
Jonathan Philippi: Mary Island - Das Geheimnis des goldenen Medaillons

Die Abenteuer auf Mary Island gehen weiter. Im zweiten Teil, "Das Geheimnis des goldenen Medaillons" erzählt Jonathan Philippi von einem geheimnisvollen Artefakt, das die Welt von Steffen, Julia und Justus ganz schön durcheinanderwirbelt.
Nelly Mata, die Bibliothekarin der Insel, wird tot aufgefunden. Da sie keine Angehörigen hat, sichten der Sheriff und Sam Seidel, der Vater der drei Geschwister, ihren Nachlass. Darunter sind wertvolle Bücher über die amerikanischen Ureinwohner, aber auch viel Indianerkitsch und Nachbildungen von Museumsstücken. Und ein merkwürdiges altes Inkamesser, das vielleicht keine billige Kopie ist, sondern echt ... Gleichzeitig sorgt ein Feriengast der Seidels für Trubel: Der Junge Burt sitzt zwar im Rollstuhl, lässt sich aber von nichts und niemandem aufhalten, wenn er ein Ziel ins Auge gefasst hat. Burt schwimmt mit Delfinen, reitet den wilden Hengst Aisha, der nicht einmal Julia im Sattel duldet, und hat als General Avionas im Online-Rollenspiel "War of History" einen extrem hohen Level erreicht. Als Burt allerdings ein Bild des Inkamessers in sein Profil einstellt und es als "magisches Artefakt" ausgibt, erhält er mehr Aufmerksamkeit als beabsichtigt. Mitspieler bieten Höchstpreise für das Inkamesser, und sogar Professor Canlehin, ein ausgewiesener Fachmann für altamerikanische Kulturen, findet sich auf Mary Island ein, um das Relikt in Augenschein zu nehmen. Dummerweise ist das Inkamesser verschwunden ...
Wie bereits im ersten Teil, "Das Geheimnis des dritten Hügels", erzählt Jonathan Philippi flüssig und gekonnt seine Geschichte. Der Autor weiß, Spannung aufzubauen, und hat Sinn für humorvolle und kuriose Situationen. Man erfährt erneut vieles über die Unterschiede zwischen amerikanischer und deutscher Kultur und lernt zusammen mit den drei Auswanderer-Kindern einiges über die Geschichte der USA und über das Schicksal der Ureinwohner, auch der nicht auf US-Gebiet ansässigen alten Hochkulturen wie der Inkas, sowie über Sklavenhandel.
Sehr viel Spaß macht die Zeichnung des Feriengastes Burt, der trotz seines Rollstuhls als selbstbewusster Junge seinen Platz behauptet und bei allen Nachforschungen der Seidel-Kinder mit dabei ist.
Ein Minuspunkt ist die etwas abstruse Geschichte, die von Zufällen und recht konstruierten Zusammenhängen strotzt. Allein schon, dass die wissenschaftliche Koryhäe Professor Canlehin nicht nur rein zufällig MItbegründer und -besitzer von Burts Online-Rollenspiel ist, darin selbst einen hohen Spielerrang bekleidet und auf der Plattform offenbar gezielt nach alten "realen" Artefakten sucht, klingt etwas an den Haaren herbeigezogen. Das Spiel mit den Anagrammen, das auf den Verbleib eines letzten großen Inkaherrschers auf der Flucht hinweist, hat eine allenfalls surrealistische Logik, und dass ein erfahrener Inkaforscher und Schätzesucher sich mit einem derart überzogenen Lügenmärchen plötzlich auf eine völlig andere Spur lenken lässt, nein, es ist zu unglaubwürdig. Schön dagegen die Idee, den alten Pee Dee-Schamenen Schwebender Adler auf ganz eigene Weise in den Mythos mit einzubeziehen.
Fazit: Eine spannende Abenteuergeschichte mit etwas unglaubwürdiger Handlung, viel Hintergrundinfos und flüssigem Erzählstil. Gute Unterhaltung für ein paar Stunden.
Jonathan Philippi: Mary Island - Das Geheimnis des goldenen Medaillons. Verlagshaus el Gato, 2014. 308 S., Euro 13,90.
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© Petra Hartmann