80 Autoren und Leute, die es werden wollen, drei Referenten, kulinarische Überraschungen für Nicht-Süddeutsche, dazu Lesungen aus Fantasy-Romanen, Kurzgeschichten und der eigenen Lyrik-Produktion, vor allem aber viele Gespräche mit alten und neuen Freunden - das Nürnberger Autorentreffen ist inzwischen eine Tradition, und die meisten Teilnehmer sind überzeugte "Wiederholungstäter".
Für Organisatorin Ursula Schmid-Spreer, die die Zusammenkunft ins Leben gerufen hatte, war es das achte, für mich immerhin das vierte Mal, und für uns beide bestimmt nicht das letzte. Jedenfalls haben wir uns für den nächsten Himmelfahrtstag schon zum neuen Treffen in Nürnberg verabredet.
5 Kilo Kaffee halten die Autoren-Hirne wach
Ein paar Zahlen vom Vorjahrestreffen, die Ursula der Runde zur Einstimmung präsentierte: 2009 verbrauchten die Gäste 40 Liter Apfelsaft, 50 Liter Wasser und 20 Liter diverse andere Säfte, 5 Kilo Kaffee, 102 Teebeutel und 7 Liter Milch. Komisch, ich hatte die Tage niemals als Autorenbesäufnisse wahrgenommen. Diesmal aber gab es sogar ein Gläschen Sekt. Die verbrauchten Liter-Mengen konnte Ursula am Tagesende zwar noch nicht angeben, aber festhalten kann man schon, dass ihr Mann Heinz - Verirrte-Autoren-Finder, Graue Eminenz des Treffens und bester Kaffeekocher der Welt - die Besucher nicht auf dem Trockenen sitzen ließ.
Oliver Pautsch erklärt das Drehbuch-Schreiben für's Bügelfernsehen
Als Referenten waren Oliver Pautsch, Titus Müller und Klaus N. Frick geladen. Am meisten neue Informationen und Entdeckungen hielt für mich naturgemäß der Vortrag von Oliver Pautsch bereit, denn mit seinem Metier, dem Drehbuchschreiben, habe ich bisher noch nichts zu tun gehabt. Gelernt habe ich unter anderem, was "Bügelfernsehen" ist: Fernsehserien für Leute, die nebenher ihre Hausarbeit erledigen. Die Dialoge müssen dabei so geschrieben werden, dass die Zuschauer nichts verpassen, auch wenn sie gerade ihre Wäsche bügeln und nicht auf den Bildschirm gucken können:
"Was bügelst du denn da gerade?"
"Ich bügele meinen blauen Pullover."
Das vielzitierte Gesetz "Show, don't tell" gilt für das Bügelfernsehen also gerade nicht.
Ein Kasten Bier von der guten Fee
Pautsch brachte eine Kurzgeschichte mit und zeigte uns einen Kurzfilm, der daraus entstanden ist: Der Film "Ein einfacher Auftrag", der mit dem Studenten-Oscar ausgezeichnet wurde, erzählt von einer Fee, die einem Bauarbeiter drei Wünsche erfüllen soll, und von seinem schlichten Herzenswunsch nach einem Kasten Bier ... Wenn man erst die Geschichte mit ihren detaillierten Beschreibungen gehört hat, fällt beim Betrachten des Filmes vor allem die fast unendlich lange Stille auf: Eine Fee landet, sie schaut sich um, ein Blick auf das Haus, das versiffte Innere, der Garten, der Weg, ein langsam heranwankender Mann mit Zementeimer, tiefe Schlucke aus der Bierflasche - bis die beiden Akteure zu reden beginnen, vergeht eine halbe Ewigkeit.
Was mir noch im Ohr geblieben ist:
- "Wenn Sie als Autor arbeiten wollen, dürfen Sie sich für nichts zu schade sein." Pautsch schrieb zum Beispiel auch Quizfragen und Soaps ("Schlimm ist: Man muss sie sich auch anschauen.")
- "... dass von zehn Stoffen nur einer gemacht wird." Und bis gedreht wird, dauert es drei bis fünf Jahre.
- Wichtig (wie auch in anderen Gebieten): Aufbau und Pflege eines Netzwerks
- Die Wertschätzung, die ein Autor beim Film erhält, ist offenbar nicht allzu hoch. Pautsch: "Man ist nichts anderes als eine lebende Schreibmaschine."
- Was der Autor als (erstes) Drehbuch abliefert, bleibt garantiert nicht so: "Viele Autoren sagen, nicht das Schreiben ist der wichtigste Teil, sondern das Ändern."
- Der Tipp: Wer Filmstoffe unterbringen möchte, findet an den Filmhochschulen unter den angehenden Absolventen dankbare Abnehmer.
Titus Müller über Szenen - die Bausteine des Romans
Titus Müller, der gewissermaßen zum "lebenden Inventar" des Autorentreffens gehört, sprach über das Thema "Szenen im Roman". Er riet den Autoren zum "Eintauchen in die Szene" und erzählte über seine Sammlung von Alltagsbeobachtungen, die er regelmäßig notiert, eine umfangreiche Stoffsammlung für Romanszenen. Ich glaube, die Luft wurde etwas dünner im Raum, als Titus die Frage aufwarf: "Wie fühlen sich eigentlich Zahnschmerzen an?" Unvergesslich wird den meisten Teilnehmern der Blutegelzüchter sein, den er als Beispiel für einen ungewöhnlichen Protagonisten vorstellte (ein Auszug aus einem Beitrag eines seiner Seminarteilnehmer).
Für jede Szene müsse sich der Autor drei Fragen stellen:
- Wer will was?
- Was passiert, wenn er es nicht bekommt?
- Warum jetzt?
Der Cliffhanger vor der Werbepause
Cliffhanger sind ein weiterer wichtiger Bestandteil von Szenen. "Wenn der Henker sein Beil hebt - dann kann ich mir Zeit lassen." (Bah, watt hat so'n Autor für 'ne fiese Charakter.) Wer wissen will, wie ein Cliffhanger funktioniert, sollte einfach mal ins bereits vorgestellte "Bügelfernsehen" schauen: "Vor der Werbepause wird garantiert irgendeine Frage aufgeworfen, die der Zuschauer unbedingt beantwortet haben will."
Und noch ein Ratschlag: Der Held sollte aktiv sein. Ein Protagonist, dem nur sehr viel Unheil zustößt, ist kaum geeignet, den Leser zu fesseln. "Wenn der Held zu viel denkt und zu viel weint, überlegt nochmal, ob der Plot gut ist."
Klaus N. Frick stellt das Genre Fantasy vor
Klaus N. Frick sprach über das Thema Fantasy. Er gab zunächst einen kurzen Überblick über die Geschichte der phantastischen Literatur und die Sub-Genres der Fantasy. Anschließend berichtete er von der Fantasy-Serie "Elfenzeit" und von der schwierigen Suche nach guten Autoren.
Sehr hilfreich und ausführlich ist seine kommentierte Liste der Verlage, die Fantasy herausbringen. Die werde ich wohl mal abarbeiten.
Weitere Tipps für Autoren:
- Networking (s.o.)
- "Sammeln Sie Erfahrungen in kleineren Verlagen. Machen Sie sich einen Namen."
- Finger weg von Druckkostenzuschuss-Verlagen.
- "Fantasy-Leser haben es gern dick. Wenn Sie als Fantasy-Autor Geld verdienen möchten, schreiben Sie alles - aber nicht unter einer Million Anschläge."
- "Schreiben Sie Ihr eigenes Ding." (Jau.)
Lesung aus Movenna - und ein mitreißender Wortkunstlauf
Nach dem Abendessen im "O'Sheas" trafen sich die besonders hartgesottenen Teilnehmer zur letzten Runde: Wer mochte, hatte jetzt die Gelegenheit, aus eigenen Texten vorzulesen und sich sachkundige Kritik abzuholen.
Ich habe lange geschwankt, ob ich aus der "Darthula" oder aus dem dritten Movenna-Buch vorlesen sollte. Geraten hatten mir alle zur bereits erschienenen Darthula, aber schließlich warf ich doch lieber den Anfang von "Der Fels der schwarzen Götter" in die Runde. Es hat sich auch gelohnt, immerhin kann ich die Macken, die meine Zuhörer gefunden haben, jetzt noch vor dem Druck rausnehmen.
Besonders beeindruckend fand ich die abschließende Darbietung von Elvira Lauscher und Jörg Neugebauer. Das Ulmer/Neu-Ulmer Duo mit dem Namen "Wortkunstlauf" kannte ich schon von zwei CDs, die mir Elvira geschickt hatte, aber live sind die beiden noch toller.
So klingt die Liebe zum FC Nürnberg
Die letzten Mohikaner saßen noch bis gegen 23 Uhr im Literaturcafé zusammen. Mit einer großen Portion Neid auf alle, die noch ein Hotelzimmer bekommen hatten, schlurfte ich danach zum Bahnhof, krabbelte in den ICE nach Hannover, rollte mich zwischen ein paar Polizisten zum Schlafen zusammen und lernte wenig später den FC Nürnberg hassen. Offenbar waren die vielen Uniformierten nicht ohne Grund in den Bahnhof eingefallen.
Die Fußballfans waren jedoch nicht auf Randale aus, im Gegenteil, nach dem gewonnenen Spiel plauderten sie aufgeräumt mit zwei hübschen Polizistinnen - und kamen dann auf die geniale Idee, den Ladys etwas vorzusingen. Dabei beließen sie es nicht bei gesungenen Liebeserklärungen an ihren Verein, sie sangen vom Edelweiß und hohen Tannen und verstiegen sich in herzzerreißende Klagen um die verlorene Heimat im wunderschönen Riesengebirge.
Das Lied vom Rübezahl hat mich noch im Schlaf verfolgt, als die Sänger schon längst ausgestiegen waren. Ob die Polizistinnen den Gesang oder mein bald danach einsetzendes, allseits gefürchtetes Schnarchen mehr genossen haben, darüber mag ich nicht spekulieren. Doch als ich um 6.20 Uhr steifgefroren aus dem Zug kletterte (ich hätte die Bahn wegen der abgestellten Heizung eigentlich bei den Polizistinnen anzeigen sollen, das war fahrlässige Körperverletzung), spukte mir der alte Rübezahl noch immer im Kopf herum, und noch während ich dies hier tippe, singe ich immer wieder laut und falsch mit entzündetem Husten-Hals vom Rübezahl und seinen Zwär-her-gen.
Ich habe viel gelernt in Nürnberg.
Weitere Berichte vom Nürnberger Autorentreffen:
Nürnberger Autorentreffen 2011
Nürnberger Autorentreffen 2012
Nürnberger Autorentreffen 2015
Nürnberger Autorentreffen 2016
Nürnberger Autorentreffen 2017
Nürnberger Autorentreffen 2018
Nürnberger Autorentreffen 2019
Nürnberger Autorentreffen 2024
© Petra Hartmann