Sauberes Abendessen - ein Weihnachtsmärchen
Weihnachten
Die Geschenke sind eingepackt, alle Einkäufe erledigt, einen Baumkauf auf den letzten Drücker muss ich auch nicht mehr erledigen ... Zeit, endlich zur Ruhe zu kommen und euch allen ein frohes, besinnliches Weihnachtsfest zu wünschen. Und wenn ihr noch etwas Lesestoff vor der Bescherung braucht - hier kommt mein neues Weihnachtsmärchen. Viel Vergnügen damit!
Sauberes Abendessen
„Heute Abend tun sie uns wieder ein Kind ins Essen.“
„Ich hoffe nur, dass die Windeln diesmal dicht sind.“
„Das sind sie nie.“
„Jedes Jahr an Heiligabend legen sie uns ein Kind ins Essen.“
„Ja, und jedes Jahr an Heiligabend schmeckt unser Heu nach Kinderkacke.“
Hans, der Esel, und Berta, die Kuh, starrten verdrossen in ihre Futterkrippe. Selma, Isolde und Benjamin, die drei Schafe, blökten vor sich hin und schauten auf ihre Vorderhufe. Keine guten Aussichten.
Das Krippenspiel mit echten Tieren im Stall von Bauer Heiner Silbermann erfreute sich seit Jahren großer Beliebtheit bei den Einwohnern von Kleinweltwinkel. Bei den zweibeinigen Einwohnern. Die Tiere, die als unfreiwillige Statisten mitspielten, hatten darüber jedoch eigene Ansichten. Selbst die Kuh Berta, die viel vom Christentum hielt, wurde verdrießlich, wenn es auf die Weihnachtszeit zuging. Dabei stammte sie doch, wie sie allen Stallbewohnern immer wieder mit stolzgeschwellter Brust erzählte, in direkter Linie von dem Ochsen aus dem Stall zu Betlehem ab. Auch wenn der Esel darüber spottete und behauptete, niemand könne von einem Ochsen abstammen. Jedenfalls war auch die fromme Kuh Berta beim Gedanken an das heutige Abendessen ausgesprochen missmutig.
„Es ist eine Missachtung“, sagte der Esel.
Die Schafe blökten: „Es schmeckt besch...“
„Schschsch, nicht so schlimme Wörter“, ermahnte die Kuh. „Bald werden Kinder anwesend sein.“
„Darum geht es ja gerade“, sagte der Esel und ließ die Ohren hängen. Es war einfach zu traurig. Doch plötzlich, wie von ungefähr, schoss ihm ein Gedanke durch seinen grauen Kopf, und die Ohren richteten sich wieder steil auf. „Hört mal“, sagte er, was haltet ihr davon, wenn wir einfach gemeinsam weggehen?“
„Du meinst: Abhauen?“, fragte Kuh Berta fassungslos. „Durchbrennen, ausbrechen, sich vom Acker machen, Land gewinnen, weglaufen ...?“
„I-jah“, sagte Hans und nickte bedächtig.
„Ja, das ist gut“, blökten die Schafe. „Lasst uns abhauen. Etwas Besseres als vollgemachtes Heu finden wir überall.“
„Also gut“, seufzte Berta. „Nun denn, Esel, sag an: Wo soll†™s denn hingehn?“
„Naja, wir könnten im Prinzip überall hingehen, zum Beispiel rechts entlang, den Weg zum Wald.“
„Ja, Wald ist gut, Wald ist Abenteuer und Märchen und Zauber“, blökten die Schafe. Und damit war alles entschieden.
Hans der Esel schob mit seiner Schnauze die Stalltür auf, lugte vorsichtig nach rechts und links, warf noch einen ärgerlichen Blick auf den leuchtenden Stern, den Bauer Silbermann wie jedes Jahr zum Krippenspiel über die Stalltür gehängt hatte, und trippelte dann auf Hufspitzen hinaus. Kuh Berta folgte ihm, wenn auch nicht ganz so leise, dann trappelten und sprangen die drei Schafe heraus und hopsten aufgeregt um die beiden herum. Ein Ausflug ohne Hütehund, das würde spannend werden. So zogen sie los.
Sie waren noch nicht allzu weit gekommen auf ihrer Wanderung, als sie am Wegrand ein Häuschen entdeckten.
„Wer mag darin wohnen?“, blökten die Schafe.
„Lass uns doch einfach einmal anklopfen“, riet Berta die Kuh, die sehr wohlerzogen war. So bollerte Esel Hans mit dem Vorderhuf gegen die Tür - viel lauter, als die höfliche Berta es sich vorgestellt hatte.
„Wer ist dort?“, kam eine alte, brüchige Stimme aus einem der hinteren Zimmer.
Esel, Kuh und Schafe sahen sich ratlos an. Sollten sie verraten, dass sie um sauberes Heu betteln wollten? Aber dann würde die alte Frau sie womöglich davonjagen, und der Magen knurrte den fünf Tieren schon ganz gewaltig.
„Enkeltrick“, flüsterte Hans, der sich in seinem klugen grauen Kopf schon einen Plan ausgeknobelt hatte. Er räusperte sich. „Rat doch mal, wer hier ist, Großmutter“, flötete er mit zuckersüßer Kleinmädchenstimme.
„Bist du etwas meine liebe Enkelin, das Rotkäppchen?“, fragte die heisere Stimme von drinnen zögernd.
„I-jah“, schrie der Esel freudig. „Ich bin das Brotköppchen, darf ich hereinkommen?“
„Was für ein komischer Name“, maulten die Schafe. Doch aus dem Haus kam ein freundliches: „Ach, dann komm doch herein zu deiner lieben alten Großmutter, du gutes Kind.“
„Da, bitte, sie hat†™s geschluckt“, sagte der Esel triumphierend. „Jetzt die Schafe vor. Geht rein, kuschelt euch an sie, und immer schön auf niedlich machen. Das ist die Art, wie man mit alten Damen umzugehen hat.“
Die Schafe trippelten flink in die gute Stube hinein. Und dann in die Kammer. Dort lag im Bett eine offensichtlich sehr alte Frau, die hatte die Nachthaube tief ins Gesicht gezogen und war bis obenhin zugedeckt. Plötzlich kam ihnen die Sache nicht mehr ganz astrein vor.
„Aber Großmutter, was hast du denn für riesengroße Pranken?“, fragte die kleine Isolde schüchtern.
„Damit ich dich besser packen kann!“ Die Großmutter sprang aus dem Bett auf Isolde zu, packte das Schaf am Nackenfell, riss ihren furchtbaren Wolfsrachen auf und - in diesem Augenblick sprang Hans dazwischen. Er bäumte sich auf, warf sich herum, bockte und jagte dem Wolf mit voller Kraft beide Hinterhufe in die Rippen, dass das Tier aus dem Fenster flog und heulend davonhinkte.
„Wir müssen vorsichtig sein“, stellte Hans fest. „In diesem Wald ist offenbar einiges nicht geheuer. Jetzt schnell, seht euch um. Könnt ihr hier irgendwo Heu entdecken?“
Berta, Selma, Isolde und Benjamin wandten hastig die Köpfe. Etwas Geld, Schmuck, eine goldene Uhr, aber nichts wirklich Wertvolles. Enttäuscht verließen sie das Haus. Ihr Magen knurrte. Kein sauberes Weihnachtsstroh von der Großmutter. Also weiter. Als sie an eine Weggabelung kamen, schlugen sie den Weg nach rechts ein. Und nach einer guten halben Stunde erreichten sie ein neues Häuschen. Huh, wie sah das komisch aus.
„Kann man das etwa alles essen?“, muhte Berta ungläubig.
„Schaut nur“, flüsterte Benjamin andächtig, „das sind Lebkuchenziegel. Und Fenster aus Zuckerguss. Und Spekulatiuskeks. Und Dominosteine. Und Mandeln, Nüsse, Äpfel. Da, der Türriegel, das ist eine Zuckerstange, seht doch nur.“
„Da ist bestimmt ein Haken dabei“, murmelte Hans. „Aber lasst uns doch mal ein bisschen kosten. Ganz vorsichtig.“ Und er brach mit den Lippen gaaanz vorsichtig ein Stück Christstollen vom Türklopfer ab.
„Knusper, Knusper, Knäuschen, wer knuspert an mein†˜ Häuschen?“, klang da eine uralte Frauenstimme hinter der Tür hervor.
„Sagt niemandem in diesem Wald eure Namen“, flüsterte der Esel hinter vorgehaltenem Vorderhuf. Dann spitzte er die Lippen und flötete: „Der Wind, der Wind - und Brotköppchen, das himmlische Kind.“
„Du willst mich wohl vergackeiern“, schimpfte die alte Frau. Sie riss die Tür auf und starrte die fünf Tiere wütend an. „Na wartet, euch koche und backe ich, dass es ein herrliches Weihnachtsmahl geben wird. Ich heize gleich den Ofen an, haha.“
Die alte Frau nahm einen Arm voll Holz und trug ihn hinüber zu ihrem Ofen, in dem das Feuer schon munter flackerte. Doch als sie sich zur Ofenklappe hinab beugte, geschah es. Ihr Rock hob sich, und die leuchtend rote Unterhose der Alten wurde sichtbar.
„Haltet mich!“, flehte Berta. „Haltet mich fest, oder es geschieht ein Unglück!“
Doch Esel und Schafe blickten sich nur ratlos an. Und dann war es zu spät. Berta sah nur noch Rot. Berta stammte mütterlicherseits aus Spanien. Rot, das war die Farbe, die ihre Ahnen aus den spanischen Stierkampfarenen jahrhundertelang bis zur Ekstase gereizt hatte. Das Blut schoss der alten Kuh in die Nase. „Ole!“, schrie sie lauthals auf, dann senkte sie die Hörner und galoppierte auf die alte Frau zu.
„Ojeh!“, riefen Benjamin, Hans, Isolde und Selma.
Die alte Frau flog durch die Luft, landete mitten im Ofen, sprang heraus und rannte davon, wobei sie eine lange Spur aus Flammen und Rauch hinter sich herzog. „Hilfe! Polizei! Räuber! Diebe! Mörder! Feuerwehr!“, schrie sie.
„Lasst uns lieber abhauen“, blökten die Schafe.
Ein Rat, den Hans und Berta nur allzu gern befolgten. Die Fünf rannten davon, als sei der leibhaftige Teufel hinter ihnen her, und hielten erst wieder an, als der Weg sich erneut gabelte.
„Wir gehen rechts lang“, entschied Hans, „denn wir sind bisher immer rechts gegangen, und es gäbe ein furchtbares Kuddelmuddel, wenn wir jetzt die Richtung ändern würden.“
Der Weg war lang und kalt. Und es wurde immer dunkler. Die fünf Tiere hungerten und froren entsetzlich. Nun kam auch noch die Angst hinzu.
„Oh, ich wollte, wir hätten uns gar nicht auf dieses dumme Abenteuer eingelassen“, jammerte Selma.
„Ja, bleibe im Stall und nähre dich redlich“, brummelte Benjamin.
„Besser Heu mit Kinderkacke als gar keins“, maulte Isolde.
„Stopp mal“, unterbrach plötzlich Hans das Geblöke der Schafe. „Dort vorn sehe ich ein Licht. Vielleicht gibt es ja dort etwas zum Essen.“
Langsam schlichen sie auf das Licht zu, das sich bald als das Fenster einer weiteren Hütte entpuppte. Wobei Hütte nicht ganz das richtige Wort war. Dort stand ein kleines, gemütliches Glitzerpalästlein mit großem Garten, mit einem beheizten Swimming-Pool, einem kleinem Golfplatz und einer Tennisanlage. Hinter den Fenstern ging es hoch her. An einem langen Tisch saßen vierzig Herren in dunklen Anzügen, stapelten Geldscheine und Aktienpakete, lachten und tranken perlenden Champagner aus hohen Kristallgläsern. Befrackte Diener liefen eilfertig hin und her und reichten Schüsseln mit Kaviar und Austern herum. Und jedesmal, wenn einer der vierzig Herren sich eine dicke Zigarre anzündete, benutzte er dazu einen Tausend-Euro-Schein.
„Wenn diese Leute Geld wie Heu haben, dann ist sicherlich auch für uns etwas übrig“, freuten sich die Schafe.
„Dann ist ja endlich alles in Butter“, muhte Berta die Kuh.
„Dann wollen wir mal“, sagte Hans der Esel und drückte mit der Nase auf den Klingelknopf.
Erst tat sich gar nichts. Dann knisterte und knarzte etwas in der Gegensprechanlage. Eine Stimme näselte herablassend: „Ja?“
„Wir sind die Band für heute Abend“, flunkerte Hans geistesgegenwärtig.
„Die Herrschaften haben mir nichts von einer Band erzählt.“
„Natürlich nicht“, sagte Hans. „Der Live-Gig heute Abend soll ja eine Überraschung sein. Wir sind das original Glamorous City Musicians Quintett unter Leitung von the one and only Sir John Donkey himself, extra eingeflogen aus Bremen, und wenn wir hier noch lange im Schnee stehen müssen, ist meine Stimme hin, und wir müssen den Auftritt deinetwegen absagen. Du wirst mächtig Ärger mit deinen Chefs bekommen.“
Da fürchtete sich der Diener und öffnete die Tür. Entsetzt starrte er auf die fünf Tiere, die sich an ihm vorbei ins Warme drängten. Doch Hans hatte schon den Weg gefunden. Zielstrebig marschierte er auf den Festsaal zu und trat ein.
Vierzig Augenpaare richtete sich auf ihn. Fassungslos starrten die Männer den Esel an, der da mitten auf dem Parkett stand. Dann kam eine Kuh herein. Und dann begann der Raum vor Schafen nur so zu wimmeln.
„Was sollen wir tun?“, flüsterte Isolde nervös. „Alle starren uns an.“
„Showtime“, gab Hans gelassen zurück. „Zuerst etwas Akrobatik und dann Gesang. Danach werden sie uns ja wohl ein kleines Catering zukommen lassen.“
Akrobatik war etwas, das die fünf Freunde beim Grasen hinter Bauer Silbermanns Stall schon oft aus Langeweile versucht hatten. Vor allem ihre „große Pyramide“ war bei ihrem Publikum aus Hühnern und dem Hofkater immer sehr gut angekommen. Darum wusste auch jetzt jeder, was er zu tun hatte. Die kräftige Berta ging etwas in die Knie, erst vorn, dann hinten. Hans nahm direkt neben ihr Aufstellung, schaute allerdings in die entgegengesetzte Richtung, und ging ebenfalls in die Knie, erst hinten, dann vorn. Dies war das Startsignal für Benjamin und Selma, die nun die zweite Stufe der Pyramide bildeten. Benjamin stellte sich mit den Vorderhufen auf Bertas Kuppe und mit den Hinterhufen auf Hans†˜ Po, Selma mit den Vorderhufen auf Hans†˜ Kuppe und mit den Hinterhufen auf Bertas Po. Vorsichtig balancierten die Schafe, bis die Gruppe ein gutes Gleichgewicht gefunden hatte. Schließlich kletterte Isolde, das kleinste und leichteste Schaf, auf die Spitze der Pyramide. Breitbeinig stand sie dort oben, zwei Hufe auf Benjamins Rücken und zwei auf Selmas.
„Und?“, fragte Berta, die mit dem Rücken zum Publikum stand. „Wie sieht es aus? Sind sie begeistert?“
„Ich würde sagen: Fassungslos“, sagte Benjamin, der die vierzig Männer gut im Blick hatte. Sie waren alle von ihren Stühlen aufgesprungen und starrten mit weitaufgerissenen Augen auf die Tierpyramide. Einigen stand der Mund weit offen.
„Sollen wir jetzt singen?“, fragte Benjamin.
„Ja, lass uns schnell singen und dann endlich etwas essen“, drängelte Isolde.
„Mir hängt der Magen schon auf den Knien“, jammerte Selma.
„Also los“, kommandierte Hans. „Eins, zwei drei und ...“
„Stihille Nacht!“, i-jahte, muhte und blökte die Tierpyramide.
Das Fensterglas zersprang, da der Esel leider einen halben Ton zu hoch gesungen hatte.
Da schrien die vierzig Männer vor Angst auf und rannten davon.
Verblüfft sahen sich die fünf Tiere an. Dann bauten sie langsam ihre Pyramide wieder ab.
„Banausen!“, sagte Berta.
Traurig sahen sie sich im Saal um. Und nun?
Isolde schnupperte neugierig an einem der Champagnergläser und quiekte erschrocken auf, als ihr die Perlen in die Nase stiegen.
„Hier hat einer in die Austern gespuckt“, stellte Hans verärgert fest. Er putzt den zähen Schleim mit einer Serviette aus und versuchte dann, etwas von der Schale abzubeißen. „Steinhart. Das kann man nicht essen.“
Berta schon ihre Nase in den Kaviar und wandte sich gleich darauf angeekelt ab. „Die Marmelade schmeckt nach Fisch und ist total versalzen“, murrte sie.
Benjamin spuckte gerade eine zerkaute Zigarre wieder aus und schüttelte sich vor Ekel. Und Selma knabberte an einigen Geldscheinen herum und stellte enttäuscht fest, dass man Geld nicht essen kann.
„Ich habe Hunger“, wimmerte Isolde.“
„Ich auch - ich auch - ich auch - ich auch.“
„Was tun wir also?“, fragte Berta
„Was bleibt uns übrig. Wir können entweder hier sitzen bleiben und verhungern. Oder wir gehen weiter“, sagte Hans.
„Ja, was bleibt uns auch anderes übrig. Aber bald kann ich wirklich nicht mehr.“
Die Tiere machten sich also schweren Herzens und leeren Magens erneut auf den Weg. Es war inzwischen stockfinster. Eisiger Wind strich ihnen durchs Fell. Sie zitterten und jammerten. Aber sie bissen die Zähne zusammen. Was sollten sie auch tun?
Nach einer Weile kamen sie erneut an eine Weggabelung. Sie gingen nach rechts, und wenig später lichtete sich der Wald. Offenes Feld lag vor ihnen. Darüber erstrahlte ein prachtvoller Sternenhimmel.
„Was mag das für ein Stern dort vorn sein?“, fragte Isolde.
„Keine Ahnung“, gab Hans zu.
„Aber er gefällt mir. Er leuchtet so hell und warm“, sagte Benjamin.
„Ich habe das Gefühl, der Stern leuchtet nur für uns so schön“, schwärmte Selma.
„Wir sollten ihm folgen“, sagte Berta. „Schon mein Urahn, der Ochse von Betlehem ...“
„I-jah, i-jah“, wir kennen die Geschichte“, kürzte Hans die Erzählung Bertas ab. „Also los, folgen wir dem Stern.“
Die fünf Freunde marschierten weiter. Immer dem Stern nach. Der Stern wurde größer und größer.
„Ich glaube, ich weiß, was das für ein Stern ist“, flüsterte Isolde nach einigen Minuten.
„Ja, ich habe auch eine Vermutung“, sagte Selma, als sie noch eine Weile weitergewandert waren.
„Ich bin ganz sicher“, meinte Benjamin, als der Stern noch größer geworden war.
„Ja, ich kenne ihn auch“, stellte Berta fest. Da standen sie schon vor dem Stern.
Hans stupste den in warmen Gelb- und Orangetönen leuchtenden Stern schließlich sanft mit der Nase an. Es war der große Stern des Stalles von Betlehem, den Bauer Heiner Silbermann in den Stalleingang gehängt hatte.
Als Hans die Stalltür aufschob, richteten sich alle Augen auf ihn. Fast 80 Besucher hatten sich um die kleine Krippe versammelt, um das Krippenspiel mit echten Tieren zu sehen. Maria, Joseph, Hirten, Engel und Könige, alle waren schon da. Doch diesmal hatten alle nur Augen für die Tiere, die man bereits schmerzlich vermisst hatte.
Würdevoll hielten die fünf Hauptpersonen des Stückes Einzug in den Stall. Hans voran, dann Berta, gefolgt von Benjamin und Selma, und zuletzt trippelte die kleine Isolde zur Tür herein. Langsam und feierlich schritten sie hinüber zur Krippe. Beinahe sanft stupste Hans das kleine Jesuskind mit der Nase an und schob es ein wenig zur Seite. Dann begannen sie zu essen.
„Schmeckt nach Weihnachten“, sagte Berta. Und sie fühlte sich ihrem Ahnherrn, dem Ochsen von Betlehem, ganz nahe in dieser Nacht.
© Petra Hartmann