Thorgal 38: Die Selkie
Comics Thorgal Selkie
Die Sage um die Selkie Kopakonan steht im Mittelpunkt des neuen 38. Thorgal-Albums. Thorgal und sein Sohn Jolan müssen zu den Färöer-Inseln aufbrechen, um die entführte Lupine zu befreien. Dabei begegnen sie einer sagenhaften Selkie, einer Robbenfrau, die vor Urzeiten einen Fluch über die Inselbewohner verhängte.
Wie das vorhergegangene Album Der Eremit von Skellingar bietet auch dieser neue Band ein in sich abgeschlossenes Abenteuer. Nach der langen verschlungenen und sich über mehrere Alben und zwei der Nebenserien erstreckende Geschichte um Aniels Entführung und die Kämpfe um die Herrschaft im Nordland ist dies eine wohltuende Abwechslung, die dem Leser einfach mal wieder Zeit zum Genießen des Augenblicks gibt und nicht durch überbordende Rückblenden und den Zwang zum Zurückblättern in mehrere Jahre alten Vorgängerbänden geprägt ist. Weniger eine Saga also, mehr ein Heldenlied.
Rückblick auf die Sage von der Selkie Kopakonan
Dieses Abenteuer kann man auch als Neueinsteiger sofort genießen. Blutig allerdings ist die Geschichte, und auch hier gibt es zwei Rückblenden, die eine jedoch nur verursacht durch den Sprung mitten in die Situation der entführten Lupine hinein, die andere, als Inselbewohner die Geschichte der Selkie Kopakonan erzählen, den Sagenkern des Abenteuers.
Thorgals Tochter wird auf die Färöer-Inseln entführt
Lupine, die kindliche und tierliebende Tochter Thorgals ist offenbar jetzt doch kein Kind mehr. Sie zeigt erste frauliche Züge - genug, um sie für einen Kaufmann von den Inseln als brauchbare Frau für seinen heranwachsenden Sohn erscheinen zu lassen. Er entführt sie, und Thorgal und Jolan nehmen die Verfolgung auf. Es sind eindrucksvolle Bilder, die ihre Fahrt begleiten. Die monumentale Statue der Selkie Kopakonan etwa, die in einer Meerenge steht und an der ihr Boot beinahe zerschellt wäre. Der Kampf unter Wasser mit den schwarzen Meeressäugern. Vor allem aber die in blutigem Rot gehaltenen Szenen, als Robbenschlächter Schaaren von Robben in einer Bucht erschlagen, um auf ihre gewalttätige Weise den Fluch von Kopakonan - mangels Robben - aufzuheben. Nein, es ist keine schöne, sondern eine sehr harte Geschichte, der alten Sage von der Robbenfrau angemessen, der ein Fischer einst ihr Robbenfell stahl, um sie zu seiner Frau zu machen, und der er später den Robben-Ehemann und beide Kinder erschlug. Mehr als Grund genug, um die Insel zu verfluchen.
Spannendes Abenteuer mit Thorgal-Moral
Das Selkie-Abenteuer ist schnell und spannend erzählt, in sich abgeschlossen und auch ohne Vorkenntnisse gut lesbar. Es bietet beeindruckende, teilweise düstere und sehr blutige Bilderwelten, aber wie immer eine positive Thorgal-Moral und dazu einen Einblick in die Sagenlandschaft der Färöer-Inseln.
Rätsel um die verschwundenen Kräfte
Etwas irritierend wirkt, dass beide Kinder Thorgals in diesem Band nicht über ihre besonderen Kräfte verfügen. Jolan hatte sie zwar im Band Der Herr der Gerechtigkeit unter den Bedingungen des Kampfes in einer besonderen Arena nicht zur Verfügung, erlangte sie aber nach der Beendigung des Kampfes und der Zerstörung des hemmenden Apparates wieder zurück. Und im Band Der Eremit von Skellingar spricht er noch mit einer absoluten Selbstverständlichkeit von seinen Heilerfähigkeiten: "Es ist zu ernst! Mit meiner Gabe als Heiler kann ich nichts mehr für sie tun." (S. 8) Warum vesagen seine Kräfte nun, als der Aufprall an der Selkie-Statue droht? Warum zögert er, als er den schwer verletzten Thorgal heilen muss? Jolan spricht darüber, als sei diese Unfähigkeit etwas Altbekanntes, aber trotz Zurückblättern (ja, jetzt doch) habe ich weder in der Hauptserie noch in dem Kriss-de-Valnor-Spin-off etwas dazu gefunden.
Und wieso kann Lupine, als sie im Käfig sitzt, nicht mit dem Riesenhummer wie mit allen anderen Tieren reden und ihn um Hilfe bitten? Wieso empfindet Lupine, die Freundin der Tiere, plötzlich sogar Ekel vor dem Scherenträger, der die Stricke, die die Gitterstäbe verbinden, ohne weiteres durchtrennen könnte? Ein Rätsel.
Aber abgesehen davon, ein schönes Album, düster und dramatisch, sagenhaft und mystisch.
Fazit: Spannender, sagenhafter Einteiler, gut erzählt und düsteren, stimmungsvollen Zeichnungen. Blutige, aber faszinierende Geschichte. Lesenswert.
Thorgal 38: Die Selkie. Text: Yann. Zeichnungen: Fred Vignaux. Bielefeld: Splitter, 2021.48 S., Euro 15.
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© Petra Hartmann