Corinna Antelmann: Im Schatten des Mondes
Bücher - Abenteuer Corinna Antelmann Monika Fuchs
Leo leidet an der "Mondscheinkrankheit" Xeroderma pigmentosum. Sonnenlicht ist eine tödliche Gefahr für ihn. Tagsüber kann der 15-Jährige sich nur mit einer Art Astronautenanzug aus dem Haus wagen. Nur nachts, bei Mondschein, kann er sich frei bewegen. Dabei liebt er die Sonne über alles und hasst den Mond. Ganz anders Ina, in deren Klasse Leo nach einem Schulwechsel gelangt. Ina träumt davon, Astronautin zu werden. Der Mond hat eine ganz eigene Faszination für sie. Und sie träumt davon, eines Tages in einer Rakete dort hinauf zu fliegen. Ganz sicher findet sie dort auch ihre verstorbene Mutter wieder ...
Corinna Antelmann erzählt die Geschichte eines ungleichen Freundespaars
Es ist die Geschichte eines ungleichen Freundespaars, die Corinna Antelmann hier erzählt. Oder sind sie doch eher ähnlich und in ihrer Gegensätzlichkeit verwandt? Leo mit seiner unerfüllbaren Sehnsucht nach der Sonne und Ina, die an einer Mondrakete bastelt?
Der Roman beginnt mit einem Besuch Leos und seiner Mutter beim Arzt. Neue Tumore sind aufgetaucht, und das obwohl der Junge die Sonne, wie vorgeschrieben vermieden hat und nur in seinem UV-Schutzanzug das Haus verlassen hat. Leo ist trotzig, verschlossen, hat keinen Bock darauf, sich bei dem Arzt, dem der Kontakt mit diesem "Freak" voller Narben sichtlich unangenehm ist, höflich zu benehmen. Und auch zwischen ihm und der zugleich überfürsorglichen und verstimmten Mutter liegt einiges im Argen. Eine Mutter, die sich aufopfert für ihr Kind, klar, aber dies auch sehr deutlich heraushängen lässt und für ihre Opfer auch Anerkennung fordert. Liebevoll, aber auch stets ein stummer Vorwurf an Leo.
Die neue Klasse jedenfalls ist von Leo genau so wenig begeistert wie Leo von ihr. Und dass die Fenster des Klassenraums mit Spezialfolie verklebt werden müssen, damit Leo sich am Unterricht gefahrlos beteiligen kann, trägt nicht gerade zur Beliebtheit des neuen Klassenkameraden bei. Aber, immerhin, da ist noch Ina.
Astronautin beobachtet Wolfsgehege durchs Teleskop
Ina, ein toughes Mädchen, Tochter eines Tierparkwächters und angehende Astronautin, so jedenfalls ihr Berufswunsch, mutig, zupackend, direkt und manchmal mit einer etwas großen Klappe. Als sie bei ihren nächtlichen Beobachtungen mit dem Teleskop einen merkwürdigen Jungen entdeckt, der um das Wolfsgehege herumstreift, ist ihre Neugier geweckt, und als Leo in ihrer Klasse auftaucht, nimmt sie ihn sofort unter ihre Fittiche.
Bald zeigt sich, dass Leo ein besonderes Talent hat: Er kann wunderschön zeichnen. Ein Talent, das er nicht nur nutzt, um Bilder der von ihm so geliebten Sonne als zauberhaft schöne Sonnenfrau zu zeichnen, sondern auch um eine Zeichentrickfilm zu erstellen. Thema: Astronautin Ina fliegt zum Mond.
Soundtrack aus Mondscheinliedern
Der Roman ist flüssig geschrieben und lässt sich sehr gut lesen. Er punktet durch die poetische und einfühlsame Sprache. Durch Inas persönlichen Soundtrack - sie hört immer wieder besondere Mondlieder wie "Blue Moon" (Ella Fitzgerald) oder "Fly me to the Moon" (Doris Day) - ist "Im Schatten des Mondes" auch ein sehr musikalisches Buch, das im Ohr des Lesers leise swingt und jazzt. Dadurch, dass die Autorin im Präsens erzählt, kommt man als Leser sehr nahe heran an die Figuren und ist sozusagen live mit dabei, erlebt Träume und nächtliche Begegnungen genau so intensiv mit wie das nicht ausbleibende Mobbing in Leos Klasse und die Gemeinheiten eines Mitschülers oder das grandiose Scheitern von Inas erstem Mondflug. Vor allem die Szenen, in denen Leos Fantasien von der wunderschönen Sonnenfrau geschildert werden, haben ihren eigenen Zauber und gehören zu den schönsten Stellen des Buchs. Dass auf diese Weise auf eine seltene Krankheit aufmerksam gemacht und für Verständnis für die Betroffenen geworben wird, ist zudem lobenswert.
Ein wenig konstruiert wirkt die Geschichte allerdings auch. Die wenigsten realen Mondscheinkinder dürften ein so unwahrscheinliches Glück haben, dass sie nicht nur ein herausragendes Zeichentalent besitzen, sondern auch noch eine Freundin mit eigener Mondrakete und Schlüssel zum Tierpark finden. Vielleicht hätte hier ein wenig mehr Realismus dem Anliegen, Verständnis für die Krankheit zu schaffen, besser getan? Egal, herausgekommen ist jedenfalls ein zauberhafter Roman, und das ist doch auch etwas.
Fazit: Zauberhafter Roman über ein sehr ernstes Thema. Eine schwere Krankheit, mit leichter Feder in einem beinahe magischen Ambiente skizziert. Lesenswert.
Corinna Antelmann: Im Schatten des Mondes. Hildesheim: Verlag Monika Fuchs, 2018. 205 S.
© Petra Hartmann