Günter Abramowski: das leichte ist im schweren
Lyrik Günter Abramowski
wink
in die welt hinein
nackt sind wir schön
so weit ich weiß
Aber beginnen wir nun ernsthaft mit dem Anfang. Eröffnet wird der Band mit dem Gedicht "wink", in dem sich das Thema des Leichten und Schweren, das sich ja im Buchtitel ankündigte, widerspiegelt. Ein Augenblickseindruck, geronnen zur Allzeit:
dieser augenblick
wundersame knospe
an einem zaunpfahl
weiß nicht
woher er kommt
liebfürchte das licht der blüte.
Das Aufeinandertreffen von Schwere und Leichtigkeit findet sich in vielen Gedichten dieses Bandes wieder. So in dem mit rund zweieinhalb Seiten auffallend langen Stück "die reise in den ort des abschieds", das im Anfang die Schwere und Gewichtigkeit mit dem Bild von "bleiernen Wolken" über einem sandsteinernen Turm, grauweißem Geröll und dem Gipfel eines Hügels beschwört, deren "Schwere" sich über die Landschaft ergießt. Dann entwickelt sich leicht ein Wind auf der stehenden Luft heraus, Windvogel und Ölpapierdrache an feiner Silberschnur lehren das lyrische Ich fliegen. Es geht um Abschied, Schmerz und Tod, aber auch um die Leichtigkeit in allem:
dein offen herz es ist das das goldne tor
in deine schöpferwelt
durch die der freie vogel fliegt
Ähnlich klingt es am Schluss des Gedichts "heiligabend 1972", in dem der Ich-Erzähler festhält:
ich ergab mich
in meinen
ausgebreiteten armen
der eisenharten erde gewicht
mich trug
aus der schwere
die leichtigkeit
unserer melodie
wir sangen einander
heimwege durch den wald
Abramowski beschreibt Oberflächlichkeit und Sinnarmut der modernen Zeit, wendet sich gegen Massengeschmack, Konsumgesellschaft und versäumtes Selbst-Denken. So heißt es im Gedicht "wer ist wir":
polit-eure verblenden die sicht
influencer geben ihrem leben
fake sinn
den unbrauchbaren bleibt nichts
sie sterben dahin
sich balgend um must haves
Und in "zwischen welten" spricht sehr viel Verärgerung über einen gewissen Typus Mitmensch: "wer zu doof zum leben / verspielt die welt", gnatzt der Autor und fordert auf: "versuch zu heilen / dich deine führer die welt"
Dazwischen: ein Ich auf der Suche nach sich selbst, manchmal verloren, einsam, traurig, "muttervaterseelenalleintraurig", ein Autor, der orpheusartig klagt: "ach ich habe mich verloren" und sich aufrafft "aus meines gottes armen" "das eigne leben in die hände" zu nehmen":
will in der erinnerung
zeitenlos mein jetzt erleben
möchte sein
was ich einst hatte
möchte werden
was ich bin
Fazit: Ein leicht-schwerer Lyrikband, für den man sich ein wenig Zeit nehmen sollte. Sehr schön ausbalanciert zwischen Gewichtigkeit und Schweben.
Günter Abramowski. das leichte ist im schweren. Gedichte. Hamburg: Elbaol Verlag, 2019. 124 S., Euro 6,99.
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© Petra Hartmann