Berthold von Holle: "Crane" - Auszüge aus meiner Übersetzung
Berthold von Holle
Mein neues Buch "Crane" ist eine Nacherzählung eines alten Ritter-Epos von Berthold von Holle. Einige Leute haben mich gefragt, warum ich nicht lieber eine Übersetzung anstelle einer Nacherzählung angefertigt habe. Naja, es ist nicht so, dass ich den Text nicht auch - zumindest teilweise - bei meiner Vorbereitung auf das Thema übersetzt hätte. Aber für moderne Leser ist, denke ich, eine Nacherzählung in Form eines kurzen Romans doch verdaulicher.
Hier könnt ihr nun ein paar Auszüge aus meinem Versuch, Bertholds "Crane" ins Hochdeutsche zu übersetzen, lesen. Manches ist etwas freier übersetzt, und um den Endreim des alten Epos zu erhalten, habe ich mir ein paar zusätzliche Freiheiten erlauben müssen, viele der Reime sind jedoch original, und ich denke, ihr bekommt so einen guten Eindruck von Bertholds Sprache und Denkweise.
Crane - der Kranich
Wer Treue in sein Haus aufnahm,
hat damit auch die Zucht sodann:
Demut und Barmherzigkeit
helfen den Milden tragen ihr Kleid.
Ich meine an des Menschen Leib,
sei er ein Mann oder ein Weib,
das ist ein liebliches Gewand,
mit dem die Ehre sich umwand.
Es ist ihr aber ein Kleines,
die die Tugenden reine
in Gesamtheit an sich tragen.
Ich muss sogleich darüber klagen,
dass die Zucht ist hingeschwunden
von den Alten wie den Jungen.
Unzucht ist nun Mannes Maß,
Untreue fährt auf breiter Straß',
führt's große Wort im ganzen Reich.
Ich sage es euch wahrhaft gleich:
Sie haben sich sehr viel verkehrt,
die von der Unzuchts-Lehr gelehrt.
Ihr haben alle wohl gehorcht
mit höhnischen Lachen und bösem Wort:
Das ist nun meine Absicht,
dass es um sie werde Licht.
Nun will ich euch tun bekannt,
wie ein Getreuer Treue fand,
wie in Wahrheit hat erzählt mir so
ein Fürst, er war so jung und froh,
von Braunschweig der Herzog Johann,
auf den ich wohl vertrauen kann,
dass er, was auch sein Mund verspricht,
er bräch' sein Wort mit Absicht nicht:
Darum möge den Leib vor Gefahren
und die Seele dort mag Gott bewahren.
Er erzählte es mir oft an Zahl:
Es war einmal
ein Fürst im Ungarn-Land,
der war für seine Würde bekannt.
Er lebte in seinem Reich,
einem Fürsten so gleich,
dass von seiner Würdigkeit
berichtet wurde weit und breit.
Sein Hof stand immer offen:
Da durfte jeder hoffen,
der aus fremden Landen zu ihm kam,
dass er ihn ansah und aufnahm.
[...]
Einst trat vor den Fürsten und den Rat,
die berieten über alles im Staat,
ein Ritter, Godefrit genannt.
Die drei waren sofort zur Hand,
dass man den Ritter wies,
dessen Wert man so hoch pries.
Gayol mit guten Sitten trat
hin zu dem Ritter, und er bat,
dass er nicht verschmähen sollte,
was er ihm geben wollte:
Eine wertvolle Spang',
kostbare Steine sodann,
Ringe ohne Ende,
zu schmücken seine Hände.
Sollt' ich preisen alleine
die Kostbarkeit der Steine
aus seiner freigebigen Hand,
so wäre es wohl ein Pfand
von tausend Mark von Golde,
das jemand geben sollte.
Da freute sich der alte Held.
Er sprach: „Nun sagt mir schnell,
steht euch gar der Mut
zu treten vor den Kaiser, ich machte es gut.
Euch mag geschehen diese Ehr'.“
Er sprach: „Wir sind gekommen her
aus fremden Landen geritten.
Ihr mögt für uns den Kaiser bitten,
dass wir als Kämmerer zu ihm kommen.“
„Was ich da von Euch vernommen,
das vermag ich, wenn ich will.
Euer Anstand bringt auch mir Ehre viel.
Kommt zur Vesperzeit heran.
So nahe ist dem Kaiser kein Mann
als der, der bei seinem Stuhle darf stehn.
So mag Eure Bitte an ihn ergehn.“
Der jungen Männer Wärter war zur Hand,
was ihm der Alte tat bekannt:
Sie blieben an der Kirche stehn.
Da sahen sie den Kaiser stehn
mit großem Gefolge.
Nicht lang es dauern sollte,
da gewann er den Stuhl allein,
und niemand war mit ihm gemein.
Als der Alte dies ward gewahr,
er winkte die Jungen zu sich da
und führte sie züchtig
vor den Kaiser mächtig.
Er sprach: „Herr, habt Ihr es vernommen,
dass diese drei Jünglinge sind gekommen
her aus fremdem Lande?
Ich erkannte
Ihre edle Abkunft wohl,
weshalb ich für sie bitten soll,
Ihr möchtet sie zu Recht umfassen
und niemals wieder von Euch lassen.
Sie sollten werden Kammerherrn.
Ich empfehle sie Euren Lehr'n.
Um meinetwillen seid ihnen gut.“
„Danach steht auch mir der Mut“,
sprach der Kaiser sofort.
„Und schicktest du mir Hunderte, mein Wort:
Willkommen sollten alle sein.“
So lud er die Jungen zu sich ein,
in seinen Dienst als Kammerherrn
und dachte an diesen Glückstag gern.
Gayol schenkte darauf
allen, die er kennenlernte am Hof
eine Spange und einen Fingerring.
Dasselbe gab auch Agorlin.
Ich weiß auch, dass Agorlot
aus seiner Hand viel Geld entbot.
Nun fuhren sie in des Reiches Mitte
und dienten so nach Kindes Sitte,
sodass von ihrem Anstand
viel Gutes am Hof man zu sagen fand.
Sie waren bei dem Kaiser da
ich weiß gar nicht, wie viele Jahr,
bis dass erwachsen war ihr Leib,
dass die Bindung an ein Weib
so balde in ihr Herze kam,
wie ich als Wahrheit es vernahm.
Was Gayol führte mit sich,
das wurde freigebig
ausgeteilt am Hof.
Dafür erhielt er viel Lob.
Nun hatte der Kaiser mächtig
eine Tochter gar lieblich,
die Acheloyde war genannt.
Was je schön war an einem Frauengewand
oder an Anstand gezeiget ...
[...]
Jungfrau, ich tu Euch bekannt,
so sei mit jenen es gewesen:
Dazu hab' ich ihn auserlesen.
Sein Herz ist ohne Niedrigkeit,
durch ihn sollt Ihr froh sein, edle Maid.“
„Achute, ja, so soll es sein,
ich will mich an seinem Anblick freu'n,
und wert sei er dem Herzen mein,
Achute, nach dem Rate dein.“
Die drei wurden kurzerhand
Valke, Stare und Crane genannt.
Ihre anderen Namen waren vergessen,
obgleich die drei zuvor bereits welche besessen.
Lieb gewann sie in ihren Mut,
denn Treue dem Herzen tut so gut,
den sie zum Freunde sich hatte erkor'n,
dass sie sich in ihrem Anblick verlor'n.
Und sah sie einen Tag ihn nicht,
der Tag erschien ihr unglücklich.
Ihre Liebe wuchs von Tag zu Tage,
da begann die Minne, sie zu jagen,
dass ihr Herz darüber erschrak.
Daher sie zu Achute sprach,
zu der sie großes Vertrauen besaß,
als sie einst saßen im grünen Gras.
Sie sprach: „Achute, meine Freundin,
mir will mein Herz und auch mein Sinn
vor rechter Not zerbrechen.
Ich muss mit Crane sprechen,
oder ich sinke zu Boden tot.
Achute, rate mir in meiner Not,
wenn dein Mund in Treue raten kann,
wie ich den treuen, werten Mann
mit Anstand das bekunde,
dass ich zu meinen Freunde
ihn wählte, sag, was rätst du mir?“,
Da sprach die schöne Achute zu ihr:
„Meine Mutter hat mir gesagt,
über eines Mannes große Jagd,
die ich ihrem Wort nach haben wollte,
dass ich es lieber lassen sollte,
mit Rittern zu sprechen alleine.
Ich weiß, wie sie das meinte:
Das hinterließ sie mir und, ach,
es mochte kommen ein Schade danach,
den niemand konnte abwenden.
*
Ich will an dieser Jungfrau mein
meine Weisheit gar versuchen,
Herr, auch wenn Ihr wollt es rächen.
Der Kaiser sprach: Das behagt mir wohl,
dass tu alles, was ich soll,
das ich nun alles führ' dahin,
von dem ich hab†˜ den Ungewinn.“
Da ritt der Alte schnell zuhand
wieder in des Kaisers Land,
wo er Acheloyde fand.
Ihr Fragen gab sie ihm bekannt,
ob er nicht hätte vernommen,
wann ihr Vater wollte heim kommen.
Die Schöne sprach: „Wie geht es ihm?“
Der Alte: „Gut, wie es geziemt,
meinem Herren geht es wohl.
Wenn ich etwas beklagen soll,
so dies: Stare ist gestochen tot.
Durch einen Speer kam er in Not,
der tief in seine Brust sich bohrt'.“
Acheloyde sprach sofort:
„Wie ist mir sein Sterben Leid.
Ich hab' so viel von Stares Würdigkeit
von meinem Vater vernommen.“
Als der Alte war zum Ende gekommen
und hörte, dass sie nicht weiter wollte klagen,
„Was soll ich dem Kaiser sagen“,
frug der Alte schnell zur Hand,
„dass ihm werde mein Dienst bekannt?“
Er tat zurück reiten
und blieb an des Kaisers Seite
nicht länger als bis zum siebten Tag.
Dann ritt der Gefährte wieder nach
der jungen Kaiserin
mit falschem Sinn.
Als er hinkam und sie fand,
sie zu bitten ihn begann,
dass er ihr sagte mehr
wie es mit ihrem Vater wär'.
„Und sagte mit, wie's ihm ergeht
und wie's um das Gesinde steht.“
„Sie sind alle voller Freud',
nur Valke, einst so liebesreich,
von einem Schwert geschlagen tot.
Das macht uns alle klagen vor Not
und betrübt auch sehr den Herren mein.“
Da sprach das junge Fräulein:
„O wie sein Sterben mich betrübt,
er war so schön und voller Lieb'
und stand an meines Vaters Hofe
im allerhöchsten Lobe.“
Als der Alte das vernahm,
dass es ihr nicht zum Herzen kam,
ritt er wieder zuhand
dorthin, wo er den Kaiser fand.
Der fragte ihn nach der Märe,
wie's ihm ergangen wäre.
Da sprach der falsche Alte:
„O dass ihm Unheil walte.
Nichts konnt' ich bei den Zwei'n erspähn,
nun muss ich nach dem Dritten sehn.“
Es war täglich gleich,
dass viele Ritter reich
ihr Heil versuchten mit den Speer'n,
die Abenteuer wollten gern.
Man konnte sie finden all zuhand.
Crane ja das Voder band
vor allen, die da mochten sein.
Agorlot und Agorlin,
die konnten Speere verschwenden.
Von dieser Drei Händen
stürzten viele in den Sand,
das wurde wahrhaft bekannt.
Da stand des Alten Mut
und was sein falsches Herze tut
darauf, zu schaden der Jungfrau sein.
Nun kehrte er unter falschem Schein
und mit falschem Sinn
erneut zur jungen Kaiserin.
Als er kam in das Land,
wo er die Jungfrau fand,
trat er in den Palast sogar,
wo die schöne Acheloyde war.
Die Liebliche, schön angetan,
die ging mit ihm, dann blieb sie stahn
und bat, dass er ihr tat bekannt,
wie es um ihren Vater stand
und um alles Volk, das bei ihm war.
„Jungfrau, ihr sollt wissen fürwahr,
nichts Gutes ich euch sagen mag,
da ein verlustreicher Tag
uns geschah in dieser Woche,
da viele Speere wurden verstochen,
wie am eig'nen Leib gesehn.
Davon musste Schaden geschehn
durch ein schimpfliches Erlebnis,
bei der Krane lag im Mist,
der ihre Last auf sich nahm,
als er zu der Erkenntnis kam,
dass die Liebe hatte ihren Preis.
Davon der stolze Graf wohl weiß,
er ward beschimpfet ganz und gar.
Mit wehrender Hand nahm er wahr
die Gassen vor dem Burgtor.
Das schwenkten die Schwerter vor,
wo er viele Frauen groß erwarb.
Die Reise ihm also verdarb,
dass er sich ans Burgtor wagte offen.
Ein Katapult hat ihn getroffen:
Auf Cranes Helm stürzt es lang,
der Tod sein junges Herz bezwang,
dass er da verlor den Leib.
Noch sollen die wohlgemuten Weib
klagen um des jungen Fürsten Not.
In ihrem Dienst nahm er den Tod.“
Als Acheloyde das vernahm,
wie sehr es sie da überkam!
Sie rief voll Jammer und voll Schmerz:
„O weh, mein armes Herz
hat an dir so genommen Teil.
Der Tod ist mir ein großes Unheil,
das mich ich bis zum Ende tragen
mit Seufzen und mit Herzensklagen
und ist all meiner Freuden Pein.“
Auf ihrer Brust trug sie ein Hermelein,
das Tier hat sie gedrücket tot.
Unschuldig kam es so in Not.
Sie sprach: „Oweh, welch Harm,
das Tier, das ich auf meinem Arm
immer so fröhlich gesehn,
um das ist es leider geschehn.“
© Petra Hartmann
Ein paar Informationen zu Berthold von Holle habe ich hier zusammengestellt:
Berthold von Holle - Leben und Werk
Wer noch mehr wissen will, dem sei mein ausführliches Nachwort zum "Crane" empfohlen:
Berthold von Holle / Petra Hartmann: Crane. Ein Ritter-Epos.
84 Seiten | 12 x 17 cm | Softcover | Klebebindung |
Verlag Monika Fuchs | Hildesheim 2016
ISBN 978-3-940078-48-3
6,95 EUR