Vlad Hernandez: Krieg der Schrecken
Bücher - SF Vlad Hernandez Saphir im Stahl
"Krieg der Schrecken" ist, wie der Klappentext verrät, "die erste cubanische Science Fiction in Deutschland". Wobei de Autor bereits kurz zuvor im selben Verlag eine Kurzgeschichte publiziert hat, und zwar in der Sammlung "Rund um die Welt in mehr als 80 Kurzgeschichten."
Das vorliegende Buch ist kein Roman. Das kleinformatige Taschenbuch vereint drei Novellen in sich, die einzelne Episoden aus dem titelgebenden Krieg darstellen. Doch sind diese drei Episoden durchaus mit einander verbunden und erhellen sich gegenseitig.
Novelle über Königin der Schrecken
Die erste Geschichte trägt den Titel "Die Emperatriz". Es geht um eine "Königin" der Aliens, die in die Hände der Menschen gefallen ist. Ein unschätzbarer Fang für die Menschen, bietet sich doch so erstmals die Gelegenheit, die Fremdwesen zu erforschen. Allerdings: Da die gefangene Herrscherin so wertvoll ist, weckt sie auch Begehrlichkeiten. Max, ein kleiner Weltraumkrimineller mit eigenem Transport-Schmuggel- oder-was-auch-immer-Unternehmen, lässt sich anwerben von einem betörend gut aussehenden, erotischen jungen Mann namens Kyle, um die Emperatriz zu stehlen und sie auf dem Schwarzmarkt zu verticken. Allerdings: Kyle ist, was Max nicht weiß, im Auftrag der Emperatriz unterwegs. Und das Untier macht sich auf dem Raumflug los und greift an ...
Die Geschichte ist als Einstieg in die Welt des Schreckenkriegs einerseits gut geeignet, da der Leser hier auf engem Raum sehr viele Informationen bekommt und sich schnell orientieren kann. Literarisch ist sie eher schwach und klingt sehr nach dem Fanzine-Beitrag eines Anfängers. Die Geschichte besteht lediglich aus einer in zwei Hälften zerfallenden Action-Szene und einer dazwischen liegenden langen Info-Dump-Rückblende. Es wird beschrieben, wie das Weltraum-Insekt durch das Raumschiff kriecht und, nachdem es alle Besatzungsmitglieder bis auf eines getötet hat, nun nach Max sucht. Der Ich-Erzähler Max hat sich verkrochen, sieht dem fast sicheren Ende entgegen und erinnert sich daran, wie es alles angefangen hat mit dem Schreckenkrieg und seinem Auftrag. Als die Vorgeschichte fertig erzählt ist, wütet die Schrecke weiter und kommt näher ...
Ökologischer Krieg auf Aldebaran V
Der zweite Beitrag, der auch die umfangreichste der drei Geschichten darstellt, spielt auf dem fünften Planeten von Aldebaran. Es handelt sich offenbar um eine ökologisch besonders wertvolle Welt, und sowohl Menschen als auch Schrecken versuchen, die Ressourcen dieser Mutterwelt zu schonen, während sie sich unter einander bekämpfen.
Auch diese Geschichte hat - teilweise - einen Ich-Erzähler, Paco, Mitglied einer Spezialeinheit, afrikanischer Herkunft und durch technische Implantate und einen besonderen Kampfanzug extrem hochgerüstet. Paco und seine Kollegen bekämpfen nicht nur die Schrecken, sie haben es auf mit einer Gruppe von Soldaten zu tun, die desertiert sind und nun im Urwald von Aldebaran V hausen. In einem Schreckenbau, in dem Paco und seine Mitkämpfer Deserteure vermuten, kommt es zu einer folgenschweren Begegnung mit den Schrecken. Paco wird mit etwas infiziert, das den Untergang der Menschheit bedeuten kann.
In dieser Geschichte erfährt man auch einiges zur Motivation der Schrecken, die zwar immer noch eiskalt und gefühllos daherkommen, aber einen nicht von der Hand zu weisenden Grund für die notwendige Auslöschung der Zweibeiner geltend machen: Die Menschheit ist einfach zu aggressiv und zerstörerisch, man kann sie nicht am Leben lassen, ohne die Exisdtenz und den Frieden des Universums und der in ihm lebenden anderen Wesen zu gefährden. Kingt überzeugend, leider.
Geschichte eines Klons
Die dritte Geschichte ist erzählt aus der Perspektive einer "weißen Schrecke", eines menschlichen oder menschneähnlichen Klons, den die Schrecken gezüchtet haben. Die Aliens haben zahlreiche dieser Wesen geschaffen, darunter den Protagonisten Carles, der einem der Imperatoren sexuelle Dienste leistet.
Die Geschichte ist insofern interessant, als Carles, offenbar als einziger der Klone, so etwas wie eigenes Bewusstsein oder Individualität erlangt. Als die Schrecken besiegt und die Klone befreit werden, darf Carles als freier, selbstbestimmter Mensch weiterleben. In dieser Geschichte wird auch erklärt, wo der betörende Kyle aus Teil I herkam: Die Schrecken in Carles' Heimat haben offenbar ein paar Tausend dieser Kyles herangezüchtet.
Eine sehr interessante Erzählung und, anders als die beiden anderen, auch eine sehr leise Geschichte, da es hier nicht um Krieg und Herumgeballere, sondern um die Psyche und Selbstwahrnehmung eines Lebewesens geht, das zwischen Menschen und Schrecken steht. Sehr angenehm zu lesen.
Fazit: Drei sehr unterschiedliche SF-Storys, die einen gnadenlosen Krieg aus mehreren Blickwinkeln beleuchten. Interessant und vielschichtig. Keine Sternstunde, aber eine gute Lektüre für zwischendurch.
Vlad Hernandez: Krieg der Schrecken. Übersetzung: Pia Oberacker-Pilick. Bickenbach, Saphir im Stahl, 2017. 173 S., Euro 12,95.
© Petra Hartmann