Jahresrückblick: Januar bis März 2015
Jahresrückblick
Doch nun ein Blick auf meine Lesefrüchte des vergangenen Jahres. Zunächst das erste Quartal. Es ist, wie im vergangenen Jahr, eine Menge "Wiedergelesenes" darunter, das ich als kostenloses oder günstiges eBook erstanden habe, ein paar neu entdeckte Klassiker, etwas Phantastik und etwas Lyrik. Viel Spaß damit - vielleicht ist ja etwas für euch dabei.
Legende:
Ein (e) hinter dem Titel bedeutet, dass ich den Text in der eBook-Fassung gelesen habe.
Blaue Schrift weist auf herausragend gute Bücher hin.
Rot markiert sind Bücher, die ich so abgrundtief schlecht finde, dass ich euch ausdrücklich davor warne.
Bei verlinkten Titeln landet ihr auf ausführlicheren Besprechungen innerhalb dieses Blogs.
Januar
Regine Mengel: Am 13. Tag II: Kis-Ba-Shahid (e)
Der zweite Teil einer zauberhaften Trilogie über ein Mädchen, das von Flaschengeistern abstammt und aus unserer Welt in die geheimnisvolle Welt "Kis-Ba-Shahid" hinüberwechselt (Tel 1 las ich letztes Jahr, gibt es als kostenlose Leseprobe). Sie landet in einem Land, das aus Tausendundeiner Nacht zu stammen scheint - mit sehr vielen humorvollen und parodistischen Elementen aus unserer Welt. Herrlich zum Beispiel die Seherin "Seherazade" und die technischen Errungenschaften der Wahrsagekugeln in Kis-Ba-Shahid, inklusive Faxgerät, oder der jugendliche Dieb Ali Baba, der sich als Haupt einer Bande von 40 Räubern bezeichnet, aber gerade mal sechs Leute aufbieten kann. Wunderbar auch die Schilderungen aus der magischen Bibliothek. Jawohl, auch Bücher haben eine Seele, und wer eines quält, etwa durch Unterstreichungen oder Eselsohren, der soll sich nicht wundern, wenn sie wegfliegen oder sich wehren. Fazit: Ein herrliches Abenteuer, man möchte mehr davon, mehr, mehr und immer mehr.
Lutz Seiler: pech & blende
Ein Fundstück im Lyrikregal beim Buchhändler meines Vertrauens. Ein Gedichtband eines Menschen, der eine ganze Menge kann, keine Frage. Aber mir persönlich gefiel es weniger, vor allem wegen des Zeilenfalls, der meinem Lesegefühl diametral entgegenlief. Anstrengend und unschön, hat mir keinen Spaß gemacht. Nun ist es nicht Aufgabe eines Lyrikers, mir Spaß zu machen, aber ich war mit der Lektüre einfach ziemlich unglücklich.
Günter Abramowski: vor den toren von tag & nacht
Tassilo 14: Die Stufen der Eliandysse
Karl Krolow: Schattengefecht
Ene Sammlung mit theoretischen Texten des Dichters, in denen er sich der Lyrikgeschichte und einigen Motiven widmet. Sehr interessant vor allem der titelgebende Dialog bzw. das Selbstgespräch am Schluss. Macht Lust darauf, sich einmal wieder mit Krolows Lyrik zu befassen.
Herder: Abhandlung über den Ursprung der Sprache (e)
Ein Text, den ich während des Studiums als Reclamheft gelesen habe. Unvergessen die Diskussionen im philosophischen Seminar von Karl-Friedrich Kiesow darüber. Ein Wiedersehen mit dem Lamm ("Du bist das Blökende") und dem Menschenkind, das unter Bären herumkraucht, und der Feststellung, dass der Mensch schon von Anfang an Sprache hat. Ein wichtiger, wenn auch stellenweise etwas verworrener Text. Zum Wiederlesen ist das kostenlose eBook ganz okay, Ensteigern würde ich für de Erstlektüre aber doch die kommentierte Reclamfassung empfehlen.
Valerian & Veronique 19: Am Rande des Großen Nichts
Valerian & Veronique 20: Das Gesetz der Steine
Valerian & Veronique 21: Der Zeitöffner
Letzter Band der Gesamtausgabe: Der Abschluss der wunderbaren Serie, erneut märchenhaft und bezaubernd, ein Eintauchen in eine andere Welt voller phantastischer Details. Diese Hardcover-Gesamtausgabe bei Splitter hat sich echt gelohnt, die jeweiligen Einleitungen und die Aufmachung stimmen, ein Buch, das jeden Cent wert ist.
Dirk van den Boom: Ein Leben für Leeluu (D9E 5)
Der fünfte Band der SF-Reihe "Die neunte Expansion" erzählt von der Vorbereitung einer Revolution und einem Sabotageakt in einer Welt, die etwas ganz anderes ist, als sie zu sein scheint. Sprache, Handlungsführung und Personenzeichnung sind hervorragend, und das Überraschungsmoment am Ende, als die geheimnisvollen Helfer ihr eigentliches Objekt der Begierde erlangen, hat mir sehr gut gefallen. Eine deutliche Steigeung gegenüber dem Auftaktband "Eine Reise alter Helden" (der ja auch nicht schlecht war). Ich freue mich schon auf die weiteren Abenteuer dieser Helden.
Stille. Die besten Geschichten der Storyolympiade 2013/2014
Das Buch enthält die besten Beiträge zum Wettbewerb, 29 sehr unterschiedliche Texte, in denen sich 30 Autoren mit dem Thema "Stille" auseinandergesetzt haben. Außer den drei Siegertexten "Namu" (Günter Wirz, Geschichte einer Art magischen Initiation oder Visionssuche), "Verbindungsabbruch" (Daniel Schlegel, eher Cyberpunk) und "Der Gesang der Engel" (Vanessa Kaiser und Thomas Lohwasser, eine Art Thriller mit Kindheitstrauma und Hexenhausmotiv) möchte ich vor allem "Helfen Sie der Vigilanz!" von Thomas Heidemann als einen der wenigen humoristischen Beiträge sowie den eher märchenhaften Text "Der Wassermann vom schwarzen Weiher" hervorheben. Aber auch die anderen sind ausgesprochen lesenswert, Totalausfälle gab es nicht.
Antonia Michaelis: Niemand liebt November
Wahrscheinlich habe ich es in diesem Blog schon ziemlich oft geschrieben: Ich liebe Antonia Michaelis. Und wenn niemand November liebt, ich liebe auch diese November. November ist der Name, den sich eine 17-Jährige gibt, die ihre Eltern finden will. Als Vierjährige wurde sie plötzlich von ihnen verlassen, stieg dann auf der Suche auch noch in eine Bahn und weiß nun nicht einmal, in welcher Stadt sie suchen soll. Nach Jahren in diversen Heimen schaffte sie es abzuhauen. Zusammen mit ihrer Katze macht sie sich auf die Suche. Sie hat nur einen Anhaltspunkt: Die Adresse einer Kneipe, in der ihr Vater oder ihre Mutter einmal verkehrt haben soll.
Antonia Michaelis gießt über ihre Heldin die ihr eigene ganz besondere Mischung aus Dreck und Zauber aus. November erlebt Dinge, die man einer Minderjährigen - und auch einer Erwachsenen - gar nicht begegnen lassen möchte. Alkohol, Zigarretten, Sex mit widerlichen älteren Männern, die sie bezahlen, Perversitäten. Doch immer ist da die Katze, die eigentlich gar nicht mehr leben dürfte, so alt ist sie, und da ist noch der geheimnisvolle Junge, der mitten im kältesten Winter in seinem Zelt liest und für November ein sanftes, freundliches Licht spendet. Immer wieder scheint die Spur ihres Vaters verloren zu gehen, immer wieder stößt November dann doch noch, wie von einer freundlichen, übernatürlichen Macht geführt, auf einen neuen Hinweis.Und wird es ihr gelingen, die verlorenen Eltern tatsächlich zu finden und wieder zu vereinen? Nun, Antonia Michaelis ist keine Schönwetterautorin, und ein Happy End mit rosa Wolken wäre wirklich nicht stimmig gewesen. Aber es ist ein gutes Buch, ein verdammt gutes.
Christoph Martin Wieland: Glycerion und Menander (e)
Wielands Briefromane über Helden aus der Antike gehören zum besten, was die deutsche Literatur zu bieten hat. Leider ist dieser Klassiker immer noch ein Geheimtipp und wird wohl auch immer einer bleiben. Vor allem, da seine Texte doch einige Ansprüche an mythologisches, literarisches und historisches Hintergrundwissen stellen. Ich habe den Briefwechsel von Glycerion, Menander und ihren jeweiligen Vertrauten Mitte der 90er Jahre erstmals gelesen, in der sehr schönen, leider unkommentierten Ausgabe bei Haffmanns. Anfang des 3. Jahrtausends gönnte ich mir die Hörbuchfassung, gelesen von Jan Philipp Reemtsma. Beide Ausgaben seien euch ans Herz gelegt. Auch die eBook-Fassung ist in Ordnung, ich würde sie aber wegen der Flüchtigkeit des Lesens am Reader eher für Wiederleser als für Erstleser empfehlen.
Wieland erzählt in diesem Buch eine Liebesgeschichte ganz eigener Art. Der Komödiendichter Menander, neben dem großen Aristophanes der bekannteste griechische Dichter in diesem Genre, und die junge Frau Glycerion, die bekannt wurde durch die schönen Blumenkränze, die sie zu binden weiß, verlieben sich in einander. Schon lange vor der ersten Begegnung sind beide dem jeweils anderen zugeneigt. Glycerion verehrt den Dichter und liebt seine Stücke, sie leidet schwer daran, wenn andere, weniger begabte Dichter bei den großen Dionysien den Preis davontragen. Als sie in Athen dabei ist, wie ein schlechter Dichter den Sieg über ihren Liebling davonträgt, verkündet sie im Theater, sie wolle für Menander einen Siegerkranz winden, der viel schöner ist als der Theaterlorbeer, den ein unverständiges Volk vergab. Doch auch Menander ist schon lange verliebt in Glycerion. Er sah ein Bild, für das sie Modell gestanden hatte, und kann seither nur an sie denken. Menander und Glycerion kommen sich näher, eine besondere Freundschaft, Liebe, Beziehung, was auch immer beginnt. Aber Wieland wäre nicht Wieland, wenn er es mit einer plumpen Heirat und einem Happy End ausklingen ließe. Nach und nach emanzipiert sich die schon von Anfang an sehr selbstsichere und kluge Glycerion und schafft es, sich sehr stilvoll von ihrem Idol zu verabschieden. Einfach ein besonderes, kluges Büchlein, das nicht zu Ende ist, wenn man den letzten Brief gelesen hat.
Michael Buttler: Der Teufels-Vers
Maraba: Gedichte vom höchsten Ast des Kirschbaumes (e)
Holger Ehrhardt (Hrsg.): Dorothea Viehmann
Dorothea Viehmann war eine der wichtigsten Quellen der Brüder Grimm, als sie sich auf die Suche nach Märchen machten. Im Vorwort der Kinder- und Hausmärchen ist sie beschrieben als eine alte, einfache Frau aus dem Volke, geradezu als die Ur-Märchenerzählerin und weise Frau schlechthin. Neben der "Ewig", der alten Kinderfrau im Hause Grimm, war sie es, die das Bild der Märchenerzählerin geprägt hatte. Genau so wollten es die Grimms ja haben: Anonym überlieferte Märchen, die sich im Herzen der alten, einfache Menschen bewahrt hatten, unverkünstelt, direkt aus dem Munde des deutschen Volkes, wobei die einzelnen schlichten Erzähler gar nicht selbst wussten, welche Schätze sie da in sich trugen; sie waren nicht gestaltende Schöpfer, sie waren nur das Medium, durch das etwas Älteres, Großes sich offenbarte. Die Grimms wollten es so sehen. Sie fanden, was sie suchten und sehen wollten.
Das hier vorliegende Büchlein versammelt einige Essays über die "Viehmännin" und ihre Lebensumstände, sehr interessant vor allem im Vergleich zu dem Buch über Marie Hassenpflug, das ich kurz zuvor gelesen hatte. Vor allem erscheint mir die Tatsache bemerkenswert, dass auch die angeblich so einfache und urdeutsche Frau genau wie die Hassenpflug-Schwestern hugenottische Vorfahren hatte, auch hier kommt also das französische Erbe unserer "deutschen Volksmärchen" zum Tragen. Eine sehr spannende Entdeckung aus der Ahnenforschung förderte zudem ans Licht, dass die Viehmännin, was sie selbst nicht wusste, Cousine vierten Grades sowohl Goethes als auch Savignys war. Letzterer hatte ja auch seinen Anteil daran, dass die Grimms auf die alter Frau aufmerksam wurden. Ein spannendes Buch also. Schade, dass es nicht dicker geworden ist.
Februar
Sunzi: Die Kunst des Krieges (e)
Absoluter Klassiker, der auch in der modernen Management-Literatur wieder eine Rolle spielt. Ich habe ihn mir vor einigen Jahren als kleines gebundenes Büchlein zu Gemüte gefürt, jetzt wiedergelesen als kostenloses eBook. Ich muss gestehen, dass es in beiden Versionen nicht ganz mein Fall ist, mir ist die fernöstliche Denkart einfach zu wesensfremd. Einige der Anekdoten sind auf jeden Fall nachdenkenswert, einige der enthaltenen Lehren sollte man natürlich beherzigen (kenne das Terrain, sei gut vorbereitet etc.).
Kurt Tucholsky: Rheinsberg. Ein Bilderbuch für Verliebte (e)
Meine große Tucholsky-Phase hatte ich in den Jahren 1988 und 89. In dieser Zeit las ich auch erstmals sein "Bilderbuch für Verliebte" als Taschenbuch (rororo). Sehr nett die Vorworte zu den jeweiligen Neuauflagen und die Seitenhiebe auf den armen Verleger, der immer "zusetzen" muss. Claires Sprache finde ich nach wie vor albern, auch wenn das Wiedersehen mit der Frage "Ob es hier Bärens gibt?" ganz nett war. Kein schlechtes Buch, aber den Vergleich zu "Schloss Gripsholm" hält es in keinster Weise aus. (Ach ja: Kennt eigentlich einer von euch den Film dazu? Ich habe ihn - wohl auch vor 20-25 Jahren mal gesehen und mich gefragt, wo eigentlich der Zusammenhang mit dem Buch liegt. Irgendwie passte das gar nicht zusammen.)
Kurt Tucholsky: Schloß Gripsholm (e)
Ebenfalls wiedergelesen. Die Taschenbuchausgabe las ich 1988 oder 89 im Aufenthaltsraum meiner alten Schule, kurz vor dem Abi. Eine Liebesgeschichte? Du liebe Zeit was soll das? Lieben Sie? Mit einem launigen Briefwechsel zwischen Verleger und Schriftsteller beginnt Kurt Tucholsky dieses Buch, das ich für sein schönstes halte. Eine Liebesgeschichte à la "Die Gräfin raffte ihre silberne Robe und fiel wortlos die Treppe hinunter" will sich der Autor denn doch nicht abgeben und schlägt stattdessen eine Sommergeschichte vor. Eine Sommergeschichte auf dem schwedischen Schloss Gripsholm, auf dem ein junger Mann und eine junge Frau ihren Urlaub verbringen. Später schauen noch Freund Karlchen und Freundin Bille herein. Es gilt, die Landschaft zu erkunden und ein Kind aus den Fängen einer herzlosen Kinderheim-Feldwebelin zu retten, daneben gibt es einige Seitenhiebe auf üble Chefs, und es ist sehr viel Sommer und Sonnenschein darin. Eine der drei schönsten Sommergeschichten, die ich kenne. Da können nur noch die "Ferien auf Saltkrokan" und Bergengruens "Rittmeisterin" mithalten. Erstaunlicherweise auch Bücher, in denen gar nicht so umwerfend viel "passiert". Nur Sommer und Sonne passieren dort und etwas Wasser.
Goethe: Götter, Helden, Wieland (e)
Kostenloses eBook aus der Public Domain. Nette, etwas böse Parodie vom Altmeister auf den Oberaltmeister der deutschen Literatur. Die Wieland-Lukianische Tradition der Göttergespräche auf die damalige moderne Zeit ausgeweitet und dabei den alten, liebenswerten Wieland gehörig durch den Kakao gezogen. Man braucht etwas Hintergrundwissen beim Lesen, es macht aber Spaß.
Reinhard Kleist: Der Traum von Olympia
Valerian & Veronique 22: Souvenirs der Zukunft
Das Album nach den Abenteuern der Raumzeitagenten ... Es bietet einige kürzere Episoden aus dem Leben einiger Begleiter der beiden Helden. Erneut zauberhaft, wundervoll und zum Träumen. Es ist eine Binsenweisheit, dass man aufhören soll, wenn es am schönsten ist. So betrachtet, war dies wirklich ein guter Zeitpunkt aufzuhören. Ich hätte mich noch gern weiter in Valerians und Veroniques Welten verloren.
Linda Budinger: Im Keller des Killers (e)
Brrr ... Wie krank ist das denn? Da lädt man sich nichtsahnend einen Thriller seiner guten alten Freundin Linda Budinger auf den Reader, von der man so viele sensible und zauberhafte Fantasy-Abenteuer gelesen hat - und plötzlich steckt man mitten in einem Albtraum fest und irrt zusammen mit einem Liebespaar durch den Keller eines perversen Mörders und Plastinators, der aus Leichenteilen einen Horrortrip der übelsten Art zusammengestellt hat. Das eBook ist irre. Irre gut. Grauenerregend. Gänsehaut pur. Unvergesslich. Grandios gruselig. Ich weiß gar nicht, ob ich euch das jetzt empfehlen oder lieber verbieten soll. Auf jeden Fall würde ich keinem raten, es zu lesen, wenn er nachts allein im Haus ist. Brrr ...
Wilhelm Hauff: Das kalte Herz und andere Märchen (Reclam)
Absoluter Klassiker. Enthält außer der Titelgeschichte "Das kalte Herz" die Märchen vom "Gespensterschiff" und "Kalif Storch". Einer der ganz großen Märchenerzähler neben den Grimms und Hans-Christian Andersen, mit dem man sich als Märchenforscher unbedingt mehr befassen sollte.
Seneca: De vita beata / Vom glücklichen Leben. Lateinisch/Deutsch (Reclam)
Der Mann hat ziemlich oft Recht. Grundlegender, nicht allzu umfangreicher Text, gut aufbereitet, ordentliche und lesbare Übersetzung.
Gottfried Martin: Sokrates (Rowohlt-Monographie)
Gut geschriebene und eingängige Darstellung von Leben und Gedankenwelt des Sokrates in bewährter Rowohlt-Monographien-Qualität. Vielleicht ein wenig redundant, einiges wurde einfach so oft wiederholt, bis es selbst der Dümmste kapiert hat. Aber gerade darum auch empfehlenswert.
Die 5 Meeresfreunde
Hildesheimliche Autoren e.V.: Hildesheimer Geschichte(n)
Die Anthologie des Autorenvereins zur 1200-Jahr-Feier der Stadt Hildesheim erzählt Geschichten aus der Historie der Domstadt, beginnend mit dem Rosenstock-Wunder des Jahres 815, der Gründungslegende, über mittelalterliche und frühneuzeitliche Prominente aus Hildesheim (wie Albertus Magnus oder Didrik Pining, den Entdecker Amerikas), über Sagengestalten wie den Huckup und Hödeken (letzterem habe ich ein Denkmal im Buch gesetzt), über Arschlöcher wie die Nazis bis hin zu Spekulationen über die Zukunft und außerirdische Besucher. Ein sehr vielschichtiges Buch also. Auch für Nicht-Hildesheimer.
Laurence Sterne: Tristram Shandy (e)
Wer den Tristram Shandy nicht kennt, weiß überhaupt nicht, was ein humorvoller Roman ist. Ein umwerfendes Buch, absoluter Klassiker und unverzichtbarer Bestandteil einer jeden Bibliothek eines jeden Literaturliebhabers. Ich habe das Werk 1991 durch eine Vorlesung von Jürgen Peters an der Uni Hannover kennen gelernt und sofort gemerkt, dass es hier um etwas ganz Besonderes geht. Am nächsten Morgen holte ich mir die Reclamausgabe und hatte das ziemlich dicke Buch in wenigen Tagen durchgekaut. Die eBook-Ausgabe ist auch nicht unbedingt schlecht, allerdings muss ich vor der Anschaffung warnen: Da die elektronische Fassung auf die Zweitauflage zurückgeht, fehlen hier so wichtige Elemente wie die in der Sterne-Diskussion immer wieder zitierte schwarze Seite, die weiße Seite und die marmorierte Seite. Ihr werdet also nach Lektüre des eBooks im Gespräch mit Sterne-Kennern manchmal das Gefühl haben, dass euch etwas fehlt ...
Hörspiel
Geister-Schocker: Griff aus dem Dunkel (Earl Warren)
Sehr stimmungsvolles, akustisch hochdramatisches Hörspiel über einen Familienfluch. Sollte man nicht unbedingt nachts allein im Auto hören, wenn man etwas schreckhaft ist.
März
D.W. Schmitt: Perlamith 4 - Die Silberbrigade
Der Abschluss der Perlamith-Tetralogie, die ursprünglich mal eine Pentalogie hatte werden sollen. Schmitt schildert den Einsatz einer Eliteeinheit, die unter dem Kommando eines mysteriösen Fremden mit seltsamen Kräften einen außerirdischen bzw. außerperlamithischen Stützpunkt stürmen muss. Es geht um einen geheimnisvollen Treibstoff, sehr unterschiedliche nichtmenschliche kosmische Zivilisationen und die Frage nach der Verantwortung.
Ich halte diesen Abschlussband für den besten und am klarsten strukturierten Band der Serie. D.W. Schmitt führt seine Figuren diesmal sehr zielstrebig durch die Handlung, das Buch ist nicht ganz so verschlungen wie die Vorgängerbände. Eigentlich schade, dass es vorbei ist. Aber vielleicht liest man ja nochmal etwas Neues von diesem Autor?
Ludger Christian Albrecht: Neue Freiheit (e)
Lyrik, speziell Lyrik zur Verarbeitung einer gescheiterten Beziehung, autobiographisch, wie das Vorwort des Verfassers erläutert. Zum Teil etwas naiv und simpel, da reimt tatsächlich noch jemand "Herzen" auf "scherzen". Zum Teil sehr pathetisch. Hervorzuheben ist aber der leichte, unverkrampfte Tonfall und der am Ende doch recht positive Umgang mit der Trennung, immerhin sagt schon der Titel, was das Auseinandergehen auch bedeutet: Neue Freiheit. Was den Preis angeht: Ich glaube mich zu erinnern, dass ich es damals für Null Euro, meinethalben auch 99 Cent oder 1,99 erworben habe. Der aktuelle Preis von 9,99 Euro erscheint mir recht hoch - sowohl was die Qualität als auch die Quantität der Gedichte angeht.
Joseph von Eichendorff: Aus dem Leben eines Taugenichts (e)
Neben "Des Lebens Überfluss" die wohl schönste und leichtfüßigste Novelle der deutschen Romantik. Manchmal möche man selbst wie Eichendorffs Taugenichts einfach so mit der Geige in die Welt hinausziehen. Ebenfalls ein Büchlein, das ich Anfang der 90er Jahre in der Reclamfassung kennen und lieben lernte und jetzt in der kostenlosen eFassung noch einmal entdeckte. Es hat in der Zwischenzeit nichts von seinem Zauber verloren.
Rabindranath Tagore: Gitanjali (e)
Die eBook-Ausgabe greift zurück auf die Übersetzung von Marie Luise Gotheim, die den Titel mit "Hohe Lieder" wiedergibt, anderswo habe ich auch schon "Sangesopfer" als Titel gefunden. Ein zum Teil sehr interessantes, schönes und weises Buch, mit dem ich aber doch nicht recht warm geworden bin. Letzten Endes blieben alle meine Ausflüge in die indische Literatur immer ein wenig ... funkenlos. Da ist nichts, was überspringt, auch wenn Tagore schon recht modern ist und sich von vielen Tradtitionen gelöst hat, er steht nun einmal in einer anderen Tradition als ich, vielleicht klappt es später irgendwann einmal mit uns.
Indische Liebeslyrik, übersetzt von Friedrich Rückert (e)
Eine Blütenlese aus indischen Klassikern, darunter Kalidasa und die Geschichte von Nala, übersetzt von Friedrich Rückert. Nicht direkt schlecht, aber ich bin weder Rückert- noch Indienfan, da kamen einfach zwei Tonfälle zusammen, die mir gar nicht liegen.
Gustav Schwab: Die schöne Melusine (e)
Ich hatte mich ja kürzlich hier mit der alten Sage um Melusine und mit dem Melusinenbuch von Thüring von Ringoltingen befasst. Während ich euch den Thüring-Text nicht unbedingt empfehlen kann, sei euch diese Nacherzählung von Gustav Schwab nachdrücklich ans Herz gelegt. Der Mann kann erzählen und versteht es, alte spröde Stoffe für moderne Leser aufzubereiten. Nicht umsonst ist sein Buch über die Sagen des Altertums so bekannt geworden. Auch seine Bearbeitungen alter deutscher und französischer Stoffe sind sehr lesbar. Also, ran an die Melusine.
Gedanken im Sturm (e)
Eine Anthologie, die von Nicole Rensmann nach den Anschlägen vom 11. September 2001 ins Leben gerufen wurde. Später auch als eBook erschienen. Ich habe ziemlich lange gebraucht, um mir die Sammlung anzuschaffen, wie man sieht. Aber als Nicole auf Facebook verkündete, sie werde das eBook nun endgültig aus dem Verkehr ziehen, musste ich einfach zugreifen. Eine sehr lesenswerte Anthologie, auch und gerade jetzt mit dem großen zeitlichen Abstand. Einiges ist inzwischen natürlich überholt, aber vieles davon kann man auch heute noch so unterschreiben. Gerade jetzt wieder nach den Anschlägen von Paris und und und ...
Andrea Tillmanns: Wo liegt denn nun die Leiche?
Theodor Mundt: Madonna (e)
Es gibt Bücher, die begleiten einen Menschen sein ganzes Leben lang. Ein Buch, das mich seit meinem ersten Semester an der Uni Hannover begleitet, ist die "Madonna" von Theodor Mundt. Mundt, mein Leib- und Magen-Autor, über den ich später auch meine Doktorarbeit verfasste, hatte diesem respektlosen, hochphilosophischen, schwerverdaulichen und dickleibigen Buch einiges zu verdanken, vor allem das Scheitern seiner Universitätskarriere und ein Berufsverbot sowie seinen, wenn auch kleinen, Eintrag in der Geschichte der deutschen Literatur als einer der Wortführer einer Bewegung, die man das "Junge Deutschland" nannte.
Die "Madonna" war das erste Buch, das ich mir in der niedersächsischen Landesbibliothek als Fernleihe besorgte, und da ich die uralten, frakturgedruckten Seiten nicht fotokopieren durfte, schrieb ich in guter alter Klostertradition das ganze Buch einfach ab. 436 Seiten. Das hat mich stark geprägt. Und man lernt ein Buch sehr gut kennen dadurch. Noch heute kann ich weite Passagen der Madonna nahezu auswendig zitieren, zumindest sinngemäß. Würde ich jedem Literatur-Studenten empfehlen, der sich in ein Buch richtig einleben möchte.
Zum Hintergrund gibt es hier im Blog zwei Einträge, in denen ihr noch etwas mehr über Mundt und seine Madonna erfahren könnt:
Rezension zur Zenodot-Ausgabe
Mundts Madonna, die Zensur und die verlorene Professorenstelle
A.S. Jones: Die schwarze Fledermaus 1 - Blutgeld
Ein Buch, das lange aus meinem SUB (Stapel ungelesener Bücher) lag. Ich habe es vermutlich auf dem Buchmesse-Convent in einer Con-Tüte erhalten und wusste nicht so recht etwas damit anzufangen. Aber irgendwann war es dann doch auf den Spitzenplatz des Stapels gelangt und wurde gelesen. Die schwarze Fledermaus ist ein Held, der seine hohe Zeit in der guten alten Pulp-Klassik-Epoche hatte, sich aber immer noch einer großen Fangemeinde erfreut. Jetzt also ein neues Abenteuer. Der Held ist eigentlich Anwalt, löst aber nachts in der Maske der "schwarzen Fledermaus" diejenigen Kriminalfälle, mit denen die Polizei nicht fertig wird. Die Assoziation an Batman liegt natürlich auf der Hand, aber auch eine gewisse Erinnerung an Marvels Daredevil schwingt mit, da das Alter Ego der Fledermaus vorgibt, blind zu sein. Der Fall "Blutgeld" selbst ist recht spannend und temporeich erzählt, lässt sich gut lesen und hat mir gefallen. Mal sehen, vielleicht finde ich mal wieder eine Fledermaus in einer Con-Tüte.
Carolyn Lucas: Vermächtnis der Engel (e)
Männliche und weibliche Engel befinden sich seit Äonen im Krieg. Seit einiger Zeit gibt es zwar eine Art Frieden, doch der ist brüchig und bedroht. Die junge Menschenfrau Sarah ist der Schlüssel, das Wesen, das über Krieg und Frieden und über die Macht entscheiden kann. Beide Parteien versuchen, ihrer habhaft zu werden. Doch nicht nur Machtpolitik und Ehik, sondern auch die Liebe hat ein Wort mitzureden. Ausgerechnet zwischen Sarah und einem Engel funkt es gewaltig. Für seine Chefs ein eindeutiger Sündenfall. Gibt es eine Zukunft für ihre Liebe?
Carolyn Lukas hart einen guten, flüssigen Schreibstil und versteht es, dem alten Thema der Liebe zwischen Mensch und Engel/Vampir/Werwolf/Wasauchimmer eine neue Seite abzugewinnen. Das eBook ist leicht und schnell zu lesen und viel eher zu Ende, als man erwartet. Ich war etwas verwirrt, bis ich schließlich feststellte, dass es der Auftakt zu einer Trilogie ist. Mal sehen, demnächst hole ich mir wohl den zweiten Teil.
Asbjörnsen/Moe: Norwegische Volksmärchen II (e)
Asbjörnsen und Moe sind für Norwegen ungefähr das, was die Grimm-Brüder für Deutschland sind. Sie sammelten alte norwegische Volksmärchen und vereinigten sie zu einer Sammlung, die sich vor den Kinder- und Hausmärchen nicht verstecken muss. Meine ersten Asbjörnsen-Moe-Märchen las ich als Kind, während eines Norwegen-Urlaubs mit Eltern und Schwester, das war vermutlich in Loen am Nordfjord, 1977. Ein recht dünnes Taschenbuch mit den drei bekannten Ziegenbock-Brüdern auf dem Titel. Ich habe es noch immer. Jetzt also die eBook-Ausgabe, die wesentlich umfangreicher ist. Teil 1 habe ich bereits letztes Jahr gelesen, Teil 2 war jetzt dran. Bevorwortet bemerkenswerterweise vom guten alten Ludwig Tieck. Enthält unter anderem die Geschichte der sieben Füllen, des norwegischen (männlichen) Aschenbrödels, der drei Böcke Brausewind, "Östlich der Sonne und westlich vom Mond" und den köstlichen Schmierbock. Unbedingt empfehlenswert.
Zu Teil 2 des Jahresrückblicks: April bis Juni 2015.
Zu Teil 3 des Jahresrückblicks: Juli bis September 2015.
Zu Teil 4 des Jahresrückblicks: Oktober bis Dezember 2015.
© Petra Hartmann