Impressionen vom Conventus Leonis
Unterwegs Braunschweig Conventus Leonis Doctor Nikola Darthula
Petra betritt Neuland ... Das erste Mal im Leben las ich in Braunschweig. Dabei ist die Stadt gerade mal eine halbe Stunde von mir entfernt. Es wurde also wirklich langsam Zeit. Und dafür las ich ja nun gleich im Doppelpack.
Der Conventus Leonis ist ein Rollenspieler-Con und hat bereits eine lange Tradition. Nächstes Jahr kann er sein zwanzigjähriges Bestehen feiern. Schon von Anfang an war das Jugendzentrum "Alte Mühle" der Veranstaltungsort. Ich als ortsunkundiger Fahrer, der von Google-Maps durch zwei Straßen gelotst wurde, die für den öffentlichen Verkehr nicht freigegeben waren, erkannte die Location schon von weitem an dem leuchtend roten Banner. Am Kassentisch traf ich auch gleich auf Sven Vogler, der mich eingeladen hatte und sich nun meiner annahm. Großes Kompliment überhaupt an die Con-Macher: Ich sah überall Plakate mit großen bunten Buchcovern, die auf meine Lesungen hinwiesen. So toll hat für mich im Vorfeld noch keiner die Werbetrommel gerührt.
Ein paar Umräumarbeiten im Lesungsraum - Raum 2 - waren schnell erledigt. Ich bestückte einen Büchertisch mit reichlich Lesestoff, organisierte mir ein Wasser ohne Kohlensäure - brrr, aber bei Lesungen nötig - und harrte der Dinge, die da kommen würden.
Darthula - historisch oder nicht?
Die Nachmittagslesung begann um 13 Uhr. Der kleine Raum war recht gut gefüllt, und das Publikum war auch sehr interessiert, wie ich an der anschließenden Diskussion merkte. Ich las zwei Kapitel aus "Darthula" vor und erzählte etwas zur Stofftradition. Besonders interessierten sich die Zuhörer offenbar für die "historische" Darthula und die Frage, ob sich man die Festung, deren Ende ich in meinem Roman heraufbeschworen habe, nicht wie Troja ausgraben könne. Tja, wie das so ist mit Sagenstoffen. Die Bucht, in der Darthula nach ihrer Irrfahrt übers Meer gelandet sein soll, habe ich in einem irischen Reiseführer tatsächlich gefunden ... Und in welcher Sprache dieser Ossian-Fälscher Macpherson denn geschrieben habe, ob das Gälisch war? Nein, es war Englisch, erst später hat er seine Texte ins Gälische übersetzt, als man von ihm die "Originale" verlangte ... Ja, es war eine sehr lebendige Diskussion.
Da ich bis zur nächsten Lesung noch einige Zeit hatte, konnte ich mich gemütlich am Grill anstellen und auf ein schönes Steak (mit Brötchen und Krautsalat) warten. Übrigens bei Sonnenschein und zum ersten Mal im Jahr ohne Jacke.
Rollenspieler, Blut und Bankraub-Pläne
Wisst ihr, was ich an Rollenspieler-Cons liebe? Das sind die herrlichen Dialoge am Nebentisch. Faszinierend und für Außenstehende etwas beängstigend etwa dieser Gesprächsfetzen:
"Also, sie war eine Tiermeisterin. Sie war Elfe und hatte einen Leoparden. Und sie hatten uns gerade alle Waffen geklaut. Dann hat sie gewürfelt, eine 10, und gefragt: 'Kann ich dich damit treffen?' Er hat 'ja' gesagt, dann hat sie eine 27 gewürfelt, und plötzlich spritzte das Blut auf uns, und er fiel in zwei Hälften zerteilt zu Boden. Weil, als Tiermeisterin hatte sie ja die Eigenschaft 'Krallen' ..."
Oder:
"Was ist das?"
"Das ist das Regelwerk. Aber keine Angst, das musst du nicht ganz durchlesen."
"Und das da?"
"Ach, das sind nur ein paar Monster."
Oder:
"Du kannst ein Mensch sein oder ein Zwerg oder eine Elfe oder ein Stein ..."
"Ein Stein?"
"Ja, das sind Obsidianer, das sind lebende Steine."
Und dann war da noch die Rollenspielgruppe, die im Zug ihre Flucht nach einem Bankraub besprochen hatte. "Plötzlich waren um uns herum keine normalen Reisenden mehr, dafür aber ganz viel Polizisten ..." Kann passieren.
Ledertaschen und Comic-Portemonnaies
Im oberen Stockwerk gab es einen Stand des Uhrwerk-Verlags, im mittleren waren bezaubernde Ledertaschen und -beutel der Lederleute zu finden. Faszinierend vor allem aber im Erdgeschoss die selbstgemachten Portemonnaies von Jan "Heartman" Hartmann. Der Mann näht aus alten Comics und Landkarten zauberhafte Geldtäschchen, und das edle Stück, das er aus einem alten Green-Lantern-Heft gemacht hat, das hat mich schon angelacht. Aber ... Naja, vielleicht nächstes Mal, wenn ich etwas reicher bin. Auf jeden Fall eine gute Geschäftsidee. Er hat mir erzählt, dass er viel im Zug unterwegs ist und dann die langen Fahrtzeiten zum Arbeiten nutzt. Ich wäre ja gern dabei, wenn er im ICE, umgeben von Laptop-Besitzern, plötzlich seine Nähmaschine auf den Tisch stellt und losnäht. Die Gesichter der anderen - unbezahlbar.
Doctor Nikola, Furunkula und die Moral
Die zweite Lesung begann um 18 Uhr. Dazu hatten sich ein paar Freunde aus Braunschweig angekündigt, ich war also gar nicht bange, dass der Saal voll werden würde. Es kamen aber auch noch eine ganze Menge "Freiwillige". Diesmal las ich aus "Das Serum des Doctor Nikola" vor, und zwar das erste Kapitel, in dem mein Protagonist Felix - nach Begegnungen mit einer wütenden Vermieterin und einem nicht sehr hilfreichen Arbeitsvermittler - auf den sinistren Superschurken Nikola trifft. Ferner das Kapitel, in dem Felix in Nikolas Auftrag an die Berliner Börse zurückkehrt, und zum Abschluss als Aufheiterung das Märchen von Furunkula Warzenkraish, natürlich mit dem dazugehörigen Furunkula-Sound. Das kam wohl ganz gut an.
Es gab einige Diskussionen über die beiden "schwarzen Freitage", 1927 in Berlin, 1929 New York, letzteres Auftakt der Weltwirtschaftskrise. Mein Berliner Dialekt ging ohne Beanstandungen durch, offenbar hatten die Zuhörer tatsächlich den Eindruck, ich "könnte" berlinern. Ich hatte sogar erstmals Gelegenheit, meinen einzigen polnischen Satz, anzubringen. (Der kommt in den "Freiheitsschwingen" vor, und bis zur ersten Lesung daraus im Juni muss ich unbedingt noch etwas üben.) Passen musste ich allerdings bei der Frage, was denn die "Moral" des Furunkula-Märchens sei. Hm, vielleicht: "Sag alten Frauen niemals, dass ihr Gesang furchtbar klingt"?
Tacos, Todsünden und Kuchen
Später gab es noch eine gemütliche Gesprächsrunde bei Tacos und Kuchen über Hannah Arendt, die sieben Todsünden, Lyrik, Filmdreharbeiten, Körperwelten, Liedermacher, interessante Gewandungen und die Frage, wie ein Mensch überhaupt zum Schreiben kommt.
Es war ein schöner Tag, der mir sehr viel Spaß gemacht hat. Mal sehen, vielleicht bin ich ja nächstes Jahr wieder dabei auf dem Löwen-Con.
© Petra Hartmann