Günter Abramowski: darüberhinaus
Lyrik Günter Abramowski
Es handelt sich um einen sehr gehaltvollen Band, der vor allem mit Naturschilderungen und Beobachtungen aufwartet. Aber der Autor kann auch durchaus ärgerlich werden, wenn er gegen Oberflächlichkeit und Gedankenlosigkeit zu Felde zieht. Dabei strahlt diese Sammlung trotz des angekündigten Feuers eine außerordentliche Gelassenheit aus.
Der Autor spricht von den Momenten, in denen der Mensch ganz bei sich ist, manchmal geht es einfach nur darum, Atem zu holen und zur Ruhe zu kommen. Und so gibt er auch dem Leser als Nutzanweisung für dieses Büchlein mit auf den Weg:
tief einatmen
alles ausatmen
hören sie auf zu denken
seien sie still
lesen sie einfach weiter
vertrauen sie sich
darüberhinaus ist jetzt
Wobei der Autor von sich selbst sagt:
wenn ich schreibe
kann ich unter wasser atmen
weil mir egal ist
wo ich gerade bin
Der Autor ist viel unterwegs. Schildert einen Samstagsnachmittagsausflug in den Park einer Kleinstadt, beobachtet den Goldfasan, "gesenkten Hauptes / gegebenen Körnern nach / müde über die schwelle hupfend", nimmt seine Leser mit auf den Weg hinter der Bahnschranke, "der hinausführt ins grüne / dieses hellen heißen tages / summende brummende / von streichelnd blauer luft / getragene fülle zu ergehen" oder erzählt vom Aufwachen am Strand, "die sonne im auge" und vom "feldweg meiner kindheit". Er zeigt "die bollwerkigen / gartenmauern der reihenhäuser" und am verwilderten Hohlweg den geheimen "treffpunkt der grenzgänger / vorwärts gesehen / bei blauem himmel / startrampe / bei grauem wetter / rückwärts gesehen / u-bahn-schacht / kreuzweg der wirklichkeiten".
Er erinnert sich an frühe Morgenstunden als Kind, als Mama und Papa noch schliefen, an Angst und Engelsgesang und das Gefühl, "als wär die welt ein großes loch / in das die / schönen träume fallen". Oder auch an den Hinterhof, in dem die Mülltonnen an der Wand der Kegelbahn standen und bemoste Stufen zu den Toren ins Reich der Salamander führten.
Freude am Wortschöpfertum und an der Sprache machen den Reiz dieses Büchleins aus, oft stutzt man und findet ungewöhnliche Bilder und seltsame Begegnungen. Da springt es einen schon einmal an "wie ein zierfisch vom seziertisch", da "juckt der rasen / in meinen augen". Oft findet man biblische Anklänge, Erinnerung daran, dass Menschen aus Erde geschaffen wurden, oder an das Psalmwort, dass jedes seine Zeit hat.
Dass in unserer Zeit leider auch viel Dumpfheit sich lautstark zu Wort meldet, ist gleichwohl auch an diesem Gedichtband nicht spurlos vorübergegangen. "geistlos geht geht schneller", bilanziert Abramowski im Gedicht "zwietracht", und unter der Überschrift "wer die wohl sind" heißt es:
ist so weit gekommen
gesichtet sind der dummen grenzen
ihnen befreiung zum angesagten leben
aus dem sein ins nichts genommen
scheinen im möchten sinn gegeben
der gutmensch lächerlich
verlogne solidarität ein surrogat für liebe
die das leid der opfer würzt
dass dir die welt genießbar bliebe
selbst wenn du unbehagen spürst
Insgesamt ist dieses "darüberhinaus" ein sehr reifer, sehr abgeklärter Lyrik-Band. Das Buch hat trotz seiner Langgedichte eine beinahe an Haikus erinnernde, zenhafte Ruhe und Gesammeltheit. Ein Autor, der offenbar bei sich angekommen ist, der mit einiger Melancholie auf seine Kindheit zurückblickt und sich von der Gegenwart nicht mehr den Puls beschleunigen lässt. Und ein Buch, für das man sich auch beim Lesen einige Zeit nehmen sollte. Wer sich auf dieses "darüberhinaus" einlässt, wird sicher nicht enttäuscht werden.
Günter Abramowski: darüberhinaus. gedichte. Hamburg: Elbaol Verlag, 2018. 120 S., Euro 6,99.
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