Georg Weerth: Das Domfest von 1848
Klassiker Georg Weerth
Reportage, Satire, Augenzeugenbericht, Literatur und Zeitungsartikel in einem, das ist "Das Domfest von 1848", eine Sammlung von sieben Zeitungsbeiträgen, in denen Georg Weerth in der Neuen Rheinischen Zeitung (18. August - 31. August 1848) aus Köln berichtet.
Keine ganz leichte Aufgabe, wie schon zu Beginn feststand. 600 Jahre nach Grundsteinlegung des riesenhaften Sakralbaus, dessen Fertigstellung sich nun der "Dombauverein" auf die Fahnen geschrieben hatte, gab es tatsächlich Grund zum Feiern. Dank eines privisorischen Holzdachs stand erstmals in der 600-jährigen Baugeschichte fast der gesamte Kirchenbau für eine Messe zur Verfügung. Der Domverein hatte eine Menge an Spenden gesammelt, um das riesge "nationale" Projekt fortzuführen. Doch nun, im Revolutionsjahr, im Jahr, als in der Paulskirche das erste frei gewählte deutsche Parlament zusammentrat, ein solches Fest? Schon die Einladung an den preußischen König hatte für Unmut gesorgt. Und doch kam man an dem mächtigsten Mann Deutschlands nicht vorbei. Die Lösung: Die Kölner luden zugleich als zweiten Ehrengast den soeben neu ernannten Reichsverweser Erzherzog Johann von Österreich, also einen durch die Paulskirche legitimierten Volksvertreter ein, sowie die Mitglieder der der deutschen Nationalversammlung, allen voran Heinrich von Gagern, deren ersten Präsidenten .
Auch keine ganz leichte Aufgabe für den Berichterstatter Georg Weerth. Seine Zeitung weigerte sich nämlich, über das erste Zusammentreffen des Preußenkönigs mit Erzherzog Johann im politischen Teil zu berichten. Da man das Ereignis aber nicht ganz totschweigen und das Feld völlig der Konkurrenz, der "Kölnischen Zeitung" überlassen wollte, verwies man die Aufgabe ans Feuilleton, an den Humoristen. Was auch zur Folge hatte, dass die Berichte erst mit einiger Verspätung erschienen. Das Fest war bereits am 16. August beendet. Weerths erster Artikel erschien am 18. August, und da nicht ale Ausgaben seines Blattes einen Feuilletonteil besaßen, dauerte es fast zwei Wochen, bis die Leser endlich auch den letzten der sieben Berichte erhielten.
Eine Heine'sches Reisebild von Georg Weerth
Weerth macht aus dem (tages-)politischen Ereignis einen literarischen Text. Das Vorbild der "Reisebilder" Heinrich Heines und vor allem dessen Epos' "Deutschland. Ein Wintermärchen" ist unverkennbar. Schon der Auftakt macht deutlich, dass es hier um alles andere als um einen drögen Faktenbericht geht:
"Große Tage liegen hinter uns. Tage, groß wie die Welt, groß wie der Dom. Erhabne Erinnerungen lassen sie zurück und manchen unangenehmen Schnupfen. In der That, die Kölner können sagen, daß sie für ihren König zwar nicht in's Feuer gegangen seien, wohl aber in's Wasser."
Geschildert wird das furchbare Regenwetter, der Jubel des Volkes, das dem Preußischen Monarchen alles verzieh, als er nach einem tüchtigen Tunk die "Nagelprobe" machte, vor allem das Festessen im Saal "Gürzenich". Was gibt es nicht alles zu spotten über die Zusammenkunft in diesem Saal. Die unterschiedlichen Landsmannschaften, politischen Haltungen und Grade an Informiertheit der Besucher bieten Aufhänger für zahlreiche Pointen, und erst recht die offizielle Speisekarte, in die man der Einfachheit halber auch die Programmpunkte eingefügt hat. So findet sich zwischen "Westerwalder Ochsen Rücken" und "Westphälischer Schinken mit Saladbohnen" ein "Festlied von Inckermann", und der Ich-Erzähler kann seinen unwissenden Tischnachbarn viel Wissenswertes über diese nahrhafte Speise aufbinden.
Traumszene im nächtlichen Kölner Dom
Als krönenden Abschluss schildert Weerth im siebten Beitrag eine Traumszene aus dem nächtlichen Dom, mit der er sich nun vollends in die Nachfolge des nur vier Jahre zuvor erschienenen Wintermärchens mit seinen Dom- und Barbarossa-Träumen begibt. Hier sind es allerdings nicht die Heiligen drei Könige wie bei Heine, sondern Maria von Medici und der Heilige Christopherus, die mit dem Autor über Kaiser Barbarossa und die deutsche Einheit, über Revolutionen und Journalismus diskutieren bzw. streiten. Ein furchtbarer Fluch gegen die respektlose Presse seitens des Heiligen, ein karnevalesker Prozessionszug der prominenten Gäste des Domnbaufestes und schließlich ein Glockenschlag, der das Ende der Geisterstunde verkündet, beschließen Weerths Schilderungen.
Hilfreiches Nachwort von Bernd Füllner
Das Büchlein enthält ein Personenverzeichnis und ein Nachwort von Bernd Füllner, in dem der historische und literarische Hintergrund des Textes näher beleuchtet wird. So ist das Büchlein auch für Leser geeignet, die sich bisher nicht oder nur wenig mit Georg Weerth und seiner Zeit auseinander gesetzt haben. Das schmale Taschenbuch enthält darüber hinaus historische Illustrationen aus der Zeit des Dombaus und des Festes, hat also auch optisch einiges zu bieten. Insgesamt ist es eine sehr schön gestaltete Ausgabe eines literarischen Werkes, das es verdient hat, wieder zurück ins Bewusstsein gerufen zu werden.
Fazit: Ein hochinteressanter, sehr humorvoller Text mit ernstem Hintergrund, dargeboten in einer sehr ansprechenden Ausgabe. Unbedingt empfehlenswert.
Georg Weerth: Das Domfent von 1848. Hrsg. und mit einem Nachwort versehen von Bernd Füllner. Bielefeld: Aisthesis Verlag, 2014. 92 S., Euro 12,50.
© Petra Hartmann