Jahresrückblick 2024 - Teil 1: Januar bis März
Jahresrückblick
Das Jahr 2024 neigt sich dem Ende zu. Zeit, zurückzublicken auf zwölf Monate Lesen und Schreiben. Bevor ich euch meine Lesefrüchte des vergangenen Jahres präsentiere, noch ein kurzer Blick auf mein Autorenjahr. Veröffentlicht habe ich dieses Jahr nichts, aber ich habe einige Projekte abgeschlossen, die mich schon einige Zeit begleitet haben. Da ist zunächst einmal "Das intergalaktische Bestiarium" zu nennen. Es geht um eine Art kosmischen Professor Grzimek, der über seine Abenteuer mit Tieren, Pflanzen und sonstigen seltsamen Wesen fremder Planeten berichtet. Das Besondere an dem Buch sind die Zeichnungen von Thomas Hofmann, der mich immer wieder mit seinen schrägen, gruseligen oder ulkigen Kreaturen überraschte, und ich saß immer wieder dem Wahnsinn nahe vor der Mailbox und rief: "Um Himmelswillen, was hat der Irre sich da schon wieder ausgedacht!" Jedenfalls war es eine ausgesprochen bereichernde und immer wieder neue Horizonte eröffnende Zusammenarbeit. Was dabei herausgekommen ist? Das Ergebnis werdet ihr im Frühjahr in der Edition Dunkelgestirn bestaunen können. Und wer die Bücher von Eric Hantsch kennt, weiß, dass der Mann Bücher macht, die einfach nur zum Niederknien und Anbeten sind.
Ebenfalls abgeschlossen habe ich das Manuskript über die dreibeinige Straßenhündin Bertha und das Sonnenpferd. Das ist eine Geschichte, die ich schon seit einigen Jahren mit mir herumtrage. Auftraggeberinnen waren meine Nichte und zwei ihrer Schulfreundinnen. Wie es dazu kam, habe ich hier aufgeschrieben. Wann und wo das Buch erscheint, kann ich noch nicht sagen. Drückt mir die Daumen, ja?
Das dritte Manuskript, das fertig wurde, sind die "Buchfinkenmärchen". Hier geht es um fünf freche Vögel und ihre Abenteuer in einem klassischen deutschen Laubmischwald. Die Geschichten basieren auf den Gute-Nacht-Geschichten, die mein Vater mir früher jeden Abend zum Einschlafen erzählt hat. Jetzt habe ich 50 von ihnen aufgeschrieben. Das Manuskript ist allerdings noch nicht Korrektur gelesen, und es muss noch an einigen Stellen poliert werden. Die Verlagssuche starte ich wohl nächstes Jahr. Auch hier die Bitte um einen kräftigen Daumendruck.
Ansonsten habe ich den Kurzroman "Der Schwur der Falkin" fast abgeschlossen. Es handelt sich um das fünfte Abenteuer meiner Walküre Valkrys, genannt "Die Falkin". Teil eins bis vier könnt ihr im Band "Falkenblut", der im Hottenstein-Verlag erschienen ist, nachlesen.
Abschied musste ich von zwei Verlegern nehmen. Ernst Wurdack hat seinen Verlag im November geschlossen. Jörg Kaegelmann hat seinen Blitz-Verlag an ein jüngeres Team übergeben. Beiden wünsche ich einen glücklichen Ruhestand.
Vermelden kann ich für dieses Jahr einen kleinen Meilenstein: Dieses Blog hat die Drei-Millionen-Marke geknackt. Im April zeigte mir der Zähler 3.000.000 Zugriffe an. Arbeiten wir also weiter, es gibt ja noch mehr Millionen ...
Ich hatte einige Lesungen. Das Jahr begann mit einer Veranstaltung der Hildesheimlichen Autoren auf der Hildesheimer Meile der Demokratie, bei der ich aus meinem Roman "Das Herz des Donnervogels" vorlas. Ebenfalls mit dem Donnervogel war ich beim Kunstkreis Laatzen zu Gast. Beim Braunschweiger Conventus Leonis habe ich aus der "Schlagzeile" vorgelesen, aus "Nestis und die verschwundene Seepocke" beim Hildesheimer Magdalenenfest. Zum Kindefest im Rhüdener Freibad trug ich "Die Rache der Heinzelmännchen" vor, und im Hahnenkleer Kurhaus war ich mit "Furunkula Warzenkraish" bei den Märchenwochen zu hören. Außerdem gab es eine Horror-Lesung meiner Kollegin Sabine Kempfer, die im Goslarer Zinnfiguren-Museum meine Geschichte "Der schwarze Frosch" vortrug. Ich besuchte die Leipziger Buchmesse, den Marburg-Con, den Conventus Leonis, den BuCon und das Nürnberger Autorentreffen.
So weit erstmal. Demnächst mehr.
Hier nun also meine Lektüreliste des ersten Quartals 2024. Es ist das übliche Gemisch: Ein bisschen Phantastik und Indianerbücher, etwas von und über Karl May, Sprachwissenschaft, Comics, Lyrik und Sachen aus Goslar. Vielleicht ist ja etwas für euch dabei.
Hinweis:
Etwaige blau markierte Texte sind herausragende Spitzenbücher, rot steht für absoluten Mist, ein (e) hinter dem Titel bedeutet, dass ich den betreffenden Text in der eBook-Version gelesen habe, und hinter den Links verbergen sich ausführlichere Besprechungen innerhalb dieses Blogs.
Januar
Nancy M. Armstrong: Kee. Der lange Marsch der Navajo
Wilhelm von Humboldt: Über die Sprache. Reden vor der Akademie
Der Sammelband enthält Reden Wilhelm von Humboldts, die dieser vor der Berliner Akademie über seine Forschungen zum Thema Sprache gehalten hat. Der Band ist in der Reihe UTB für Wissenschaft erschienen, enthält einen Anhang, Hinweise zur Einordnung und zum Verständnis der Texte und ein Literaturverzeichnis. Dokumentiert sind auch die Daten und Orte (Plenum, hist.-phil-Klasse, öffentliche Sitzung) sowie Anlässe, bei denen Humboldt gesprochen hat, auch die Eintragungen aus den Sitzungsprotokollen sind beigegeben.
Es handelt sich um eine erweiterte Version eines zuvor erschienenen Sammelbands. Eine Warnung: Es ist keine Gesamtausgabe aller Akademiereden Humboldts über Sprache, sondern ein Auswahlband. Zwei Reden, nämlich über "Die Sprachen der Südseeinseln" und "Über die Verwandtschaft der Ortsadverbien mit dem Pronomen in einigen Sprachen" wurden gekürzt. Das ist schade, zumal es mir beim Kauf des Buchs nicht klar war. Dass es sich um gekürzte Texte handelt, geht lediglich daraus hervor, dass im Inhaltsverzeichnis hinter dem Redentitel ein "[gek.]" vermekt ist.
Positiv hervorzuheben ist auf der anderen Seite, dass die Rede "Über das Verbum in den Americanischen Sprachen" hier erstmals im Druck erscheint, der Text wurde von Manfred Ringmacher aus der Handschrift rekonstruiert. Insgesamt hat Humboldt 26 mal vor der Akademie gesprochen und 17 Reden gehalten (einige doppelt), nicht alle betrafen das Thema Sprache.
Im Buch finden sich Klassiker wie die Dualis-Schrift oder "Über das vergleichende Sprachstudium", Humboldt referiert über den grammatischen Bau der chinesischen Sprache, über den Charakter von Sprachen und über das Entstehen grammatischer Formen, er geht der Frage nach, welchen Zusammenhang die Buchstabenschrift mit dem grammatischen Sprachbau hat, und legt dar, welche Aufgabe ein Geschichtsschreiber hat - auch dies ein Thema, das für Humboldt vorrangig das Thema Sprache betrifft.
Insgesamt eine sehr schöne und wichtige Sammlung. Wer sich von dem etwas spröden Sprachstil Humboldts nicht abschrecken lässt, findet hier viele Goldkörner.
Phillis Wheatley: Nie mehr, Amerika!
Hans-Martin Gutmann: Fatales Nichtverstehen - Luther und der Bauernkrieg
Fabienne Siegmund: Sommerkuss. New York Seasons 1
Zauberhaftes modernes Märchen um eine große Liebe, ein gebrochenes Herz und einen Vater, der seine Kinder vor der Liebe und dem Schmerz schützen will und dabei die größte Grausamkeit der Welt begeht. Die Geschichte spielt in New York, was mich zunächst abgestoßen hat, doch Fabienne Siegmund kann auch den Central Park mit Einhörnern bevölkern und über der Stadt, die nie schläft, ihren Zauber ausgießen ... Ich habe das Buch antiquarisch erworben. Soweit ich es sehe, ist es aktuell nur noch als eBook zu erhalten.
Die Hauptfigur ist die 16-jährige Rain, die sich in einen seltsamen Jungen verliebt. Lange Zeit ahnt sie nicht, dass Christian kein normaler Mensch ist, doch es stellt sich heraus, dass sie sich in den Sohn von Väterchen Frost und der Schneekönigin verliebt hat. Und auf Christian lastet ein Fluch.
Der Leser begegnet zauberhaften Kreide-Pflasterbildern, den Einhörnern vom Turtle-Pond, einem Eisbäumchen mit magischen Blüten, einem geheimnisvollen Zirkus. Rain selbst hat die ungewöhnliche Fähigkeit, das Glück sehen zu können, allerdings meist erst dann, wenn es geht. Und ihre Freundin Abby besitzt das erstaunlichste Orakel der Welt, eine Sammlung aus Gerümpel-Runen. Rain macht sich auf die Suche nach dem verschwundenen Christian, sie findet Freunde auf dem Weg durch Glas, Eis und Scherben. Und dann ist da noch Danny, der Sohn des Sommers ... Ein wunderschönes Buch. Bleibt zu hoffen, dass es einmal wieder als gedruckte Ausgabe erhältlich sein wird.
Klaus Farin: Karl May. Ein Popstar aus Sachsen
Sehr schöne, illustrierte, liebevoll aufgemachte Hardcover-Ausgabe. Das Buch erschien erstmals 1992, die vorliegende Ausgabe kam im Jahr 2012 im Archiv der Jugendkulturen heraus. Der Tonfall ist, wie auch schon der Titel andeutet, fluffig und etwas flapsig, etwas respektlos und humorvoll, leicht lesbar. Die kurzen Kapitel bieten Infos über Mays Leben, über seine Wirkungsgeschichte, über den Umgang der Nazis und der DDR mit Mays Büchern und ein kritisches Kapitel mit dem Titel "May light. Freuden und Leiden einer Fälscherwerkstatt" geht mit den Bearbeitungen, die der Karl-May-Verlag am Werk "seines" Autors vornahm, und weiteren überarbeiteten und "verbesserten" Versionen ins Gericht. Stimmen von prominenten Karl-May-Fans, ein Literaturverzeichnis und ein Karl-May-Kreuzworträtsel runden das Buch ab. Das Buch ist sehr amüsant und gut lesbar, an den flapsigen Tonfall muss man sich etwas gewöhnen, es ist aber okay. Inhaltlich muss man feststellen, dass der Text nicht mehr auf dem neuesten Stand ist (Wie sollte er das auch, über 30 Jahre nach der Erstveröffentlichung?) So wird im Kapitel über Mays Kindheit und Jugend ausführlich darüber berichtet, dass der Schriftsteller in den ersten fünf Jahren aufgrund von Mangelernährung blind gewesen sei - eine von May selbst in die Welt gesetzte Legende, die von der Forschung inzwischen ins Reich der Fabel verwiesen wurde.
Teufelsgarn
Die "Garn"-Anthologie aus dem Leseratten-Verlag bieten Funtastik von Feinsten, und auch diesmal erwartet die Leser ein höllischer Lesespaß. Ob der Sohn des Teufels als Eignungsprüfung einen alkohol-liebenden Jogginghosenträger abholen soll, aber daran scheitert, dass der freundliche und hilfsbereite "Kunde" sich einfach nicht erschrecken kann. Ob Lemmy Kilmister wegen der höllenwürdigen Kombination von Bass und Plektrum eine Fahrkarte nach Süden bekommt. Ob der Teufel beim Würfelspiel die Hölle verliert und die Apokalypse einfach nicht kommen will. Es sind einfach heiße Geschichten, die einem fast Lust auf das übel beleumundete Gefilde Lucifers machen. Da geht es um einen Mord im teuflischen Casino, um Burnout und Energieprobleme, ein Einhorn mit seltsamen Ansichten taucht auf, und ab und zu schaut auch der in Großbuchstaben redende Sensemann vorbei. Herrlich schräg, teuflisch gut und ein echt heißer Lesehappen für zwischendurch.
Hörspiel
Daniela Wakonnig: Johann Wolfgang von Goethe
Februar
Uwe Henrich: Grenzen überwinden. Rudolf Steiners "Philosophie der Freiheit"
Der Autor lebt in Hahnenklee bei Goslar. Daher habe ich in der Goslarschen Zeitung einen Artikel über das Buch veröffentlicht. Es ist dann aber eher ein Porträt als eine Buchbesprechung geworden. Ich hab's nicht so mit Steiner. Meinen Artikel findet ihr hier.
Bessy 78: Ajax der Dobermann
Neuausgabe uralter Kinderträume. In diesem Abenteuer wird Andy von zwei Schurken überfallen, die ihm sein Pferd klauen. Der Junge mit dem Collie erhält aber Hilfe von einem in der Nähe lebenden Goldsucher und seiner Tochter. Problem: Die junge Frau ist in einen der beiden Banditen verliebt. Und dann ist da auch noch Ajax, der Dobermann des Nachbarn Old Zack. Er und Bessy freunden sich an und haben einige gefährliche Begegnungen mit den Banditen. Die Luft ist ausgesprochen bleihaltig.
Das Nachwort bietet einige Informationen zu Klaus Dill, Cover-Gott der Serie, der einen Großteil zum Verkaufserfolg der Hefte beitrug. Sehr schön. (Manchmal wünscht man sich ja ein Bessy-Album, das durchgehend von Klaus Dill gezeichnet wurde ...)
Nicole Rensmann: Ariane, Bastian, Luzifee und Co.
Liebenswürdige und zauberhaft illustrierte Sammlung mit sieben Kindergeschichten. Es geht um eine Storchendame, die Babys ausliefert, aber selbst keine Kinder kriegt - bis sie am Ende ein liegen gebliebenes Päckchen mit einem Krokodilbaby entdeckt. Es geht um ein Teufelsmädchen, das unbedingt den Weihnachtsmann treffen möchte. Um eine Fledermaus, die vom "kopfunter" Schlafen immer Kopfschmerzen bekommt. Der Leser erfährt etwas über Wollmonster, die in der Waschmaschine leben und Löcher in Kleidungsstücke fressen. Ein Panda, der keinen Bambus essen mag, aber Blumen liebt, und ein Tiger, der sich krank langweilt, kommen ebenfalls im Buch vor. Und man begegnet schließlich einem Flamingo, der seine rosa Federfarbe leid ist und Experimente mit gelbem und grünem Paprika macht. Eine sehr schöne Sammlung, freundlich und liebenswert, und auch für Große eine schöne Lektüre.
Comanche, Gesamtausgabe 4
- Das Geheimnis von Algernon Brown
- Die Wilden
- Ein Dollar mit drei Seiten
Vierter Band der edlen Hardcover-Edition im Splitter-Verlag. Erneut sehr schön und gehaltvoll mit reichlich Zusatzmaterial, darunter Infos zum Hintergrund der Serie, Skizzen und einseitige Kurzcomics rund um Red Dust.
Diesmal geht es um einen mysteriösen Toten, der nahe der Triple-Six-Ranch gefunden wird. Die Papiere des Erschossenen weisen ihn als einen gewissen Algernon Brown aus, einen Tunichtgut, Revolvermann und - Pinkerton-Agenten? Red Dust reitet nach Laramie, um dem Rätsel auf die Spur zu kommen. "Die Wilden" handelt von einem Verbrechertrio, die drei sind Überbleibsel eines Quartetts, das sich "Die wilde Horde" nannte - alte Bekannte von Red, der nun (einmal wieder) von seiner Vergangenheit eingeholt wird. Los geht es mit einem Postkutschen-Überfall und einem blutigen Gemetzel, es folgt ein eindrucksvoller Auftritt der Cheyenne, die auf Reds Seite sind, schließlich eine Verfolgungsjagd mit sehr interessanten Tauchszenen und einer unterirdischen Höhle voller Wasser. Der "Dollar mit drei Seiten" ist das, was wir im Deutschen als einen "falschen Fuffziger" bezeichnen würden. In dieser Folge taucht Reds kleiner Bruder Cameron auf, man erfährt den echten Namen von Comanche und etwas über Dusts Kindheit. Cameron erweist sich überraschenderweise als ziemlich reicher Schnösel - und als ein ganz übles Früchtchen.
Der Sammelband ist geprägt von einem großen Umbruch, sprich: Hermanns Ausstieg aus der Serie und dem Einstieg vom Michael Rouge (ab "Die Wilden"). Ein Wechsel, den viele Fans damals nicht goutierten. Naja, ich fand die Rouge-Zeichnungen jetzt bei der Wieder-Lektüre gar nicht sooo schlecht. Aber Legende ist halt Legende, und die Fußstapfen waren groß ...
Karl May: Schacht und Hütte
Zunächst zum Titel: Es geht hier nicht um Geschichten über Bergleute, sondern es handelt sich um Beiträge Karl Mays, die in der Bergmanns-Zeitung "Schacht und Hütte" erscheinen sind. Sie dienten der Unterhaltung der Leser, sind aber gerade keine Berufslektüre, sondern Erzähltexte und Informationen aus aller Welt.
Angeschafft habe ich mir den Sammelband, weil darin die Novelle "Wanda" enthalten ist. Ich bin ja wegen meines "Donnervogel"-Romans immer noch hinter allem her, was Karl Mays Interesse an Fliegerei betrifft. Klar, dass ich mir da die Geschichte über die "tolle Polin" und ihren dramatischen Ballonflug anschaun musste. Wanda von Chlowicki ist eine mutige, abenteuerlustige Frau, die durch eine testamentarische Verfügung ihres Vaters gezwungen werden soll, den Sohn von dessen Freund zu heiraten. Allerdings hat sie den Mann zuvor nie kennen gelernt - und der Mensch, der jetzt als ihr Verlobter auftritt, ist ein Hochstapler, der den eigentlich vorgesehenen Bräutigam um die Ecke gebracht hat. Außerdem hat sich Wanda in den Schornsteinfeger Emil Winter verliebt. Der ist zwar nicht ganz standesgemäß, aber ein tüchtiger Mann, tapfer und heldenhaft, obendrein veröffentlicht er Gedichte. Bereits zu Beginn zeigt er sich als Lebensretter, indem er bei einem Brand auf das Dach eines Hauses steigt und die von den Flammen eingeschlossene Familie herausholt. Und als Wanda eine Ballonfahrt mit einem Schausteller wagt, die sich als Todesfalle für die reiche Erbin entpuppt, ist es Winter, der sich am Ankerseil in den Ballonkorb emporarbeitet und die Geliebte rettet.
Auch sonst hat die Sammlung einige interessante Fundstücke zu bieten. Da ist der zweite große Erzähltext, "Die Fastnachtsnarren", die Geschichte zweier verfeindeter alter Herren, deren Kinder einander lieben. Die beiden Senioren schicken einander einer örtlichen Tradition gemäß zur Fastnacht "in den April". Und der Brautvater will seine Einwilligung zur Heirat nur geben, wenn er den jährlichen Verlade-Wettstreit verliert. Doch sein Gegner hat einen gewitzten Sohn, der im Streiche-Ausdenken die beiden Alten souverän in den Schatten stellt.
Der Band enthält außerdem Mays "Geografische Predigten". Das sind hochinteressante Aufsätze über Berge, Flüsse, Wälder, Wüsten und ihre Bedeutung für den Menschen, das Ganze eben mit einem gewissen salbungsvollen Tonfall - und mit Rückkopplung auf den Schöpfer. Manchmal für den heutigen Leser etwas anstrengend, aber sehr aufschlussreich. May jedenfalls sagte: ".wer die 'Geographischen Predigten' nicht gelesen hat, ist vollständig unfähig, meine Voraussetzungen und Ziele zu kennen, meine Art und Weise zu begreifen, mein Denken und Wollen zu verstehen und ein gerechtes Urteil über meine Werke zu fällen; die Herren von der Kritik haben aber, wie es scheint, nicht die mindeste Notiz von ihnen genommen."
März
Malcolm Max: Der Kannibale von London
Erich Loest: Swallow, mein wackerer Mustang
Klassiker. Romanbiografie, erzählt im Präsens, über das Leben Karl Mays. Spannend, teilweise beklemmend. Und irgendwie auch immer wieder wie ein Wunder. Wie der "Züchtling" im Gefängnis in Waldheim zu fabulieren beginnt, sich mit seiner Phantasterei Rügen und Strafen einfangt, aber irgendwie doch herausfindet, ein Angebot von einem Verleger erhält, zwar "nur" Kolportage-Romane, aber ein Auskommen hat, mit dem nach der Zuchthaus-Karriere niemand mehr hätte rechnen können. Der Erfolg. Die Angst. Der Absturz. Eingeholt werden von der "kriminellen" Vergangenheit. Die üble Nachrede. Der Ruf, ein "Schundliteratur-Autor" gewesen zu sein. Der Ärger mit Emma, die ihn nie verstand, die nur den Ruhm wollte und das Geld mit vollen Händen verprasste ... (Möchte einmal etwas Freundliches über Mays erste Ehefrau lesen.) Dann ein letzter, größter Höhepunkt: Empor ins Reich der Edelmenschen ... Fieberträume. "Sieg, großer Sieg, ich sehe alles rosenrot!" als letzte Worte. Lesenswert, gut getroffen, ein Muss für jeden Karl-May-Fan.
Kerstin Groeper: Grauer Wolf. Ein Indianer-Junge will nach Hause
Miriam Rademacher: Talisman und der reisende Riese
Hildesheimliche Autoren: Anthologie #6
Die sechste Anthologie meines Hildesheimer Autorenvereins. Ich selbst bin diesmal nicht dabei, darum kann ich völlig unparteiisch sagen: Es ist eine der besten des Vereins, vermutlich die zweitbeste Anthologie nach der Sammlung zum Stadtjubiläum. Enthalten sind 24 Kurzgeschichten von zwölf Autoren. Ein gemeinsames Thema gab es diesmal nicht, die Bandbreite erstreckt sich vom Krimi bis zum Familiendrama, von heiteren Episoden über Historisches bis hin zur Science Fiction und Fantasy. Lesenswert.
Weitere Jahresrückblicke
Teil 2: April bis Juni 2024
Teil 3: Juli bis September 2024
Teil 4: Oktober bis November 2024
© Petra Hartmann