Peter Mannsdorff: Party im Kopf
Bücher - Abenteuer Peter Mannsdorf bipolar
Eltern sind manchmal peinlich, klar. Doch was Robbis Vater Michael tut, wenn bei ihm "Party im Kopf" herrscht, das kann einen 13-jährigen Schüler schon einmal vor Scham im Boden versinken lassen. Da taucht sein Vater plötzlich im Klassenzimmer auf und will, weil er Herbert Grönemeyers Hit "Kinder an die Macht" als Handlungsanweisung auffasst, die Schüler für seine Kinderpartei gewinnen. Oder er ruft beim Radio in einer Kuppelshow an und versucht, eine neue Liebe zu finden. Und er will es absolut nicht kapieren, dass die Frau, als sie merkt, wie er tickt, nichts mehr von ihm wissen möchte. Robbi, der einzige "Vernünftige" in dem Zwei-Personen-Haushalt, muss entsetzt feststellen, dass sein Vater das Konto plündert und das Geld für sinnlose Dinge verschleudern will. Dann leert er schon mal heimlich das Portemonnaie des Vaters, um das Geld in Sicherheit zu bringen. Vergeblich.
Auf der Flucht vor dem Jugendamt
Die Abfolge von manisch-depressiv-manisch-depressiv kann zwar immer mal wieder von einer Therapeutin und mit Hilfe von Medikamenten durchbrochen werden. Doch dann kommt die Therapeutin plötzlich zu dem Schluss, Robbis Vater müsse unbedingt für ein paar Tage in eine stationäre Einrichtung. Auf keinen Fall, sagt Michael. Und Sohn Robbi hat auch etwas Unbehagen dabei. Schließlich wäre es eine Katastrophe, wenn das Jugendamt mitbekäme, dass sein Erziehungsberechtigter derzeit nicht gerade zurechnungsfähig ist ... Noch bevor die Klinik eine Vermisstenmeldung rausgeben kann, setzen sich beide ab. Ihre einzige Chance: Per LKW-Stop noch vor dem morgendlichen Fahndungsaufruf die Grenze nach Frankreich passieren.
Robbi erzählt von seinem bipolaren Vater
Die Geschichte besteht aus zwei ineinander verwobenen Erzählebenen. Der eine Handlungsstrang erzählt von Robbis und Michaels abenteuerlicher Flucht nach Frankreich, ihren Erlebnissen als Tramper und ihrem Leben in einer Art Künstlerkolonie, in der sich beide sehr wohl fühlen und sehr entspannt leben können. In dieser Gruppe findet der inzwischen 15-jährige Robbi auch eine Freundin, mit der er über alles reden kann und der er nach und nach von seinem Leben mit einem bipolaren Vater erzählen kann, eine Erzählung, in der er auch den peinlichen Auftritt seines Vaters im Klassenzimmer oder die fehlgeschlagene Suche seines Vaters nach der großen Liebe schildert. Das ist zum Teil sehr komisch, aber es bleibt einem beim Lesen auch immer wieder das Lachen im Halse stecken, wenn man sich klarmacht, wie sich Robbi bei den Auftritten Michaels fühlt oder wie es wohl gerade in Michaels Kopf aussehen mag.
Geschrieben ist das Buch sehr flüssig und kurzweilig, es hat ein hohes Erzähltempo auch durch die im Präsens gehaltene Rahmenhandlung. So lässt es sich leicht und schnell lesen, aber vergessen lässt es sich sicher nicht so schnell.
Peter Mannsdorff berichtet über den Hintergrund der Krankheit
Ein schweres Thema wurde hier sehr leicht verständlich und leicht lesbar aufbereitet. Und vor allem wird gezeigt, dass es eben nicht nur die psychisch Kranken sind, sondern auch deren Familie oder wie in diesem Fall deren Kinder, die mittelbar betroffen sind.
Sehr eindrucksvoll auch das Nachwort, in dem Peter Mannsdorff etwas zum Hintergrund der Krankheit erzählt. Unter anderem schildert er, wie eine Manie sich auf den Verstand auswirkt, bis hin zu dem Phänomen, dass das Handeln eher von Assoziationen bestimmt wird, dass Textstellen aus Liedern wie Aufträge aufgefasst werden ("Kinder an die Macht") und immer wieder Dinge, die anderen Menschen gar nicht aufgefallen wären, als "Zeichen" gesehen werden. So sieht Michael schon darin ein Zeichen, dass seine Radiobekanntschaft den Vornamen Michaela trägt. Später ist es der zufällige Text auf einer Litfaßsäule ("Fällt aus" über dem Plakat für ein Dirk-Michaelis-Konzert), der Michael klar macht, dass es nichts wird mit der großen Liebe.
Im Nachwort findet jemand, der sich weiter mit dem Thema beschäftigen möchte, auch einige Lesetipps und Links.
Fazit: Leicht lesbares Buch über ein schwieriges Thema, verständlich, spannend und eingängig geschrieben. Nachvollziehbar, betroffen machend, aber ohne erhobenen Zeigefinger. Lesenswert.
Peter Mannsdorf: Party im Kopf. Roman. Hildesheim: Verlag Monika Fuchs, 2018. 143 S., Euro 9,90.
© Petra Hartmann