O. Stomps-Preis vergeben. Den Hauptpreis bekam die Katzengrabenpresse von Christian Ewald, der Förderpreis ging an die SchwarzHandPresse von Ursula und Theo Hurter.
Auf der Suche nach "Saphir im Stahl" und Ulrich Burger
Ich war geradezu erschlagen von der Vielzahl der Angebote. Vor allem, da die Stände nicht nach Themen sortiert waren, war es für mich ziemlich schwer, mich zurechtzufinden. Mein Versuch, den Ulrich-Burger-Verlag zu finden, war geradezu abenteuerlich. Ich fragte schließlich am Informationsschalter nach. Eine freundliche Dame blätterte im Katalog und fand schließlich den Eintrag: "Siehe Saphir im Stahl". (Den hatte ich auch nicht gefunden.) Unter "Saphir im Stahl" war allerdings keine Standnummer vermerkt, und ich war genau so schlau wie vorher. Nur ein paar Kinderbuchverlage, darunter der von Monika Fuchs, hatten es tatsächlich geschafft, sich zur "Sachgruppe Kinderbuch" zusammenfassen zu lassen. Allerdings war zwischen uns auch ein Spieleverlag, der sich bitter beklagte, in die Kinderecke gestellt worden zu sein. Spiele seien eben nicht automatisch Kinderkram ...
Sektempfang beim Monika-Fuchs-Verlag
Am Samstag war der große Tag der Autorenträume gekommen. Monika hatte die gute Idee, vor der Lesung zu einem kleinen Sektempfang einzuladen. So konnten wir mit den Autoren auf unsere Anthologie anstoßen und noch den einen oder anderen Traum-Freund an unserem Stand "einfangen". Unser Leseplatz auf der Empore war daher auch gut gefüllt, und es gab viele Zuhörer, als wir die Anthologie vorstellten. Ein wenig laut war es, denn von unten hallte gewaltiger Messelärm zu uns herauf, aber die Autoren gaben ihr bestes. Zu Beginn erzählte Monika Fuchs ein wenig über die Idee und Entstehung des Buchs. Dann lasen einige der Autoren Auszüge aus ihren Werken, wobei ich jeweils die Einleitung zum Text vortrug.
Lesung aus "Autorenträume"
Es gelang trotz der Lautstärke eigentlich ganz gut, nur bei Boris Semrows Gedicht habe ich etwas gepatzt. Es war mir unmöglich, das Wort "Glaspantoffeln" auszusprechen, irgendein böser Zungenkobold machte ein "Blaskartoffeln" daraus. Peinlich. Aber der Autor trug es mit Humor. Hans Gärtner trug sein Hühnergedicht "Ja nun" vor, über das wir später beim Abendessen noch lange sprachen. Martina Sprenger las den Beginn ihrer Geschichte "Der Deutsche Buchpreis und ich". Clara Becker entführte uns in die Traum-Versandabteilung der T-Warenhauskette. Joachim Frank schilderte eine Preisverleihung anz eigener Art und einen Dichter, der verkündete, er wolle mit seinen Werken Geld verdienen. "Wer, wenn nicht ich?", fragte sich Helene Andreasdotter Thulesius, und Heinz-Peter Engertsberger verfiel in einen wahren "Schreibrausch". Und zum Schluss las ich noch den "Blurb" vor, den Klappentext-Fan Horst-Werner Klöckner extra für dieses Buch geschrieben hat.
Von Hühnerbeinpergament und Einlaufkindern
Am Abend traf sich der harte Kern der Autorenträumer im Gutenbergmuseum, wo es einen Gastronomiebetrieb mit sehr großzügigen Öffnungszeiten gibt. Wir unterhielten uns unter anderem über einen Buchbinder, der Bücher in Hühnerbeinpergament einbindet (unser Favorit dafür war das Gedicht "Ja nun"). Nebenbei warfen wir den einen oder anderen Blick auf den Fernseher, denn es gab gerade ein Fußballspiel (Bayern gegen Deutschland). Dabei habe ich ein neues Wort gelernt. Offenbar heißen die Kinder, die am Anfang des Spiels zusammen mit den Fußballern auf den Platz gehen, "Einlaufkinder". Fand ich eklig. Und erntete entsetzte Blicke, als ich meinem Missbehagen Ausdruck verlieh. Egal, abgesehen davon war's ein schöner Abend.
Lesung aus "Mit Klinge und Feder"
Am Sonntag war der Tag der "anderen" Anthologie gekommen: Ich stellte "Mit Klinge und Feder", das Fantasy-Buch der Phantastik Girls, vor. Ebenfalls auf der Empore und bei enormer Lautstärke. Ich hatte ein kleines, aber wohlwollendes Publikum, und mir wurde hinterher versichert, dass ich mit der Stimme gut gegen den Messelärm von unten angekommen bin.
Movenna-Geschichte und Silvester-Märchen
Für die Lesung hatte ich zwei sehr unterschiedliche Texte aus dem Buch ausgesucht. Ich begann mit der Story "Der Reiter auf dem schwarzen Pferd", einer Geschichte aus dem Steppenland im Osten Movennas, in der ich etwas über die Jugend sie Nearith-Helden Zosric erzähle. Im Anschluss trug ich meine Silvestergeschichte "Das Märchen von der verzauberten Straßenlaterne" vor. Immerhin: Vom Sommer konnte man zu der Zeit draußen in Mainz nichts merken. Mein Timing war nahezu pefekt: Als der Lautsprecher die nächsten Lesungen auf der Empore verkündete, las ich den letzten Satz vor.
Dann noch ein paar Stunden am Verlagsstand. Das gefürchtete Zusammenpacken und Aufräumen. Heimwärts auf fast leeren Autobahnen über A66, A5 und meine geliebte A7, und dann einfach nur noch ins Bett fallen und Autorenträume von Klingen und Federn träumen. Mainz war schön. Aber anstrengend. Aber schön.
© Petra Hartmann
http://www.anne-kers...ipressen-messe/