Kerstin Groeper: Im fahlen Licht des Mondes
Indianer Cheyenne; Kerstin Groeper
Um die Geschichte der Cheyenne geht es in Kerstin Groepers Roman "Im fahlen Licht des Mondes". Die Autorin zeichnet Widerstand, Kämpfe und Flucht des indianischen Volkes nach, im Mittelpunkt steht der letzte große Ausbruch aus der Reservation unter Häuptling Dull Knife. Hauptfigur des Romans ist die Cheyenne-Frau Moekaé, die, verwittwet und hochschwanger, mit ihren Stammesangehörigen aufbricht, um in die alte Heimat zurückzukehren.
Moekaé ist noch jung, als sie und ihr Mann zusammen mit ihren Stammesgenossen von weißen Soldaten in die Reservation transportiert werden. Kurz zuvor hatten die Cheyenne zusammen mit ihren Verbündeten, den Lakota, ihren letzten großen Sieg über die US-Armee errungen. Die Leser lernen die Frau und ihr Volk auf dem Höhepunkt ihres Wohlstandes kennen. Die Jagd war gut, die Vorräte sind reichlich, und der Winter sorgt dafür, dass sich der Stamm vor den Soldaten sicher fühlt. Doch die Idylle trügt. Nur wenig später wird das Lager überfallen, Uniformierte töten wahllos Männer, Frauen und Kinder, zerstören die Zelte, erschießen die Ponys und vernichten allen Besitz der Stammesgruppe. Moekaé, die zusammen mit zwei Kindern ihrer Verwandten flüchtet, erlebt beispiellose Grausamkeiten, doch dies ist nur der Auftakt eines Vernichtungsfeldzuges der Weißen gegen die letzten noch frei lebenden Indianer. Schon bald muss auch Moekaés Gruppe kapitulieren und in die Reservation im Süden ziehen.
Hunger und Alkoholismus in der Cheyenne-Reservation
Hatte man den Indianern versprochen, sie dort zu ernähren, so sehen sie sich nun mit Hunger und Elend konfrontiert. Alkoholismus, Vergewaltigungen und vor allem der Hunger sind Alltag in den Reservationen. Die Rationen sind karg bemessen, das Essen ist von minderster Qualität, wird viel zu oft von weißen Geschäftemachern unterschlagen, Lieferungen verschwinden und kommen nie bei den Bewohnern an, obendrein werden bei jeder Unbotmäßigkeit der Reservationsbewohner die Nahrungsmittel gekürzt. Die Cheyenne sehen sich dem Tod durch gnadenlose Aushungerung gegenüber und greifen in ihrer Verzweiflung zum letzten Mittel: Mitten im Winter flüchten sie aus der Reservation - entkräftet und weder mit ausreichend Nahrungsmitteln noch mit wintertauglicher Kleidung versehen.
Cheyenne-Frau trifft auf Farmersfamilie
Vor diesem historischen Hintergrund erzählt Kerstin Groeper vom Schicksal ihrer Protagonistin. Moekaé ist keine Heldin und Kämpferin oder besonders hervorgehobene Frau innerhalb ihres Stammes. Sie wird geschildert als junge, gerade erst verheiratete Frau, die zunächst im Schatten ihres Mannes steht und innerhalb der flüchtenden Gruppe einfach nur eine von vielen ist. Doch alles ändert sich, als sie in Schnee und Eis und von ihrer Gruppe getrennt dem Tode nahe ist, dann auch noch von einem jungen Farmer angeschossen wird und ohnmächtig zu Boden sinkt. Eine resolute Farmerin staucht ihren Mann und ihre Söhne tüchtig dafür zusammen, dass sie eine Frau beinahe erschossen haben, und bemüht sich, die dem Tode nahe Indianerin wieder gesund zu pflegen. Langsam und erst nach vielen Missverständnissen kommen sich die Cheyenne-Frau und die Weißen näher ...
Kerstin Groeper erzählt sachkundig und authentisch
Kerstin Groeper hat einen sehr authentischen und sachkundigen Roman geschrieben. Zu den Stärken des Buches, vor allem in der zweiten Hälfte, gehört vor allem die Zeichnung der unterschiedlichen Charaktere und das Miteinander im Haus der Farmersfamilie. Hatte die Autorin in früheren Büchern oft durch die Vielzahl der handelnden Personen eine Menge an Identifikationspotential verschenkt, so gewinnt sie hier gerade durch die Konzentration auf einen einzelnen Haushalt eine ungeheure Dichte und Intensität. Die sich anbahnende Beziehung zwischen der Cheyenne-Frau und einem der Farmerssöhne, aber vor allem die Darstellung des grantigen, misstrauischen, aber doch herzensguten Schwiegervaters sind außerordentlich gut gelungen. Dass die Geschichte und Kultur der Cheyenne sorgfältig recherchiert und spannend dargeboten wurden, versteht sich bei dieser Autorin beinahe von selbst, sollte aber dennoch erwähnt werden.
Kleine Schwächen
Lediglich ein paar Mängel im sprachlichen Ausdruck und schwülstige Formulierungen fallen auf. Unangemessen pathetisch erscheint mir beispielweise, dass als Synonym für die Cheyenne ständig das Wort "Menschen" gebraucht wird. Das kommt manchmal etwas ungelenk, manchmal auch etwas moralistenhaft herüber, etwa wenn die Soldaten auf "Menschen" schießen oder die "Menschen" im Reservat hungern und frieren. Auch Sätze wie: "Über ihre Wangen liefen lautlose Tränen der unendlichen Verlassenheit und Trauer" (S. 32) wären besser im Lektorat gestrichen worden. Doch sind solche kleinen Ecken und Kanten selten und stören kaum.
Fazit: Spannender und sachkundiger Indianerroman mit gelungener Charakterzeichnung und dichtem Beziehungsgeflecht. Einer der besten Romane von Kerstin Groeper. Empfehlenswert.
Kerstin Groeper: Im fahlen Licht des Mondes. Der lange Weg der Cheyenne. Hohenthann: TraumFänger Verlag, 2015. 582 S., Euro 16,90.
Weitere Bücher von Kerstin Groeper:
Träume von Salbei und Süßgras
Adlerkralle
Grauer Wolf
Indigene Märchen
Mohawk Love
Im Eissturm der Amsel
Der scharlachrote Pfad
Wie ein Funke im Feuer
Die Feder folgt dem Wind
Kranichfrau
Geflecktes-Pferdemädchen
© Petra Hartmann