Weihnachtskalender, Türchen Nummer 5
Weihnachten
Herzlich willkommen beim Adventskalender des Forums Buch-Talk. Heute verbirgt sich hinter dem Kalendertürchen ein Weihnachtsmärchen, das ich in grauer Vorzeit einmal für die Melodica-Gruppe meines Vaters geschrieben und inzwischen etwas überarbeitet habe. Viel Vergnügen damit!
Der Reserve-Weihnachtsmann
Den Weihnachtsmann kennt jedes Kind der Welt. Und jedes Kind weiß, dass es der freundliche alte Mann ist, der mit dem Rentierschlitten am 24. Dezember unterwegs ist und buntverpackte Geschenke bringt. Aber ist es wirklich immer der Weihnachtsmann, der in dem roten Mantel steckt und mit „Hoho hoho“ durch den Schornstein rutscht? Wirklich immer? Nun ja, fast immer. Aber es gab auch einen Weihnachtsabend, an dem es ganz anders war.
Das ist schon einige Jahre her. Es war ein sehr kalter Winter. Am Tag zuvor hatte es stark geschneit, die Kinder hatten Schneemänner gebaut, die Straßen hatten sich in eisglatte Rutschbahnen verwandelt, und alle Tannen, die man nicht als Weihnachtsbäume ins Haus geholt hatte, trugen weiße Mützen und Mäntel aus Schnee. Längst war es dunkel geworden, und die Kinder warteten ungeduldig auf den Weihnachtsmann. Doch der kam und kam nicht, obwohl es höchste Zeit für die Bescherung war. Es half auch nichts, dass sie auf ihren Melodicas alle Weihnachtslieder spielten, die sie schon kannten. Der Weihnachtsmann ließ sich nicht blicken.
Auch die Tierkinder im Wald wurden immer ungeduldiger.
„Mami“ fragte das Füchschen, „wann kommt der Weihnachtsmann endlich?“
Die Fuchsmutter drückte ihr Kind an sich und sagte traurig: „Ich weiß es nicht.“
„Kann denn der Weihnachtsmann Weihnachten vergessen haben?“, fragte das Rehkitz.
„Nein, das kann ich mir nicht vorstellen“, sagte die Mutter.
Und der Rehbock murmelte: „Da haben sicher die Rentiere schlappgemacht. Typisch.“
Am quengeligsten waren die Kinder des Osterhasen, der in einem gemütlichen Hasenhäuschen mitten im Wald lebte. Ganz zappelig waren sie und hopsten im Wohnzimmer herum. Fast hätten sie sogar den prächtigen Weihnachtsbaum umgeworfen, so ungeduldig waren sie. Schließlich verlor die Häsin die Geduld. „Hör zu, Mann“, sagte sie zum Osterhasen, „da ist etwas passiert. Lauf schnell hinüber zum Weihnachtsmann und sieh nach dem Rechten.“
„Aber ...“, wandte der Hase schüchtern ein.
„Kein Aber“, schimpfte sie. „Sollen die Kinder etwa dieses Jahr keine Geschenke bekommen? Du bist der schnellste Läufer im Wald, also wirst du wohl hinüber laufen können. Soll ich etwa den Igel aus dem Winterschlaf rütteln und ihn schicken?“
Da wagte der Hase nicht mehr zu widersprechen. Rasch zog er die Turnschuhe an und flitzte los.
Der Osterhase war wirklich der schnellste Läufer des Waldes. Außerdem kannte er viele Abkürzungen, so kam schnell zum Haus des Weihnachtsmanns. Schon von weitem sah den Schlitten mit den vielen Paketen darauf. Die Rentiere waren schon angespannt und scharrten ungeduldig mit den Hufen. Nur der Weihnachtsmann war nirgends zu sehen.
„Es muss wirklich etwas passiert sein“, murmelte der Hase. Aufgeregt hopste er vor der Haustür auf und ab und schlug mit den Vorderpfoten auf die Klingel. Niemand öffnete. Es war nur ein leises Stöhnen zu hören. „Oweiowei“, jammerte der Hase. „Was soll ich nur tun, was mache ich bloß?“
Er lief ums Haus, aber alle Fenster waren verriegelt. Schließlich fand er im Schuppen eine Leiter, die lehnte er ans Haus und kletterte mutig aufs Dach. „So“, murmelte er. „Vielleicht geht es von hier aus. Der Weihnachtsmann ist oft durch meinen Schornstein gerutscht, also passe ich auch durch seinen.“ Er kniff die Augen zu, hielt sich die Nase zu, dann hopste er in den Schornstein und - holterdipolter - in einer Wolke aus Asche und Ruß plumpste er ins Wohnzimmer. „Fröhliche - hatschi - Weihnachten!“, rief er und rappelte sich vom Wohnzimmerteppich auf. „Hallo? Weihnachtsmann?“
Ein Stöhnen kam aus dem Nebenzimmer, und als er hinüberhoppelte, fand er den Weihnachtsmann, der im Bett lag und mit der Hand sein Bein betastete. „Hallo, Osterhase“, jammerte er, „ich fürchte, es wird dieses Jahr keine Geschenke geben. Das schreckliche Glatteis, ich bin beim Beladen des Schlittens ausgerutscht, jetzt kann ich das Bein nicht mehr bewegen. Ich glaube, es ist gebrochen.“
„Zeig mal“, sagte der Hase und fasste das Bein an. „Au!“, schrie der Weihnachtsmann. „Bist du verrückt?“
„Du musst ins Krankenhaus“, bestimmte der Hase.
„Glaubst du?“, fragte der Weihnachtsmann beunruhigt. „Ich dachte, vielleicht wird es von selbst wieder besser.“
„Papperlapapp“, schnitt ihm der Hase das Wort ab. „Weihnachtsmann, du bist ja ein richtiger Angsthase. Komm, stütz dich auf mich.“
Wie der schmächtige Hase den großen schweren Weihnachtsmann in den Schlitten hineinbekommen hatte, konnte er später selbst nicht sagen. Der Weihnachtsmann hat ein enormes Gewicht, und selbst die Rentiere kommen ins Schwitzen, wenn sie ihn ziehen müssen. Aber der Osterhase ist schließlich kein gewöhnlicher Hase. Er schob den Weihnachtsmann auf den Rücksitz zwischen die Geschenke, dann sprang er auf den Vordersitz.
„Hüah, ihr lahmen Enten!“, brüllte er die verdutzten Rentiere an, die erschrocken lossprangen und liefen wie noch nie zuvor.
So erreichten sie das Krankenhaus, wo sich sofort die Ärzte um den Patienten kümmerten. Er bekam einen dicken weißen Gipsverband um sein Bein. Dann steckten sie ihn ins Bett und sagten, er müsse ein paar Tage im Krankenhaus bleiben.
„Das geht nicht“, jammerte der Weihnachtsmann. „Es ist Heiligabend. Ich muss den Kindern die Geschenke bringen.“
„Ja, das ist schlimm“, sagte der Hase und dachte an die kleinen Osterhäschen.
„Was wäre Weihnachten ohne Geschenke“, sagte der Weihnachtsmann, „und was werden die Kinder sagen.“
Der Hase ließ vor Kummer die Ohren hängen. „Ja, wenn es einen Reserveweihnachtsmann gäbe. Aber es gibt leider nur einen einzigen Weihnachtsmann. Der Weihnachtsmann ist genauso einzigartig wie der Osterhase.“
Da saß der Weihnachtsmann plötzlich senkrecht im Bett und starrte den Hasen an. „Ich hab†™s!“, rief er. „Du wirst mich vertreten.“
„Ich?“ Der Hase holte erschrocken Luft. „Aber ich bin doch der Osterhase. Ich hab so was noch nie gemacht, und außerdem ...“
„Also, wer ist nun der Angsthase, du oder ich?“, fragte der Weihnachtsmann. „Es kann ja gar nichts passieren. Schlittenfahren kannst du, das habe ich gesehen. Durch Schornsteine rutschen auch. Wenn du meinen Mantel anziehst, erkennt dich keiner. Außerdem, es ist schon sooo spät. Du bist der einzige, der es schaffen kann.“
„Also“, murmelte der Hase, „ich weiß nicht.“
„Bitte.“
„Na gut - ich mach†™s.“
Damit schnappte er den roten Mantel und rannte los. Er sprang auf den Schlitten. „Hüah, ihr Rentiere, lauft wie ihr noch nie gelaufen seid, sonst gibt es dieses Jahr keine Geschenke.“
Hei, wie hat er geschuftet in dieser Nacht. Immer wieder musste er durch Kamine rutschen, er überreichte Kindern Pakete, bekam Gedichte aufgesagt und Lieder vorgesungen, dann wieder auf den Schlitten, zum nächsten Schornstein, dann in den Wald, wo Füchschen, Rehkitz und die Hasenkinder auf die Bescherung warteten. Es war eine harte Arbeit, aber es stimmte: Er konnte Schlittenfahren wie ein Rennfahrer. Er konnte durch Schornsteine rutschen besser als ein Schornsteinfeger. Und er war das schnellste Tier im Wald und der einzige, der es überhaupt schaffen konnte, die Pakete rechtzeitig auszuliefern.
Erkannt hat ihn in dem roten Mantel niemand. Oder, na ja, sagen wir, fast niemand.
Ich war noch ein ganz kleines Kind damals. Aber als es im Kamin rappelte und in einer Wolke aus Ruß und Asche ein kleiner Hase im roten Mantel auftauchte, habe ich gleich gewusst, dass es nicht der Weihnachtsmann war. Er kam herangehoppelt und sagte: „Hoho - Hatschie - hoho! Fröhliche Ostern - äh Weihnachten.“ Dann gab er mir ein Geschenk.
„Aber Weihnachtsmann, was hast du für große Ohren?“, habe ich gefragt.
„Die - äh, die hab ich, damit ich dich besser hören kann.“
Damit ist er davongehoppelt, und dabei hat sein kleiner weißer Schwanz aus dem Mantel herausgeguckt, daran habe ich ihn erkannt. Ich habe es bisher niemandem verraten. Es muss auch nicht jeder wissen, dass der Osterhase den Weihnachtsmann vertreten hat. Sagt es nicht weiter, Kinder, aber wenn ihr das nächste Mal dem Weihnachtsmann begegnet, dann schaut ihn euch ganz genau an. Vielleicht ist es wieder einmal der Osterhase, der seinem Freund ein wenig hilft.
© Petra Hartmann
Verlosungen
Tja, das war die Geschichte vom Reserve-Weihnachtsmann. Und natürlich gibt es auch heute wieder etwas zu gewinnen. Diesmal ist der Preis ein Kinderkochbuch, gesponsert von Marlies Hanelt. Beantwortet einfach die Frage: "Wer ist der Reserveweihnachtsmann?"
Die Antwort schickt ihr bitte bis zum 24.12.2013 um 24 Uhr unter dem Betreff “Türchen Nr. 5" an die Emailadresse kontakt@buch-talk.de Die Gewinner werden am 25.12.2013 bekannt gegeben und benachrichtigt.
Und wenn ich hier schon einmal eine Verlosung habe, dann mache ich doch gleich weiter und verlose zusätzlich ein Exemplar meines Meermädchen-Romans "Nestis und die verschwundene Seepocke". Schickt mir einfach bis zum 7. Dezember, 23.59 Uhr die Antwort auf die Frage: Womit spielen die Kinder ihre Weihnachtslieder?" an hartmann.holle@web.de.
Viel Erfolg!
Das sechste Türchen öffnet sich morgen im Blog "Anja-Basteleien".