Eier vom Osterfuchs
Elfenschrift Ostern Fuchs
Kein Jux: Die Eier bringt der Fuchs
Tief ins Gras geduckt pirscht er heran. Zwischen den grünen Halmen blitzt nur manchmal sein rötliches Fell auf, dann taucht er wieder unter, lautlos wie ein roter Schatten. Die tief gesenkte buschige Rute streicht die Fährte aus. Jetzt hebt er kurz die Nase und wittert. Kein Mensch in Sicht? Nein, die Luft ist rein. Dort unter dem Baum hat er das kleine Nest aus Gras und Baumrinde entdeckt. Er schleicht heran. Jetzt hat er das Nestchen erreicht. Ein Rascheln, ein Huschen, und fort ist er wieder. Drei buntbemalte Eier bleiben im Nest zurück. Der Osterfuchs hat wieder zugeschlagen.
Der eierlegende Osterhase ist weltbekannt. Und selbst wer noch nie einen Hasen in freier Natur zu Gesicht bekommen hat, kennt ihn doch als österliches Pendant des Weihnachtsmannes und als buntverpackte Schokoladenfigur aus dem Supermarkt. Doch was nur wenige Menschen wissen: In alten Zeiten war die Rolle des Ostereierbringers alles andere als unumstritten. Noch zu Anfang des 20. Jahrhunderts galt im Schaumburger Land, im Nordosten von Nordrhein-Westfalen, in einigen Gegenden Sachsen-Anhalts (1) und zum Teil in Hannover (2) der Fuchs als der Eierbringer. Kinder legten ihre aus Moos und Gras selbst gebastelten Nester aus und sorgten dafür, dass der Fuchs bei seiner österlichen Arbeit nicht gestört wurde. Zum Dank hinterließ ihnen Meister Reinecke dann bunte Eier.
Das Wort „Fuchseier“ ist in westfälischen und niedersächsischen Wörterbüchern belegt als Bezeichnung für mit Zwiebelschalen braunrot gefärbte Ostereier, im Mittelelbischen hatte das Wort allerdings eher etwas mit Lug und Trug zu tun. „Du dröömß woll van Foßeier“ sagte man zu jemandem, der mit seinen Gedanken nicht bei der Sache war oder allzu kühne Ideen entwickelte, „Vosseier gefreten“ hatte wohl ein Besserwisser, und wer im Westfälischen von jemandem sagte, er sei „met Fossoeggern“ gefüttert, der warnte die anderen vor einem durchtriebenen, gerissenen Abzocker.
Auch sonst hatte der Hase durchaus ernstzunehmende Konkurrenten um den Job des Ostereierbringers und -legers: So soll es in der Schweiz einen österlichen Kuckuck gegeben haben, in Thüringen einen Storch und in Böhmen fiel das Eierlegen in das Ressort des Hahns.
Warum die Wahl ausgerechnet auf den Hasen fiel, darüber gibt es unterschiedliche Theorien. Als ein Tier mit besonders zahlreicher Nachkommenschaft, wurde er oft als Symbol für Fruchtbarkeit verwandt. Auch galt er als besonders wachsames Tier, immerhin konnte er wie manche Schüler mit offenen Augen schlafen. Noch heute gilt eine Hasenpfote als Glücksbringer. Bekannt ist auch die Anekdote von der „Erfindung“ des Osterhasen, als ein Bäcker zum Fest eigentlich Osterlämmer backen wollte. Da der Mann wohl nicht so genau hingeschaut hatte, gab er seinen gebackenen Minischafen Hörner, woraufhin ihm Hohn und Spott sicher war und man sich köstlich darüber amüsierte, er habe „Osterhasen“ gebacken.
Allerdings sahen nicht alle Kulturen den Hasen als Glücksbringer. Zweimal wird im Alten Testament den Juden verboten, Hasen zu essen: „denn er ist auch ein Wiederkäuer, hat aber keine durchgespaltenen Klauen; darum soll er euch unrein sein“ (3), befiehlt Gott Moses und Aaron. An anderer Stelle heißt es: „Diese Tiere aber sollt ihr nicht essen unter denen, die wiederkäuen und die gespaltene Klauen haben: das Kamel, den Hasen und den Klippdachs, die wiederkäuen, deren Klauen aber nicht ganz durchgespalten sind; darum sollen sie euch unrein sein.“(4)
So erscheint es nur folgerichtig, dass Papst Zacharias im Jahre 751 den Feldhasen in einem Brief an Bonifatius als unreines Tier erklärte und den Verzehr ausdrücklich untersagte.
Auch sonst scheint der Hase als Verkünder des „Evangeliums“, der frohen Botschaft, nämlich der Osterbotschaft von der Auferstehung Christi nicht gerade prädestiniert gewesen zu sein. „Der Hase gilt als Unglücksbote im gesamteuropäischen Raum“ (5), merkt Hans Fromm an. Und so ist es folgerichtig auch der Hase, nachdem Bär, Wolf und Fuchs als Boten verworfen werden, der im finnischen Nationalepos „Kalevala“ die Todesbotschaft überbringt und mit einiger Selbstgefälligkeit und Schadenfreude der Mutter erzählt, wie die schöne junge Aino ertrank:
„Doch das Glotzaug gab die Antwort, überheblich sprach der Hase:
†šMag doch Lempo hierher laufen, um im Kessel hier zu kochen!
Ich kam her, das Wort zu melden, um die Botschaft euch zu bringen:
Hingeschwunden ist die Schöne, zinngezierte Brust vergangen,
Silberspange hingesunken, Gürtelkupfer hingeglitten
In das sanft bewegte Wasser, in des Meeres tiefste Tiefen,
Eine Schwester dort den Schnäpeln, eine Freundin nun den Fischen.†˜“(6)
Bekannt ist die unsägliche Eitelkeit und Arroganz, mit der Meister Lampe im Märchen die krummen Beine des „Swinegels“ verspottet und damit alles andere als ein Muster christlicher Demut liefert. Bekannt ist auch die Feigheit des Hasen, so werden ängstliche Menschen als „Angsthase“, „Hasenfuß“ oder „Hasenherz“ verspottet. Nicht gerade der perfekte Botschafter des Osterfestes und der beste Überbringer der Auferstehungsnachricht also.
Während es in Deutschland so aussieht, als habe das Langohr seinen Posten trotz allem unanfechtbar besetzt, ist allerdings in Australien inzwischen ein ernst zu nehmender Konkurrent aufgetaucht. Schuld daran sind die schlechten Erfahrungen, die die Australier mit seinem kleineren Verwandten, dem Kaninchen, gemacht haben.
Der Kontinent, der bis zu seiner Entdeckung im 17. Jahrhundert vollkommen von der restlichen Welt abgeschnitten war, hatte in den Jahrmillionen der Isolation eine einzigartige Tierwelt hervorgebracht, die an Landsäugetieren lediglich Kloakentiere und Beuteltiere kannte. Als die Europäer dort landeten und wenig später zum Zeitvertreib (zur Jagd) Kaninchen aussetzten, die sich rasend vermehrten, war die ökologische Katastrophe perfekt, viele Beutler wurden durch die sich rasch vermehrenden Nahrungskonkurrenten an den Rand des Aussterbens gedrängt. Kaninchen entwickelten sich mehr und mehr zur Plage. Kein Wunder, dass viele Australier nicht gut auf die Langohren zu sprechen sind. Was als Aktion von Umweltschützern in den 1970ern begann, fand längst seinen Platz im österlichen Brauchtum des Inselkontinents: Man lässt sich seine Ostereier vom „Bilby“, vom Großen Kaninchennasenbeutler bringen, und „Easter-Bilbies“ aus Schokolade, aus deren Verkauf Naturschutzprojekte finanziert werden, gehören zum Sortiment der Süßwarenläden wie bei uns die Schoko-Osterhasen.
Auf jeden Fall empfiehlt sich am frühen Ostersonntag ein scharfer Blick in den Garten. Vielleicht hoppelt ja ein Kaninchennasenbeutler durchs Gras und bringt bunte Eier. Oder sollte es zur Abwechslung doch mal wieder der Fuchs sein?
(1) Wikipedia: Eintrag „Osterfuchs“, Version vom 18. April 2011
(2) Österliche Tiersymbolik: Osterhahn und Osterfuchs. rp-online.de/panorama-osterhahn-und-osterfuchs-1.2052198, zuletzt aktualisiert am 15.04.2001
(3) 3. Mose 11,6. Die Bibel. Nach der Übersetzung Martin Luthers. Deutsche Bibelgesellschaft. Stuttgart, 1985. S. 116. Dass der Hase ein Wiederkäuer ist, stimmt allerdings nicht. Vielleicht war das Nasen- und Lippenzucken des Tieres die Veranlassung für den Irrtum.
(4) ebd. 5. Mose 14,7. S. 202.
(5) Kalevala. Das finnische Epos des Elias Lönnrot. Aus dem finnischen Urtext übertragen von Lore und Hans Fromm. Nachwort und Kommentar von Hans Fromm. Stuttgart, 1985. S. 405.
(6) ebd. S. 29.
Erstmals erschienen in: Elfenschrift. Das kleine phantastische Literaturheftchen. 33, März 2012, S. 15-17. ISSN 1613-3293.
© Petra Hartmann
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