Jahresrückblick II: April bis Juni 2017
Jahresrückblick
Hinweis:
Etwaige blau markierte Texte sind herausragende Spitzenbücher, rot steht für absoluten Mist, und hinter den Links verbergen sich ausführlichere Besprechungen innerhalb dieses Blogs.
April
Mythen der Cherokee: Der Aufstand der vierfüßigen Völker und die Eulenspiegeleien von Tricksterhase
Umfangreiche Sammlung von Mythen und Erzählungen. Man erfährt etwas von der Entstehung der Welt und davon wie die Spinne den Menschen das Feuer brachte, hört von der Jagd, vom Mais und vom Taback, von Krankheit und Heilung oder von der Sonne und ihrer Tochter, von Mond und Sternen. Sehr viele Ursprungssagen. Manche Geschichten sind in mehreren Versionen aufgezeichnet, zum Teil gibt es schon Vergleiche, Reflexionen und Interpretationen der Geschichten. Sehr schön sind die Sagen, in denen über Tiere berichtet wird. Die Abenteuer und Winkelzüge des Tricksterhasen sind recht pfiffig, manche davon kannte ich allerdings schon aus anderen Zusammenhängen.
Georg Oswald Cott: Eine Hand freihalten. Gedichte
Ein Lyrikband, der mehr oder weniger zufällig bei mir gelandet ist. Eine Bekannte hatte mitbekommen, dass ich mich für Gedichte interessiere, und da hieß es: "Da hab ich was für dich."
Ein schmales, nur 40 Seiten umfassendes Büchlein, das innen viel größer als außen ist. Viele Augenblicksaufnahmen, die zwar nicht in der Länge, wohl aber im Tonfall und beim Einatmen des Gedichts an Haikus erinnern. Naturschilderungen ohne überzogenes Pathos, sehr ruhig und gelassen im Ton. Ein Dichter, der offenbar angekommen ist und schon lange weiß, wer er ist. Ein gutes Gefühl beim Lesen.
Holger M. Pohl: Arkland I - Aufbruch ins Gestern
Fantasy-Roman über zwei sehr unterschiedliche Männer, die auf der Suche nach Antworten sind. Es geht um eine Welt, in der vor Urzeiten ein Krieg getobt hatte, in dessen Folge die damaligen Herrscher, die weißen Könige, vertrieben wurden. Nun ist das Land in zwei sehr unterschiedliche Bereiche geteilt, das schmale Westküstenland und das große, wilde Ödland, das man Arkland nennt. Die beiden Helden, die sich auf ihren jeweils eigenen Weg machen, sind sehr unterschiedlich. Der eine stammt aus der privilegierten Oberschicht einer ehemaligen Stadtburg der weißen Könige und wird wegen seiner Forschungen verbannt. Ein Risiko, das er selbst sehr bewusst auf sich nimmt, da er eine Bedrohung ahnt, die seiner Welt bevorsteht. Nun verlässt er die Burg und macht sich auf eine Reise ins Arkland. Der andere ist ein Krieger, der zunächst einmal auf der Suche nach seiner eigenen Herkunft ist. Denn nach jeder Schlacht stellt er fest, dass er wieder Teile seines Lebens vergessen hat. Offenbar ist er viel älter als gedacht. Ein "Krieger der Welt" ist er, als lebende Kampfmaschine und Supersöldner geschaffen ... Der Roman stellt zwar das Kampftalent dieses Helden überzeugend dar, ist jedoch alles andere als ein Abenteuer, das auf Action und Blut setzt. Der Schwerpunkt liegt vielmehr auf der Ausgestaltung der Welt und ihrer Geschichte sowie auf den Charakteren. Ein angenehmer und leicht zu lesender Satzbau kommt hinzu. Also ein durchaus gelungener Roman, dessen zweiten Teil ich mir wohl demnächst mal anschaffen werde.
Walter Farley: The black stallion's filly
Als Kind war ich ein großer Fan der "Blitz"-Bücher von Walter Farley. Später habe ich auch die Fortsetzung der Serie gelesen, die sein Sohn Steven geschrieben hat, fand sie aber deutlich schwächer. Klar, dass ich irgendwann darauf aufmerksam wurde, dass es auch eine Geschiche über Black Minx gibt. Die superschnelle Rennstute, eine Tochter des schwarzen Hengstes, spielte eine Rolle im Buch "Blitz legt los". Dies hier ist die Vorgeschichte dazu, die, so weit ich sehe, nie auf Deutsch erschienen ist. Alec und Henry erwerben die erste Tochter des schwarzen Hengstes, die zu Beginn seiner Karriere als Deckhengst gezeugt, von den Besitzern ihrer Mutter und von den Jockeys aber offenbar nicht ordentlich behandelt wurde. Das temperamentvolle Stutfohlen neigt zu Angstausbrüchen und auch zu Eigenwilligkeiten. Und Black Minx leidet darunter, dass ihr Schwanz bei einem Unfall in Mitleidenschaft gezogen wurde. Eitles kleines Mädchen. Als Alec auf die Idee kommt, ihr eine Art Perücke aus Schweifhaaren anderer Pferde zu basteln, sorgt das bei den anderen Jockeys für Kopfschütteln und Gelächter. Das Lachen bleibt den Jungs aber dann im Halse stecken, als die schwarze Stute das komplette Feld der jungen Hengste hinter sich lässt und als erste durchs Ziel prescht.
Hans-Jürgen Fischer: Sandros Strafe
Ein Roman meines Vereinskollegen Hans-Jürgen Fischer, entstanden aus Erfahrungen heraus, die der Autor bei seiner Arbeit als Jugendgerichtshelfer macht. Sandro ist ein Jugendlicher, der "durchs Raster gerutscht" ist, in der Schule lief vieles schief, in der Familie auch, dann geriet er auf die schiefe Bahn. Schließlich nimmt er Rache und tötet als Amokläufer zahlreiche Lehrer und Mitschüler. Nur sein Plan, sich am Ende selbst zu töten, geht schief. Nun liegt er, vom Hals abwärts gelähmt, im Krankenhaus ... Einzig der Mann von der Jugendgerichtshilfe interessiert sich für Sandros Beweggründe. Er arbeitet nach und nach Sandros Lebensgeschichte auf und sucht nach den Ursachen der Bluttat.
Ich habe diesen Roman als Vorbereitung auf eine Radiosendung gelesen, die ich für Radio Tonkuhle mit dem Autor gemacht habe. Die Sendung könnt ihr hier nachhören.
Waltharius Lateinisch/Deutsch (Reclam)
Ein altes Epos aus dem Umfeld der Nibelungensage. Ich wollte es mir schon lange einmal durchlesen, war aber immer zu dumm, es im Reclamverzeichnis zu finden, weil ich es unter "Mittelhochdeutsch" gesucht habe. Wieder was gelernt: Der Waltharius ist auf Latein geschrieben.
Es handelt sich um ein Abenteuer aus der Jugendzeit Hagens von Tronje. Er ist zusammen mit einem anderen jungen Adeligen, eben dem Titelhelden Waltharius, und einer jungen edlen Frau namens Hildegunde als Geisel an den Hof des Hunnenkönigs Etzel gelangt und wächst hier auf. Waltharius und Hagen werden gute Freunde, und zwischen Hildegunde und Waltharius entspinnt sich eine Liebesgeschichte. Eines Tages kann Hagen flüchten. Er wird später ein Gefolgsmann des aus dem Nibelungenlied bekannten Königs Gunther. Auch Waltharius und Hildegunde flüchten eines Tages aus dem Hunnenland und wollen nach Hause. Sie führen auch reiche Schätze mit sich. Als sie eines Tages in König Gunthers Land geraten und einen Fährmann für das Übersetzen über einen Fluss mit einem exotischen Fisch aus dem Hunnenland bezahlen, ist das Erstaunen über dieses fremdartige Tier groß. Der exquisite Leckerbissen wird sofort in die königliche Küche transportiert. Hier erkennt ihn Hagen dank seiner Jugenerinnerungen sofort als hunnischen Fisch und schließt messerscharf: Dann muss das Waltharius sein, der eben an der Fähre war. König Gunther will nun unbedingt die sagenhaften Schätze aus dem Hunnenland haben, die der Fremde mit sich führt. Hagen rät ab, da Waltharius a) sein Freund ist und b) ein so toller Krieger, dass er sämtliche Ritter Gunthers ohne Probleme niedermachen kann. Aber Gunther besteht darauf, Waltharius seine Schätze abzunehmen und reitet ihm mit großem Heeraufgebot nach. Es kommt zur bewaffneten Auseinandersetzung, wobei Waltharius dank der geographischen Begebenheiten die Möglichkeit hat, seine Gegner jeweils einen nach dem anderen töten zu können: Er steht in einer "hohlen Gasse", duch die die Krieger Gunthers nur nacheinander hindurch schreiten können. Waltharius besiegt, ohne Ermüdungserscheinungen zu zeigen, sämtliche Ritter Gunthers. Schließlich sind nur noch Gunther und Hagen am Leben. Hagen will noch immer nicht gegen den ehemaligen Freund kämpfen. Doch die Gefolgschaftstreue, die er dem König geschworen hat, wiegt schließlich schwerer als die Freundschaft. Beide greifen Waltharius, nachdem sie ihn auf offeneres Gelände gelockt haben, gemeinsam an. Aber sie müssen einen hohen Blutzoll entrichten. Am Ende sind alle drei fast tot: Hagen fehlt ein Auge, Gunther ein Bein, Waltharius die rechte Hand. Das bringt die drei Helden wieder zur Vernunft, sie vertragen sich, blödeln sogar ein wenig herum und spotten über ihre gegenseitigen Verletzungen, während Hildegunde die Wundsen versorgt.
Die Geschichte ist nicht ganz unwichtig für das Verständnis des Nibelungenliedes. Hier wird dem guten Hagen einmal kurz und vorwurfsvoll sein jugendlicher Verrat an dem guten Freund am "Vasgenstein" vorgehalten. Wenn ihr mal in die Episode mit der zweiten Schildgabe Rüdigers an Hagen hineinschaut, wird euch vielleicht die Parallele beziehungsweise die gespiegelte Situation dort auffallen. Hagen bittet dort Rüdiger um einen neuen Schild, da ihm der alte zerhauen worden ist. Das wirkt auf heutige Leser etwas skurril. Immerhin liegen doch sicher genug Schilde auf dem Schlachteld herum. Und ausgerechnedt Rüdiger, der ehemalige Freund, ist ja Lehnsmann des Hunnenkönigs und gekommen, um Gunther, Hagen und die anderen Burgunder zu töten. Rüdiger und Hagen erneuern hier auf dem Schlachtfeld bzw. im Saal ein schon einmal durchgeführtes Ritual, mit dem sie sich gegenseitig verpflichtet und einen Freundschaftsbund geschlossen haben. Gunther schaut zu und gibt gewissermaßen seinen Segen dazu, dass sein bester Mann Hagen in dieser kritischen Situation einen Nichtangriffspakt mit dem todgefährlichen ehemaligen Freund Rüdiger schließt. Und während Rüdiger danach wie ein pflügender Stier durch die Reihen der Burgunder zieht und einen Helden nach dem anderen erschlägt, bleibt der einzige, der ihn hätte aufhalten können, tatenlos, weil er das Freundschaftsbündnis mit ihm erneuert hat. Einmal hatte Hagen Gefolgschaftstreue über Freundschaft gestellt und seinen Freund Walther angegriffen. Diesmal ist es anders herum: Hagen, die sprichwörtliche, Gestalt gewordene Gefolgschaftstreue, stellt in diesem Augenblick Freundschaft über Treue. Und alle um ihn herum stimmen ihm zu. Gewissermaßen ein bewusster ethischer Akt, der hier in der Schlacht gesetzt wird. Also, wie gesagt, wenn man an dieser Stelle den Waltharius im Hinterkopf hat, wird das Kampfgeschehen sehr vielschichtig ...
Gilbert L. Wilson: Waheenee. Ein Indianermädchen erzählt
Bei dem Buch handelt es sich um den Lebensbericht einer Hidatsa-Indianerin, die im Jahr 1839 geboren wurde. Gilbert L. Wilson, der Verfasser, hat lange bei den Hidatsa gelebt und ihre Geschichten aufgezeichnet, hierbei war Waheenee einer seiner wichtigesten Gesprächspartner. Sie berichtet von ihrer Kindheit und Jugend, von ihren Ehen und vom Leben und Sterben ihrer Stammesmitglieder. Dabei erfährt man auch sehr viel über Alltagskultur, Kinderspiele und Bräuche. Waheennee berichtet unter anderem von ihrer Erziehung und den Arbeiten der Fauen, aber auch davon, wie sie ihren ersten Hund abrichtete und ihm beibrachte, den Travois, den Zugschlitten zu schleppen. Ein sehr interessantes, authentisches Lebenszeugnis, das nun dankenswerterweise erneut und in einer sehr schönen Ausgabe erhältlich ist. Sehr schön auch die zahlreichen historischen Illustrationen von Frederick N. Wilson, dem Bruder des Verfassers.
Gustav Kühne: Klosternovellen
Der zweite große Roman Gustav Kühnes, den ich dieses Jahr wieder gelesen habe. Das erste Mal las ich ihn Anfang der 90er Jahre im Lesesaal der Landesbiobliothek in Hannover. Jetzt also ein Nachdruck. Es ist ein historischer Roman und gewissermaßen eine Antwort Kühnes auf die kurz zuvor erschienene "Madonna" seines Freundes Theodor Mundt. Eine Sterbende hinterlässt zwei Kinder, einen Jungen und ein Mädchen, die sie einem Priester anvertraut. Beide werden in Klostern erzogen, wobei der Junge, Raoul, Mittel und Wege findet, seine Schwester zu besuchen. Zwischen den beiden entspinnt sich bald mehr als geschwisterliche Zuneigung. Wobei immer wieder angedeutet wird, dass beide möglicherweise gar keine Geschwister sind. Das Buch ist reich an theologischen und philosophischen Betrachtungen, eben typisch jungdeutsch. Unter anderem gibt es eine sehr eindrucklsvolle Diskussion um das Beichtgeheimnis, als ein Mann ein Attentat auf den König verübt, der zuvor bei Raoul gebeichtet hat. Raoul gerät zwischen die Fronten und bekommt schließlich furchtbaren Ärger mit seinen Kirchenoberen, als er sagt, ein solches Verbechen sei so schändlich, er würde es sofort den Behörden melden, wenn ihm jemand in der Beichte Pläne für einen Königsmord offenbaren würde. Insgesamt eine interessante, gedankenreiche Geschichte, aber ziemlich verschlungen und für heutige Leser nicht unbedimgt leichte Kost.
Hörbuch
Theodor Fontane: Effi Briest
Gelesen von Gert Westphal, von wem auch sonst? Den Roman hatte ich irgendwann Ende der 80er zu, ersten Mal gelesen, glaube ich. Ich hatte auch mal den Film gesehen und erinnere mich düster an den tatsächlich sehr unheimlichen Chinesen. Und irgendwann hatte ich mal eine Diskussion mit Mitschülern darüber, wo und wann denn nun der Seitensprung eigentlich stattgefunden hat. Tja, da war diese Stelle, an der gesagt wurde, dass sie ihr Dienstmädchen weggeschickt hat. Und eine Frau, die ihr Dienstmädchen wegschickt, das war für Fontane und die Leser seiner Zeit absolut klar, kann dann nur eines tun ... War schon irgendwie eine kranke Zeit. Westphal ist natürlich wieder ein Genuss. Einfach genau die Stimme und Vortragsart, die man für diese Romane braucht. Nur bei dem viermaligen "O gewiss, wenn ich darf" habe ich etwas gestutzt. Er hat eine sehr ungewöhnliche, beinahe tonlose Art, das auszusprechen. Ganz anders als die Piepsstimme im Film, die ich bis dahin im Ohr hatte. Vielleicht hat er recht. Jedenfalls eine sehr gute Lesung.
Jan Szaif: Platon. Eine kurze Einführung
Erwin Sonderegger: Aristoteles. Eine kurze Einführung
Die beiden CDs habe ich vor einigen Jahren, vermutlich Mitte der Nuller Jahre erstmals gehört und nun beim Durchstöbern meiner alten Sachen wiederentdeckt. Die Platon-CD ist ganz okay, die Aristoteles-CD aber definitiv zu kompliziert, die Inhalte sind einfach zu komplex für den Hörkanal. Gerade für die metaphysischen Sachen von Aristoteles ist es ist doch besser, eine Printausgabe zu Rate zu ziehen. Und das sage ich nicht als komplett Ahnungsloser, ich halte mich für recht kompetent in Aristoteles-Fragen. Aber ich halte den Blick auf die Schrift für einprägsamer.
Jan Tenner Classics 5: Gefährliche Insel
Das Super-Serum erfährt eine neue Modifikation: Man kann damit nun unter Wasser atmen. Jan und Laura tauchen zu einer gut bewachten Insel, auf der ein verrückter General herrscht, und suchen nach einem verschollenen U-Boot. Spannend, wenn auch etwas überzogen.
Mai
Thomas Paulsen: Geschichte der griechischen Literatur (Reclam)
Gute und hilfreiche Übersicht in bewährter Reclam-Qualität. Schön, dass es nicht nur um die klassische Epoche geht, sondern auch um die Dichtung des Hellenismus und der Kaiserzeit. Es gibt viel zu entdecken. Für mich war zum Beispiel die "Ilias Lipogrammatos" von Nestor von Laranda so eine Entdeckung. Lipogramme sind literarische Werke, in denen ein bestimmter Buchstabe weggelassen wird. Bekanntestes Beispiel in unserer Zeit ist wohl "Anton Voyls Fortgang", der Roman, in dem kein einziges E vorkommt. Nestor jedenfalls, der im 3. nachchristlichen Jahrhundert lebte, ließ in jedem Kapitel seiner ilias einen anderen der 24 griechischen Buchstaben weg. Okay, absolute Randnotiz, aber ich bin immer wieder fasziniert von den Autoren gerade der Kaiserzeit. Die Klassiker hat man ja sowieso drauf.
Ulla Berkéwicz: Adam
Roman über eine Schauspielerin, die Liebe, Theater und diesen furchtbaren eisernen Theatervorhang, der beim Herunterrasseln ein blondes Mädchen enthauptet. Eine faszinierende Sprache, zuerst etwas anstrengend, aber sehr schön. Hat mir gefallen.
Tatjana Stöckler: Chagrans Thron II
Zweite Hälfte des SF-Romans um Sam, die jugendliche Piratenkönigin von Cyrrion und ihren rikarischen Geliebten. Es gibt ein Wiedersehen mit den Drakuloniern, Rikaniern, Lisorianern, Tartanen, Wraps. Interessante Geschichte, gut geschrieben und spannend. Nur die Vielzahl der Völker und ihrer unterschiedlichen Verwandtschaftsbeziehungen ist etwas kompliziert. Wichtiger Hinweis: Eigentlich sind es nicht zwei Einzelromane, sondern nur ein einiger, der aus drucktechnischen Gründen in zwei Hälften erschienen ist. Ein Einstieg mit Teil eins von Chagrans Thron wäre also sinvoll.
Erik Schreiber: Schwalbennest
Novelle über ein Kloster hoch oben in den Bergen, in das eines Tages ein Fremder kommt. Das heißt: Ganz fremd ist er nicht, dieser Han Wei, denn es gibt in alten Aufzeichnungen Berichte und Prophezeiungen über ihn. Flüssig geschrieben, ein kleines literarisches Kabinettstück, zudem in sehr ansprechender Aufmachung. Ein sehr schönes kleines Taschenbüchlein.
Rolf Krohn: Bunte Lichter
Eine Sammlung von Science-Fiction-Erzählungen. Interessant ist, dass in jeder Geschichte ein besonderes Licht in jeweils einer anderen Farbe eine zentrale Rolle spielt. Meine erste Assoziation war die Sammlung "Bunte Steine" von Adalbert Stifter. Es sind sehr ruhige, eher literarische Geschichten, Gedankenexperimente über mögliche Zukünfte oder technische Errungenschaften, oder auch um ein bestimmtes Licht, das über einer Landschaft auf einem anderen Planeten herrscht, die manche Menschen während einer Nahtod-Erfahrung sehen. Es geht um Zeitreisen, Wetterbeeinflussung, den Weltuntergang. Teilweise etwas anstrengend, aber recht gut geschrieben.
Jugurtha - Gesamtausgabe, Band 1:
- Der Löwe der Wüste
- Die Maske des Krieges
- Die Nacht der Skorpione
- Die vergessene Insel
Die Geschichte des numidischen Prinzen als Comic-Epos, erzählt nach alten, mündlich überlieferten Legenden, die zum Teil der Schilderung des römischen Geschichtsschreibers Sallust widersprachen. Ich habe die Alben damals in der Carlsen-Ausgabe verschlungen. Witzigerweise war das auch die Zeit, in der wir im Lateinunterricht den "Bellum Jugurthinum" lasen. Ich erinnere mich noch gut an die Rede, die Adherbal vor dem römischen Senat hielt und in der er erzählte, wie sein Vater, der numidische König, und sein Bruder Hiempsal von Jugurtha ermordet wurden. "Was ist er also?", fragte unser Lateinlehrer. Und ich so: "Halbwaise." (Gelächter)
In dieser Comicfasusng ist Jugurtha absolut unschuldig sowohl am Tod des Königs als auch des Hiempsal. Die Art, wie Hiempsal umkommt, erschien mir allerdings damals schon etwas unglaubwürdig. Eine Serie, die mir sehr gut gefiel, wenn sie auch optisch nicht die Höhe der Thorgal-Serie, die ich zeitgleich las, halten konnte. Und ich hatte damals schon große Probleme, die beiden Söhne Micipsas auseinander zu halten. Und dass die Serie ab Band 4 komplett ersponnen ist bzw. weit über Sallust hinausging, der von Jugurthas Tod berichtet, hat mich schon damals irritiert. Na gut, ist halt so eine Idee. Die Insel fand ich aber schon faszinierend.
Die Gesamtausgabe, die nun als Hardcover erscheint, macht einen ansprechenden, edlen Eindruck. Es sind jeweils vier Alben in einem Band. Ziemlich großformatig und schwer, man hat also etwas in der Hand. Im ersten Band gibt es ein wenig Infomaterial zum Hintergrund der Serie und zum historischen Hintergrund der jugurthinischen Krieges. Schön.
Eugen Gliege: Sagen und Geschichten aus der Altmark
Sagenbuch mit Geschichten aus Gardelegen, Salzwedel, Arendsee und Umgebung, wo ich ja derzeit meine Wirkungsstätte habe. Also gewissermaßen berufliche Pflichtlektüre. Es gab hier beispielsweise auch einen wilden Jäger, Nachtmahre, eine weiße Frau und Auseinandersetzungen um den Ablasshandel. Schöne Geschichte: Da geht einer zum durchreisenden Ablasshändler und erkauft sich den Ablass für eine Sünde, die er erst noch begehen will. Der Ablasshändler zögert erst, aber die Geldgier siegt. Nach seiner Abreise wird der Händler dann überfallen, und der Räuber, der die rappelvolle Ablasskasse davonträgt, zeigt ihm triumphierend den Zettel, der ihn von diesem Verbrechen freispricht ... (Sonderbar, dass ich beim Tippen mehrfach statt "Ablassgandel Abgashandel geschrieben habe ...) Schön finde ich auch die Sage um das zugemauerte Stadttor von Gardelegen und die Geschichte vom Meineidigen in Salzwedel. Die Sage um die Äbtissin von Arendsee kannte ich schon irgendwo anders her. Und die Brandstifterin Grete Minde aus Tangermünde kennen vermutlich die meisten durch Theodor Fontane.
Hörspiele
Jan Tenner Classics 6: Geheimnis des Adlers
Jan und Laura werden mit einem seltsamen Adler konfrontiert, der beinahe täglich größer wird. Ein Indianerstamm in der Nähe weiß offenbar mehr über das Tier. Aber Jan stößt nur auf Feindseligkeit. Doch endlich kommt er dem Geheimnis auf die Spur: Es stecken Außerirdische dahinter. Jan schafft es, sich mit den Beteiligten zu verständigen und Hilfe zu bringen.
Jan Tenner Classics 7: Finsternis über Westland
Kein Sonnenlicht mehr auf der Erde. Grund sind außerirdische Schiffe, die zwischen Sonne und Erde parken und ihre Batterien wieder aufladen. Jan versucht, die Fremden zum Positionswechsel zu bewegen. Allerdings ist dies ein heikles Manöver, und die Fremden haben nicht mehr genug Energie für komplizierte Manöver. Jan erweist sich aber als geschickter Diplomat und schafft es schließlich mal wieder, die Welt zu retten. In dieser Folge erfährt er auch erstmals etwas über die Leonen, ein Volk, das ihn in späteren Foigen noch beschäftigen wird. Er erhält einen speziellen Stein als Geschenk, der ihm künftig verraten kann, ob Leonen in der Nähe sind. Sehr hilfreich.
Juni
Xenophon: Das Gastmahl gr./dt (Reclam)
Wer Platons Gastmahl kennt, sollte auch mal bei Xenophon zu Gast gewesen sein. Ebenfalls eine fröhliche Runde, in der bei gutem Essen und Wein über philosophische Themen geredet wird, und ebenfalls eine Runde, in der Sokrates als Gast anzutreffen ist. Eine schöne zweisprachige Ausgabe, gut lesbar. Vielleicht nicht ganz so kunstvoll wie bei Platon, aber doch lesenswert und liebenswert.
Esther S. Schmidt: Die zweite Finsternis
Kristina Lohfeldt: Too Bad to be God
Eine kafkaeske Situation: Ein Apotheker erwacht eines Morgens und hat sich in einen Mistkäfer ("Pillendreher") verwandelt. Eine unangenehme Situation. Als sich die Verwandlung nicht aufheben lässt, kommt der Mistkäfer auf die Idee, er sei wohl ein Gott, und schreibt sich auf der Götter-Hochschule für diverse Kurse ein. Das ist der Auftakt einiger heiterer Lehrgeschichten, in denen bekannte Gottheiten diverser Mythologien, aber auch einige vollkommen unbekannte Götter die Schulbank drücken und manchmal furchtbare Katastrophen anrichten. Ein amüsantes, stellenweise aber auch etwas dröges Buch. Nette Idee, hätte aber mehr Feuerwerk enthalten können.
Neil Gaiman: Nordische Mythen
Nacherzählung bekannter Geschichten aus der germanischen Mythologie, sehr nett und kindgerecht gemacht. Hat mir gut gefallen, nur die ständige Ansprache an der Leser nervt ein wenig. Ich fliege jedesmal raus aus der Geschichte, wenn einer zu mir sagt: "Und nun will ich dir erzählen, wie ..."
Hörbuch/Hörspiel
Die Besteigung des Rum Doodle
Granatenmäßige Parodie auf die Reiseberichte großer Expeditionsleiter aus der Zeit der Entdeckungen. Gelesen von Jürgen von der Lippe. Ich habe die Geschichte im Auto gehört und manchmal vor Lachen ins Lenkrad gebissen. Der Rum Doodle ist ein legendärer Berg, dessen Besteigung aber vor allem durch die Unfähigkeit der katastrophalen Trümmertruppe erschwert wird, die sich da aufgemacht hat, den Gipfel zu erobern. Schon der Auftakt ist haarsträubend: der Dolmetscher spricht die Sprache der Eingeborenen, die hauptsächlich aus furchtbaren Verdauungssstörungsgeräuschen besteht, offenbar doch nicht so gut, wie er behauptet. jedenfalls hat der Mann versehentlich statt der benötigten 3000 einheimischen Träger 30000 eingestellt. Dann macht sich die Truppe auch noch zum falschen der beiden Gipfel auf ... Einfach nur herrlich.
Jan Tenner Classics 8: Red Rock in Flammen
So, jetzt sind die Leonen da und wollen Uran haben. Und obendrein haben Jan und Laura es mit einem gefährlichen Vulkan zu tun. Der Ausbruch könnte katastrophale Folgen haben. Schuld sind die löwenköpfigen Außerirdischen, die sich in dem Vulkan ein geheimes Hauptquartier eingerichtet haben. Zum Glück gibt es das passende Serum, und Jan und Laura können die Katastrophe im letzten Augenblick verhindern.
Weiterer Jahresrückblick:
Teil I: Januar bis März 2017
Teil III: Juli bis September 2017
Teil IV: Oktober bis Dezember 2017
© Petra Hartmann